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godspeed you! black emperor
Zeitschrift Umělec
Jahrgang 2010, 2
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godspeed you! black emperor

Zeitschrift Umělec 2010/2

01.02.2010

Adam Nenadál alias Aran Epochal | The End of the Western Concept | en cs de ru

CD-Cover ohne Bandname oder Albumtitel. Die mediale Präsentation wird auf ein Minimum beschränkt. Offizielle Bandfotos? Gibt es nicht. Und die Musik selbst? Überlange und beim ersten Hören zufällig zusammengestellte Kompositionen ohne Gesang und spürbare rhythmische Strukturen.
Godspeed You! Black Emperor haben immer alles umgekehrt gemacht. Anstatt mit der Umwelt zu kommunizieren, umgaben sie sich mit einem schwer durchdringbaren Spinnennetz aus Mythen, Dogmen und Legenden. Aus dem personellen Chaos (zeitweise spielten in der Band mehr als 20 Musiker!) schufen sie jedoch einen monumentalen Klang, den sie quasi beiläufig auf geniale Platten aufnahmen. Für ihre Fans sind GY!BE die Verkörperung von Musik in ihrer reinsten Form. Passt diese strikte Vision überhaupt in diese Welt? Natürlich nicht. Godspeed You! Black Emperor haben auch nie vorgegeben, mehr mit dieser Welt gemein zu haben, als eine zufällige Vereinigung von Raum und Zeit.


CD-Cover ohne Bandname oder Albumtitel. Die mediale Präsentation wird auf ein Minimum beschränkt. Offizielle Bandfotos? Gibt es nicht. Und die Musik selbst? Überlange und beim ersten Hören zufällig zusammengestellte Kompositionen ohne Gesang und spürbare rhythmische Strukturen.
Godspeed You! Black Emperor haben immer alles umgekehrt gemacht. Anstatt mit der Umwelt zu kommunizieren, umgaben sie sich mit einem schwer durchdringbaren Spinnennetz aus Mythen, Dogmen und Legenden. Aus dem personellen Chaos (zeitweise spielten in der Band mehr als 20 Musiker!) schufen sie jedoch einen monumentalen Klang, den sie quasi beiläufig auf geniale Platten aufnahmen. Für ihre Fans sind GY!BE die Verkörperung von Musik in ihrer reinsten Form. Passt diese strikte Vision überhaupt in diese Welt? Natürlich nicht. Godspeed You! Black Emperor haben auch nie vorgegeben, mehr mit dieser Welt gemein zu haben, als eine zufällige Vereinigung von Raum und Zeit.
Der Weg von Godspeed You! Black Emperor begann im Jahr 1994 in Montreal, zum Gründungstrio gehörten Efrim Menuck, Mike Moya und Mauro Pezzente. Die Zusammensetzung änderte sich aber ständig, daher ist die Erstellung eines detaillierten „Stammbaums“ aller Bandmitglieder praktisch unmöglich. „Zuerst waren wir zu dritt. Wir haben einen Freund getroffen, der Hornist war und jetzt nicht mehr mit uns spielt. Es war fast so, dass jeder, den irgendjemand kannte und der ganz okay war, irgendwie zu uns dazugestoßen ist“, erinnert sich Efrim Menuck, Gitarrist und Schlüsselfigur von GY!BE, an die Anfänge der Band. „Wir waren dann bis zu 15 Leute oder so, das war schrecklich. Deshalb haben wir das auf neun reduziert und sind seitdem immer so um die neun Leute gewesen.“
Die Namen der Musiker sind aber sowieso nicht so wichtig. Jede Person, die dem Kollektiv Godspeed You! Black Emperor (der Bandname verweist übrigens auf einen japanischen Dokumentarfilm von 1976 über die Motorradgang The Black Emperors) beigetreten ist, hat ihr musikalisches Ego vor der Tür des Proberaums oder Aufnahmestudios gelassen und ist Teil eines Mammutorchesters geworden. Der ungemein eindringliche – fast schon schicksalhafte – Klang der Band wäre ohne die absolute Opferung jedweder Bestrebungen, das eigene Instrument durchzusetzen, nicht möglich gewesen.
Die wechselhafte Besetzung ermöglichte unter anderem auch einen stets neuen Zugang zum Schreiben von Songs und Spielen von Konzerten: Godspeed You! Black Emperor verfielen nie in eine Routine. „Der Plan war immer, mehr Leute einzubinden, um die Band ständig zu verändern. Das war immer etwas, das wir wollten. In der letzten Zeit ist es viel konstanter geworden als früher. Damals änderten wir bei jeder Show unsere Besetzung. Zwei oder drei andere Leute spielten verschiedene Instrumente ...“ Das Ergebnis war aber immer eine unheimlich eindrucksvolle Musik. David Bryant: „Ich glaube nicht, dass wir jemals vorhatten, eine Platte zu veröffentlichen. Wir hatten sicherlich nie vor, eine Platte zu veröffentlichen, die sich die Leute wirklich anhören würden. Und wir hatten auch nie vor, eine Band zu sein, die ständig spielen würde. Es sollte nichts davon sein. Wenn man die ganze Zeit spielt, hört man nicht mehr, was die anderen Leute spielen. Man konzentriert sich immer mehr darauf, was man selbst spielt, auf die vorgeschriebenen Parts. Dann spielt man die Parts, aber hört nicht mehr zu. Das ist wirklich ein Problem.“ Die Musik von Godspeed You! Black Emperor bevorzugt daher die Kommunikation anstelle einer fest gegebenen Struktur: Die momentane Stimmung, Intuition und gegenseitiger Respekt wurden einem zuvor definierten Schema übergeordnet.
Menuck & Co. debütierten 1994 mit der Kassette All Lights Fucked On The Hairy Amp Drooling, die in einer Auflage von lediglich 33 Stück(!) erschien. Als Beginn der Diskografie wird aber zumeist das mystische Debüt mit dem merkwürdigen Titel F#A# angeführt. Die Vinyl-Edition ist 1997 bei dem Montrealer Kult-Label Constellation in einer Auflage von 500 Stück erschienen, die CD-Ausgabe übernahm ein Jahr später das nicht weniger respektierte Label Kranky (die CD-Version ist auch fast doppelt so lang wie die LP).
Das Album war in der Undergroundszene eine Sensation. F#A# ist nicht einfach eine Studioaufnahme von zuvor eingeübten Stücken. Es handelt sich vielmehr um die Erfassung eines kollektiven Bewusstseinsstroms, der wohl nur durch die Kraft des Willens zusammengehalten wird. Die Dynamik der Platte ist völlig außergewöhnlich: Die Musikstücke tauchen ohne Vorwarnung aus den dunkelsten Tiefen der Stille hervor, die ratlos umherirrende Gitarre beschränkt sich gänzlich auf eine herkömmliche Akkordstruktur und erweckt eher den Eindruck einer gespenstischen Kulisse. Die konkreten Klänge der Stadt und der Straßen mit allen menschlichen Stimmen und Lauten gehen in orchestrale Teile über, das Ganze wird von einer düsteren und auswegslosen Atmosphäre eines nahenden Endes verbunden. F#A# wirkt dabei aber nicht etwa wie ein Mosaik. Die einzelnen Klangelemente sind kohärent und ergeben eine halluzinogene Aufnahme, die eher an einen Filmsoundtrack als an ein Musikalbum erinnert.
Die verwirrten, aber begeisterten Kritiker und Zuhörer fragten sich zu Recht, mit wem sie es da eigentlich zu tun hatten. Im Zusammenhang mit Godspeed You! Black Emperor begann man daraufhin, erstmals die Wortverbindung „Post Rock“ zu verwenden, die aber selbst so unkonkret wie verworren erschien. Kaum jemand bemerkte dabei aber, dass sich tief in den Grundzügen der Musik von GY!BE ein sanfter Widerhall der traditionellsten Art des musikalischen Ausdrucks findet ... David Bryant: „Ich weiß nicht, was Folk ist. Es ist, wie wenn jemand eine bestimmmte Sache zu einem bestimmten Zeitpunkt fühlt, sich total fertig fühlt und etwas über sich selbst singt, etwas schreibt, das für die anderen etwas bedeutet, ich weiß nicht. Folk ist ehrliche Musik. Folk bedeutet, in der Musik ehrlich zu sein und nur eine Geschichte zu erzählen. Und das ist wirklich ein großer Teil des Folk – eine Geschichte zu erzählen. Folk ist ein Weg, bei gesundem Verstand zu bleiben. Ich sehe viele Folk-Musiker, die einfach Songs schreiben, um bei gesundem Verstand zu bleiben. Und wenn das Folk ist, ja, dann sind wir bestimmt Folk-Musiker.“
Auf F#A# zeigt sich auch erstmals ein weiteres Haupterkennungsmerkmal von Godspeed You! Black Emperor: die auffällige grafische Gestaltung der Alben. Vergesst das traditionelle visuelle Konzept eines Albumcovers! Name der Band? Infos oder Album-Credits? Nichts davon ist wichtiger als der visuelle Gesamteindruck: eine wahllose Schriftart, auf den ersten Blick zufällig zusammengestellte Fotos, Artefakte und Aufschriften ... Das genaue Gegenteil davon, wie die meisten anderen Bands ihr Debüt angehen. Statt der klaren Ansage „Hier sind wir, so heißen wir und das ist der Titel unseres ersten Songs“, haben sich Godspeed in einen eigenen Raum eingeschlossen, aus dem sie mit Hilfe ihrer Musik und Plattencover nur sehr unklare Signale aussenden. Auf den ersten 500 Vinyl-Ausgaben haben außer den Bandmitgliedern auch Leute von Constellation Records und eine Reihe unabhängiger Montrealer Künstler gearbeitet – und jeder von ihnen hat seinen eigenen Abdruck auf F#A# hinterlassen. Wenn man das Album in der Hand hält, hat man das Gefühl, eher ein geheimes Tagebuch als die Platte einer Rockband zu betrachten. Komisch endeten auch die meisten Versuche von Journalisten, die Band mit einer Interviewanfrage zu kontaktieren: Anstatt einer Antwort erhielten die Journalisten nur unverständliche Satzfetzen, merkwürdige politische Manifeste oder Fotos. „Die Band lehnt offensichtlich das klassische Spiel mit den Medien ab“, konstatiert ein Redakteur der Zeitschrift Wire. Die scheinbare Unerreichbarkeit des Montrealer Ensembles hat ihren Kultstatus nur vergrößert, ebenso wie die viel gerühmten Konzerte, auf denen es Augenzeugen zufolge zu einer geradezu magischen Verbindung zwischen Band und Publikum kam.
An F#A#∞ knüpften Godspeed You! Black Emperor 1999 mit der Veröffentlichung der EP Slow Riot For New Zero Canada und 2000 mit dem Langspielopus Lift Your Skinny Fists Like Antennas To Heaven an. Für viele Fans sind diese beiden Alben das Beste, was Menuck & Co. je aufgenommen haben. Vor allem Lift Your Skinny Fists Like Antennas To Heaven übt eine gewaltige Kraft aus: Dort, wo die Band auf ihrem Debüt noch konkrete reale Laute zur Hilfe nahm, wirkt jetzt reine musikalische Magie. Von einer besseren „Zugänglichkeit“ kann aber wirklich keine Rede sein – die Platte ist von ihrer apokalyptischen Stimmung geradezu durchtränkt. Hinter dem sanften Geklimpere kann eine wütende politische Botschaft vermutet werden, die Godspeed You! Black Emperor in einigen ihrer wenigen zugelassenen Interviews betonen und erläutern. Beim Lesen der Interviews hat man vielmehr das Gefühl, dass es sich bei der befragten Band um eine Bande kompromissloser, knallharten politischen Hardcore spielender Punks handelt, und nicht etwa um eine ständig wechselnde Musiker-Armada, die so sanfte und zugleich verletzende, düstere und klanglich gewagte Musik spielt.
Menuck: „Weißt Du, was ich wirklich denke? Meine eigene Meinung? Ich glaube, dass die Zeit knapp wird. Ich glaube, dass es böse Kräfte in der Welt gibt. Ich glaube, dass der globale Kapitalismus nur einen Schritt davon entfernt ist, überall zu sein. Ich glaube, dass das nicht der Moment ist, seine Zeit in einer bescheuerten Post-Rock-Band zu verschwenden. Ich glaube, dass alles, was man in dieser Lage tut, unangemessen ist.“
Godspeed You! Black Emperor waren somit während ihrer Karriere der einzigartige Prototyp einer DIY-Band. Sie hielten sich strikt an ein Underground-Netzwerk unabhängiger Labels und Händler, und obwohl sie der Mainstream mehrmals als neue Avantgarde-Sensation umwarb, sind GY!BE dieser Versuchung nie erlegen.
Ihre Haltung wird am besten durch das Cover des letzten Albums Yanqui U.X.O. dokumentiert, auf dem ein Verbindungsschema aller großen Musiklabels zu multinationalen, die Kriegsindustrie unterstützenden Konzernen abgebildet ist. Yanqui U.X.O. erschien im Jahr 2002. Es entstand im Studio des berühmten Toningenieurs Steve Albini (beteiligt an Alben von PJ Harvey, den Pixies, Nirvana, The Jesus Lizard, Slint und vielen weiteren) und ist ein finaler Aufschrei der Auflehnung, ein glühender Strom von Emotionen in einer erkalteten Welt, eine geniale Komposition enttäuschter Hoffnungen. Als ob GY!BE sich dessen bewusst waren, dass sie eine ähnliche Aufnahme nicht wiederholen könnten, vermeldeten sie 2003 eine zeitlich unbegrenzte „Pause“.
„Ich glaube, die ruhmreichen Tage sind vorbei“, stellte Gitarrist David Bryant fest. „Als wir das erste Mal spielten, kannten wir so ziemlich jede Person im Raum. Wir wussten, warum wir da waren und warum sie da waren – man konnte nachher mit ihnen sprechen, und sie sagten uns, weshalb. Jetzt spielen wir vor 700 Leuten – sie gehen nach Hause, wir sprechen mit niemandem. Es wird mit jedem Mal befremdlicher und auf eine gewisse Weise unbefriedigender. Nicht auf musikalischer Ebene: Wir hätten natürlich aufgehört, wenn wir uns nicht mehr für die Musik interessieren würden, die wir machen. Aber auf der Kommunikationsebene mit den Menschen, vor denen man spielt – diese Leute vor dir, die nicht anders reagieren als ‚Wooh!‘“
„Es ist eine verdammt einfache Geschichte“, ergänzte Efrim Menuck. „Es geht um eine Gruppe von Leuten aus Montreal, die begonnen hat, gemeinsam zu spielen und auf einmal verschiedenen Dingen und Druck unterschiedlichster Art ausgesetzt war, von denen sie vorher keine Ahnung hatte. Lohnt sich das überhaupt? Jetzt sind wir interessant, was aber kommt in zehn Jahren?“
Der stets zweifelnde Efrim irrte sich: Godspeed You! Black Emperor werden noch in zehn, zwanzig, dreißig und mehr Jahren interessant sein. Während der Pause hat sich jedes der vielen GY!BE-Mitglieder auf sein eigenes Projekt konzentriert, von denen A Silver Mt. Zion Orchestra, bei dem Menuck seine langen, an die besten GY!BE-Momente erinnernden Kompositionen mit seiner wehmütigen, hohen Stimme ergänzt, die größte Resonanz erfuhr. Jetzt neigt sich die Pause aber dem Ende zu und Godspeed You! Black Emperor planen Ende 2010 einige Konzerte in den USA und Europa. Die Nachfrage ist riesig.
Die Welt braucht sie einfach. Obwohl sie selbst sich nicht zu ihr bekennen.


Aus dem Tschechischen von Filip Jirouš.




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