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Fuck Mugabe!!!
Zeitschrift Umělec
Jahrgang 2012, 1
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Fuck Mugabe!!!

Zeitschrift Umělec 2012/1

20.05.2013 14:32

Spunk Seipel | africa | en cs de

"In bester Diktatoren-Tradition verschanzt sich Mugabe in seinem luxuriösen Stadtpalast in Harare. Nachts wird die Straße, die an dem riesigen Grundstück mit der hohen Mauer und dem dichten Stacheldraht vorbeiführt, abgesperrt. Tags darf und muss man auf dieser wichtigen Verkehrsachse an dem schwer bewachten Haus vorbeifahren. Aber wehe, man hält! Oder man macht Fotos! Schon mehrere Tote sind deswegen zu beklagen."

Fickt Mugabe! Fickt seine Frau!

Es sind miese Arschlöcher!

Wir dürfen das hier schreiben und drucken. Ich kann meiner Verachtung freien Lauf lassen! Ich muss keine Angst vor Mugabe und seiner korrupten Clique haben. Die Menschen, die unter seiner Knechtschaft leben müssen, schon.

 

Im November und Dezember reiste ich auf Einladung der Nationalgalerie nach Harare, in die Hauptstadt Zimbabwes, um dort eine Ausstellung mit Arbeiten von mir zu zeigen. Ich wollte Kohlezeichnungen von ‚afrikanischen Helden‘ sowohl im Museum zeigen, als auch im öffentlichen Stadtraum aufhängen.

Die Bilder sollten Wind und Wetter ausgesetzt werden. Jeder sollte die Bilder von den Wänden entfernen und mit nach Hause nehmen können. Der Marktwert von Kunst, die Frage, wie man Kunst präsentiert und wie man sich als Besucher in einem Museum verhält, sollten hinterfragt werden. Wie unterschiedlich werden Leben und Werk von Albert Schweitzer, Patrice Lumumba oder Steve Biko von Afrikanern und Europäern wahrgenommen und interpretiert? Es ging um den Blick auf die afrikanische Geschichte aus zwei so grundsätzlich verschiedenen Perspektiven.

Je näher mein Reiseantritt kam, umso nervöser wurden die Kuratoren in Harare. Letztendlich entschieden wir uns auf ihren Wunsch hin, die Ausstellung nicht anzukündigen. Jede Maßnahme im öffentlichen Raum sollte ich auf eigene Verantwortung hin unternehmen und die Nationalgalerie in diesem Zusammenhang gar nicht mehr erwähnen.

Als ich ankam, verstand ich schnell, warum die Kuratoren in Harare solche Angst hatten. Die herrschende Stimmung im Land ist Angst!

Man hat in den letzten Jahren viel Schlimmes  über dieses Land gehört. Hyperinflation, Enteignung und Vertreibung von weißen Farmern, Hungersnöte, Cholera, Misshandlung und Unterdrückung von Oppositionellen, Zwangsräumung und Zerstörung der Hütten von 2,4 Millionen Menschen (bei einer Bevölkerung von ca. 12 Millionen), Flüchtlingsströme in Nachbarländer, Massenerschießungen von Streikenden. Die Liste der Greueltaten, die auf das Konto der Regierung unter Führung von Robert Mugabe gehen, ist lang.

Mugabe, der ehemalige Buschkämpfer, der die weißen Rassisten in einem jahrelangen Bürgerkrieg erfolgreich bekämpft hatte, ist heute selbst ein Rassist und er ist mächtig. Mit dem Argument, alles von den Weißen und von Ausländern für das eigene Volk ‚zurückzuholen‘, rafft er für sich und seine Clique zusammen, was er nur bekommen kann. Die Folgen sind katastrophal. Zimbabwe, die ehemalige Kornkammer Afrikas, muss inzwischen regelmäßig Lebensmittel importieren.

In den Supermärkten gibt es zwar Lebensmittel, aber die Qualität ist oft miserabel. Und alles ist extrem teuer. Eine Dose Coca Cola kostet 1 US-Dollar, ein halbes Kilo vergammelter Trauben, bessere bekommt man nicht, kosten 8 US-Dollar. Wechselgeld gibt es, seit Einführung des US-Dollars als offizielle Währung, nicht mehr. Man erhält stattdessen im besten Fall minderwertige Bonbons als Rückgeld. Das macht das Einkaufen noch teurer. Ein Hausmädchen verdient im Schnitt 50 US-Dollar, ein Lehrer nicht selten unter 200 US-Dollar im Monat. Davon müssen dann oft Kinder und andere Verwandte miternährt werden.

Wirklich schlimm aber ist die politische Lage im Land. In bester sozialistischer Tradition, der Mugabe 1991 offiziell abschwor, werden politisch und kulturell Andersdenkende unterdrückt. So wurde dem ehemaligen Staatspräsidenten Canaan Banana, als er sich gegen Mugabe stellte, Homosexualität vorgeworfen. Das ist nicht nur ein großes Tabu in den meisten afrikanischen Ländern, sondern wird in Zimbabwe als Straftat verfolgt. Banana, der um sein Leben fürchten musste, floh ins Exil. Morgan Tsvangirai wurde, als er noch in der Opposition war, im Gefängnis schwer misshandelt. Freunde von ihm wurden ermordet. Eine andere Regierungspartei als Mugabes Zanu/PF ist unvorstellbar geworden.

In bester Diktatoren-Tradition verschanzt sich Mugabe in seinem luxuriösen Stadtpalast in Harare. Nachts wird die Straße, die an dem riesigen Grundstück mit der hohen Mauer und dem dichten Stacheldraht vorbeiführt, abgesperrt. Tags darf und muss man auf dieser wichtigen Verkehrsachse an dem schwer bewachten Haus vorbeifahren. Aber wehe, man hält! Oder man macht Fotos! Schon mehrere Tote sind deswegen zu beklagen.

Im Land selbst sind überall Spitzel unterwegs. Junge Männer und Frauen, die sich in jeder Ortschaft unter die Bevölkerung mischen und kontrollieren, ob etwas gegen Mugabe gesagt oder getan wird. So wurde ich von der Intelligence Police verhaftet, als ich in Mugabes Geburtsstadt Masvingo Fotos vom Straßenleben machte und eine Bettlerin fotografierte. Zwei Polizisten Anfang 20 brachten mich auf die Polizeiwache. In der verrotteten Station, in der es schimmelte und stank, kontrollierten sie meine Fotokamera. Was ich nicht wusste, war, dass es in Masvingo vor einigen Jahren zu Protesten wegen Hunger gekommen war. Was die Geheimpolizei nicht versteht, war, dass sie mit solchen Aktionen viel mehr Schaden anrichtet, als das Foto einer Bettlerin bewirken könnte. Später wurde ich in Harare noch einmal verhaftet, weil ich Zeichnungen von mir auf der Straße verschenkte. Ich war per se schon verdächtig, weil ich allein durch das Land reiste. Auch anderen Künstlern erging es nicht besser. Dan Halter, der aus Harare stammt und heute in Kapstadt lebt, wurde vor zwei Jahren ebenfalls verhaftet, als er ein Video in der Hauptstadt drehte. Er darf sein Heimatland nie wieder betreten.

Die ständige Präsenz von Geheimdienstleuten, die Zensur und das Verbot über Gesellschaftliches oder Politisches diskutieren zu dürfen, wirkt sich auf das ganze Land aus. Das alles beherrschende Gefühl ist Angst.

So entstand eine Kultur des Nichtwissens und der Desinformation. Zwar hat sich Zimbabwe angestrengt Schulen zu bauen, aber der Unterricht wird fast ausschließlich in Englisch gehalten. Bücher sind rar. In den drei Buchläden, die ich entdeckt habe, in denen Bücher in Shona oder Ndebele, den beiden Hauptsprachen des Landes verkauft werden, stauben die schlechtgedruckten Werke vor sich hin. Sie handeln entweder von wilden Tieren oder erzählen von der Heroisierung des Kampfes gegen die Weißen. Importierte Bücher werden mit „Strafzöllen“ von bis zu 100 Prozent belegt und sind so nahezu unbezahlbar. Auch das Fernsehen, das sich bei weitem nicht alle leisten können, bietet kein besseres Bild. In Kultursendungen tanzen Frauen in rosa Jogginganzügen Tänze des Befreiungskrieges nach, und junge Hip-Hopper singen Oden an Mugabe und seine Frau. Das erinnert doch sehr an asiatische Diktatoren, oder?

Für die Kunst bedeutet das alles nichts Gutes. Viele Künstler wandern aus. Zumeist nach Südafrika, wo die Kunstszene sich in den letzten Jahren enorm entwickelt hat. Gesellschaftskritische Kunst ist hier fast ein Muss. Anders in Zimbabwe: hier versuchen sich mehr oder weniger begabte Künstler an den berühmten Shona-Skulpturen aus Stein. Die in den 1950er Jahren maßgeblich von Weißen entwickelte Skulpturenkunst scheint heute unzähligen Zimbabwern eine Chance für den sozialen Aufstieg zu sein. Im ganzen Land gibt es Felder voll von in Stein gehauenen Nilpferden oder Mutter-Kind-Figuren. Die Inflation dieser Bildwerke führt aber nicht zu einer Qualitätssteigerung. Die Hoffnung, dass die wenigen Touristen den Bildhauernippes kaufen, ist meist vergeblich.

Auch in der Malerei sieht man kaum etwas Interessantes. Gegenständliches beherrscht die Szene, oft mit einem Hauch Expressionismus versehen. Gerne werden die wilden Tiere Afrikas gemalt, oder immer wieder Mütter mit Kind. Zuweilen werden auch die Elendsbehausungen in den Townships romantisiert oder das elende Leben der schwarzen Farmer, die mit einer Handhacke ihre Felder pflügen müssen. Manche Künstler interpretieren ihre Werke als politische Aussagen. Ein Mann zum Beispiel, der vor Schlangen wegläuft, soll das einfache Volk darstellen, wie es vor der Geheimpolizei flieht. Naja.

Dabei ist der Aufwand, Farben und Leinwand zu bekommen, enorm. Viele fahren dafür in die Nachbarländer Botswana, Sambia oder Mosambik. Die Ausbildung verläuft für viele Künstler autodidaktisch. In Harare ist an die Nationalgalerie eine Kunstschule angeschlossen, die mit norwegischen Geldern finanziert wird. Allerdings können die Lehrkräfte selbst kaum etwas zur künstlerischen Erziehung beitragen. Das Wissen der Kunsterzieher würde in Europa dem eines Realschülers entsprechen. Die Nutzung der Bibliothek der Nationalgalerie ist selbst unter den Lehrkräften selten. Kuratoren wie Raphael Chikukwa, der auf der letzten Biennale in Venedig einen wirklich guten Pavillon für sein Land gezeigt hatte, sind Ausnahmepersönlichkeiten in Zimbabwe. Er und seine Kollegen in der Nationalgalerie Bulawayo versuchen ihr Bestes, stehen aber auf verlorenem Posten in einem Land, in dem ein Arschloch wie Robert Mugabe sich an der Macht festkrallt.

Deshalb sollten alle Mugabe und seine Frau ficken. Damit sich die Kunst in diesem Land endlich entwickeln kann. Damit endlich jeder Bücher lesen kann. Damit jeder sich politisch äußern kann. Damit es den Menschen in Zimbabwe besser geht. Fickt Mugabe und seine geldgeile, Gucci-versessene Frau, damit in Zimbabwe endlich die Angst aufhört.





20.05.2013 14:32

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