Zeitschrift Umělec 2006/3 >> Petra Herotová Übersicht aller Ausgaben
Petra Herotová
Zeitschrift Umělec
Jahrgang 2006, 3
6,50 EUR
7 USD
Die Printausgabe schicken an:
Abo bestellen

Petra Herotová

Zeitschrift Umělec 2006/3

01.03.2006

Jiří Ptáček | rezension | en cs de

Petra Herotová wurde 1980 geboren; seit 2004 studiert sie in der Werkstatt für intermediale und konzeptuelle Kunst von Jiří David an der Prager Kunsthochschule VŠUP.
Wenn wir versuchen, die zentralen Bereiche ihres Schaffens zu definieren, bieten sich Begriffe wie “Kommunikation”, “Familie” und “Identität” an. Diese sind freilich so allgemein, dass wir sie mit mindestens drei konkreten Hinweisen ergänzen müssen: “Schraubenzieher”, “Smilies” und “Papa”. Welchen Sinn ergibt das?
Herotová ist immer persönlich und zugleich gradlinig und witzig. Das ermöglicht eine gewisse Distanz zu den “größeren” Problemen. Zum Beispiel führt uns ihr dicht beschriebener und mit Zeichnungen versehener Werk-Komplex Subvirtuální svět (“Subvirtuelle Welt”) in einen ungeahnten Raum hinter der virtuellen Realität. Herotová erklärt uns, wie diese Welt entsteht und wie sie unter bestimmten Umständen unkontrollierbare Störungen der Kommunikation und der zwischenmenschlichen Beziehungen hervorruft. Die Künstlerin verhält sich eigentlich wie ein Kind, das einen Wissenschaftler spielt. Sie denkt sich eigene Begriffe (i-Humus, Internet-Zahn u.Ä.) aus und beschreibt konsequent die Funktionsweisen des “Subvirtuellen”. In die Texte fügt sie schematische Skizzen von Arbeitsabläufen in Fabriken ein, die eine sichtbare und mechanische Analogie zu der unsichtbaren, digitalen Welt bilden. Die Schwierigkeiten mit der Kommunikation, um die es in der Subvirtuální svět geht, treffen hier mit dem reinen Spaß an der Kreation einer originellen Fiktion zusammen.
An das Thema Kommunikation knüpft auch eine Zusammenstellung von Zeichnungen mit dem Titel Taťkovy výroky (“Papas Ratschläge”) an. Sie gehen von der wohlbekannten Erfahrung mit dem erzieherischen Ehrgeiz unserer Eltern aus, der beharrlich andauert, auch wenn wir uns längst für erwachsen halten. Die Lehrsätze, Anweisungen und Lebensweisheiten, die der Vater der Tochter gibt, bilden in Taťkovy výroky eine persönliche aber auch allgemeine Bestandsaufnahme von Augenblicken, die peinliche Gefühle in uns hervorrufen. Herotová urteilt jedoch nicht über ihren Vater, sie stellt einfach nur fest.
Der Vater ist überhaupt das häufigste Objekt ihres Interesses. Papas Werkzeug (vor allem der Schraubenzieher), Papas Auto, Papas Kleidung und Papas häusliche Tätigkeiten geben ihren Projekten einen Anflug von Besessenheit; sie werden allerdings aus der Vogelperspektive dargestellt und ohne dass der Elektra-Komplex sich im Schlechten niederschlägt. Er motiviert vielmehr die zärtliche Zuneigung gegenüber den Besitztümern und Gewohnheiten des Vaters. Papa ist hier zugleich Mythos und Rätsel, und wir haben – obwohl wir Mädchen sind – einen Teil von seinem Mythos und Rätsel geerbt.
Auf den ersten Blick scheint die Video-Instal­lation, die an die bereits verstorbene tschechischstämmige Kroatin Slávka Žukovičová-Máchová erinnert, von ganz anderer Art zu sein. Herotovás Hommage an eine der bedeutenden Persönlichkeiten der tschechischen Gemeinschaft auf dem Balkan besitzt zugleich Bildungswert. Dem Video, in dem sie Gedichte von ihr rezitiert, fügt sie Informationsmaterial über die pädagogischen und literarischen Arbeiten von Slávka Žukovičová-Máchová bei. Wenn wir erfahren, dass Herotovás Familie einige Zeit in Kroatien gelebt hat, wird freilich schnell klar, dass auch dieses Projekt persönlichen Charakter hat. Irgendwo im Hintergrund steht wieder einmal Papa (!), dessen Tschechisch laut Herotová bis heute an die “einbalsamierte” Sprache der tschechischen Minderheit in Kroatien erinnert.
Die Arbeiten von Petra Herotová sind konzeptuell angelegt; sowohl Idee als auch Präsentation sind gut durchdacht. So wird transparent, wie mittels des Spiels mit den eigenen irrationalen Beziehungen Parallelen zu Beziehungen hergestellt werden, in die wir alle irgendwie verstrickt sind.
Jiří Ptáček




Kommentar

Der Artikel ist bisher nicht kommentiert worden

Neuen Kommentar einfügen

Empfohlene Artikel

Contents 2016/1 Contents 2016/1
Contents of the new issue.
No Future For Censorship No Future For Censorship
Author dreaming of a future without censorship we have never got rid of. It seems, that people don‘t care while it grows stronger again.
Nick Land, Ein Experiment im Inhumanismus Nick Land, Ein Experiment im Inhumanismus
Nick Land war ein britischer Philosoph, den es nicht mehr gibt, ohne dass er gestorben ist. Sein beinahe neurotischer Eifer für das Herummäkeln an Narben der Realität, hat manch einen hoffnungsvollen Akademiker zu einer obskuren Weise des Schaffens verleitet, die den Leser mit Originalität belästigt. Texte, die er zurückgelassen hat, empören, langweilen und treiben noch immer zuverlässig die Wissenschaftler dazu, sie als „bloße“ Literatur einzustufen und damit zu kastrieren.
Missglückte Koproduktion Missglückte Koproduktion
Wenn man sich gut orientiert, findet man heraus, dass man jeden Monat und vielleicht jede Woche die Chance hat, Geld für sein Kulturprojekt zu bekommen. Erfolgreiche Antragsteller haben genug Geld, durchschnittlich so viel, dass sie Ruhe geben, und die Erfolglosen werden von der Chance in Schach gehalten. Ganz natürlich sind also Agenturen nur mit dem Ziel entstanden, diese Fonds zu beantragen…