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Die Überwindung des Bollwerks Graz als Drehscheibe für Kunst aus Ost- und Südosteuropa
Zeitschrift Umělec
Jahrgang 2009, 2
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Die Überwindung des Bollwerks Graz als Drehscheibe für Kunst aus Ost- und Südosteuropa

Zeitschrift Umělec 2009/2

01.02.2009

Herwig G. Höller | drehscheibe | en cs de

Die Vorgeschichte prädestiniert keinesfalls für gedeihliche internationale Kulturkontakte: Nikola Tesla (1856-1943), in Folge berühmter US-amerikanischer Erfinder, brach sein Technikstudium in Graz unter anderem wegen nationalistischer Pöbeleien ab – die dominierende deutschnationale Studentenschaft hatte wenig Freude mit begabten Serben aus dem kroatischen Gospić. Hollywood-Regisseur Otto Preminger (1906-1986) hatte eine kurze Grazer Schulzeit noch im hohen Alter in schlechter Erinnerung: Weil er als Jude den katholischen Religionsunterricht nicht besuchte, wurde er blutig zusammengeschlagen.
In der Provinzstadt stark vorhandene antisemitische Tendenzen hinterließen später auch kulturhistorische Spuren. Ferdinand Marian (1902-1946), 1940 Hauptdarsteller in Veit Harlans „Jud Süss“, lernte – so der Berliner Medienwissenschaftler Friedrich Knilli – das Wesen des Antisemitismus insbesondere in seiner Zeit am Grazer Schauspielhaus in den 1920ern kennen.
Aber auch in der bildenden Kunst tat sich Weltoffenes schwer. Eine überschaubare soft-modernistische Szene der Zwischenkriegszeit, deren vor allem lokal bedeutsame VertreterInnen durchaus internationalistisch ausgerichtet waren, stand einer großen Zahl von KünstlerInnen gegenüber, die mit dem Nationalsozialismus sympathisierten. Nach dem Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland hatten diese NS-affinen KünstlerInnen natürlich das Sagen. Und ModernistInnen bisweilen Probleme: Herausragende Figuren kamen ums Leben, der Architekt Herbert Eichholzer (1903-1943), ein zeitweiliger Mitarbeiter Le Corbusiers wurde ob seines politischen Widerstands hingerichtet, die Malerin Ida Maly (1894-1941) starb als Opfer des NS-Euthanasieprogramms, andere, wie etwa der Maler Axl Leskoschek (1899-1976), flüchteten ins Exil.1 Kulturpolitisch war die Stadt in jener Zeit völlig auf das Deutsche Reich ausgerichtet. Im Herbst 1942 präsentierten sich Grazer KünstlerInnen in einer großangelegten Gruppenausstellung im besetzten Strasbourg, größere NS-Kunstweihen, etwa Ausstellungsbeteiligungen lokaler KünstlerInnen im Münchner Haus der Deutschen Kunst blieben aber aus. Von „normalen“ Kulturkontakten nach Südost- und Osteuropa konnte in dieser Zeit zwangsläufig keine Rede sein. Wenn dieser Teil Europas ein Thema war, dann in angewandten künstlerischen Arbeiten zur Unterstützung der militärischen Expansionspolitik.
Die Schüler der „Staatlichen Meisterschule des Deutschen Handwerks“, der einzigen Kunstschule der Stadt, beschäftigten sich unter anderem mit dem Entwurf von Namenlogos für Ritterkreuzträger, die nach dem „Endsieg“ große Bauernhöfe im Osten bewirtschaften sollten. Der talentierte Grafiker Heinz Reichenfelser (1901-1969), Professor an der Meisterschule, SS-Mann und Schlüsselfigur der Grazer NS-Kunst, designte das bezeichnende Plakat „Du gehörst zu uns, darum lerne Deutsch“. Das Sujet wandte sich an die Bevölkerung der besetzten slowenischen Untersteiermark, die 1941 Teil des Reichsgaues Steiermark geworden war. Wenn also Kulturaustausch, dann als Unterordnung unter deutsches (und damit auch steirisches) Primat, das auch insbesondere von Graz aus nach Süden strahlen sollte. Im steirischen Kontext deckte sich das durchaus mit „Innerösterreich“, einem Staatengebilde und Teil des Habsburgerreichs im späten sechzehnten Jahrhundert, in einer Zeit als die Steiermark, Kärnten, Teile von Slowenien und Norditalien von Graz aus regiert wurden. In Hitlers Deutschem Reich träumte man hingegen zunächst vor allem von einem „Neu-Europa“, einem von Großdeutschland allseitig dominierten Kontinent.
Auch der Grazer Slawist Josef Matl (1897-1974), einer der wenigen tatsächlichen Balkanexperten der Stadt, beschäftigte sich mit diesem Nazi-Konzept. Während des Zweiten Weltkriegs versuchte er gar, als Offizier der Abwehr in Jugoslawien, sein Schärflein zur Umsetzung beizutragen - vergeblich.
War die Idee auch von steiermärkischer Dominanz und Herrschaft im Süden 1945 ausgeträumt, erlangte ein weiteres Eigenbild erneut an Bedeutung. Graz als „Bollwerk gegen den Südosten“. Ein gleichnamiger Gobelin-Entwurf von Hans Stockbauer (1910-1982) und dem erwähnten Heinz Reichenfelser hängt seit den frühen neunzehnvierziger Jahren im Grazer Rathaus. Dieses Gemälde war vor dem gewaltsamen Anschluss der Untersteiermark entstanden, die ursprünglich ebenfalls vorhandene Titelzeile mit dem NS-Ehrentitel „Stadt der Volkserhebung“ wurde wahrscheinlich in den fünfziger Jahren übermalt. Zu sehen ist am Bild eine vermeintliche Türkenbelagerung aus dem 16. Jahrhundert, seit dem neunzehnten Jahrhundert und vor allem im 20. Jahrhundert ging es um eine slawische Bedrohung, nun sind es wieder Moslems bzw. Türken. „Graz war immer das letzte Bollwerk eines westlichen Europas gegenüber der Türkei“, begründete Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) 2005 ein kritisches Statement zu einem möglichen EU-Beitritt der Türkei.
Trotz dieser problematischen Vorgeschichte und ihrer nachhaltigen Wirkungsmächtigkeit entwickelte sich die Stadt nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem auch international bedeutsamen Ort des Kulturaustausches, insbesondere auch mit Südosteuropa. Ein Umstand, der mit dem Aufbruch einer jüngeren Künstler- und Literatengeneration zu tun hatte. Aber auch mit den Bedingungen, die eine janusköpfig-schizophrene Kulturpolitik generierte. Die regierende konservative Volkspartei liebäugelte (volks-)kulturpolitisch einerseits mit reaktionären Katholisch-Nationalen bis hin zu ehemaligen Nationalsozialisten. Andererseits ließ sie modernistische Experimente des liberalen Bürgertums zu und subventionierte kräftig mit. Zwischen diesen Polen – katholisch-nationale „Reaktion“ und liberal-bürgerliche „Moderne“ oder Bollwerkanhänger und Brückenbauer – funkte es heftig, jahrzehntelang. Institutionell war dieser Konflikt spätestens in den siebziger Jahren zugunsten der zweiten Fraktion, die zudem gerne mit dem Begriff „Avantgarde“ arbeitete, entschieden. Dennoch, zumindest bis in die späten achtziger Jahre war immer wieder noch der einschlägige Kampfbegriff „Kulturbolschewismus“ in Leserbriefen an die Kleine Zeitung, die wichtigste lokale Zeitung, zu lesen. Mittlerweile sind explizit antimodernistische Position vor Ort nur noch in Zeitschriften der extremen Rechten zu finden.
Als zentraler und erster Ort des „modernistischen“ Aufbruchs gilt insbesondere das multidisziplinäre Forum Stadtpark.
In den späten neunzehnfünfziger Jahren hatte eine Gruppe jüngerer Kulturschaffender, Jahrgänge um 1925, ein verfallendes Cafégebäude im Stadtpark für sich reklamiert. Nach der Eröffnung der neuen Location 1960 gab es neben lokaler und österreichischer Kunst alsbald auch Ausstellungen mit KünstlerInnen aus dem Ausland. Nicht nur, aber auch aus dem dem kommunistischen Südost- und Osteuropa: „Moderne jugoslawische Malerei und Graphik“ (April 1961), „Polnische Graphik und polnische Plakatkunst“ (April 1962), „Die Moderne im slowenischen Kulturbereich“ (Mai 1963). In den folgenden Jahren stellten aber auch KünstlerInnen des Forum Stadtpark in Ljubljana, Bratislava und anderen Städten des Südostens aus.
Der erwähnte slowenische Moderne-Event verdeutlicht gut die grundsätzliche Ausrichtung der Grazer Kulturkontakte mit Südosteuropa, zumindest in der Art, wie sie drei Jahrzehnte lang, bis in die frühen 1990er hinein praktiziert werden sollte: Eine besondere Expertise etwa zur jugoslawischen Kultur und Kunst, die über eine Wehrmachtsvergangenheit auf dem Balkan oder familiäre Beziehungen hinausgehen würde, lag nicht vor. Und das künstlerische Interesse am Südosten ist integraler Bestandteil eines mehrspartigen Nachkriegsmoderneprojekts. Im Rahmen der Veranstaltung im Mai 1963 gab es neben einer Ausstellung mit slowenischen Künstlern wie Janez Bernik (*1933), Andrej Jemec (*1934) oder Marko Šuštaršič (1927-1976) auch Vorträge über Urbanismus, moderne Musik, bildende Kunst, aber auch literarische Lesungen und sogar eine Aufführung des städtischen Puppentheaters aus Ljubljana. Sowohl die steirische als auch die slowenische Presse berichtete äußerst wohlwollend. Večer in Maribor schrieb (8.5.1963) etwa, dass ein aufrichtiges Gespräch unter Nachbarn nun in Graz begonnen habe, ein Gespräch, welches bei weiteren Bestrebungen leicht sehr produktiv sein werde.
Gleichzeitig zeigt sich bei diesem Projekt, formal vom unabhängigen Kunstverein Forum Stadtpark ausgerichtet, das offensichtliche Interesse der offiziellen Kulturpolitik am künstlerischen Austausch mit dem Süden. Zur Eröffnung kam die Spitze der Landespolitik, die – auch aufgrund der Erfahrungen im Forum Stadtpark 1961 und 1962 – bereits für den Herbst 1963 relativ kurzfristig die erste Ausgabe der Dreiländerbiennale Trigon initiiert hatte. Drei Länder, Österreich, Italien und Jugoslawien als expliziter Verweis auf das Innerösterreich, wie der konservative Kulturlandesrat Hanns Koren (1906-1985) in seiner Eröffnungsrede betonte. Das dieses historische Konzept problematisch sein könnte, scheint für den Kulturpolitiker keine größere Rolle gespielt zu haben. „Ich habe ihm das sehr früh gesagt: Die Jugos haben keine besondere Freude, wenn du über Innerösterreich sprichst. Das ist eine Perspektive, die historisch eine österreichische ist und eine deutschnationale sein kann, aber keine jugoslawische oder slowenische“, erzählt Politiker Kurt Jungwirth (*1929), 1970 Nachfolger von Koren als Kulturlandesrat. Allenfalls erfüllte Trigon alsbald die kulturpolitische Mission eines Brückenschlags Richtung Jugoslawien, 1969 – wohl auch als sichtbarstes Resultat dieser Bemühungen – eröffneten der österreichische Bundespräsident Franz Jonas (1899-1974) und der jugoslawische Staatschef Josip Broz Tito (1892-1980) im steirischen Bad Radkersburg eine 1945 zerstörte Brücke über die Grenze.
Trotz der Grazer Vorgeschichte blieb nationalistische Trigon-Kritik, etwa an der gleichwertigen Teilnahme von Jugoslawen, völlig aus. Die Idee – so der FPÖ-Politiker Alexander Götz (*1928), ein Vertreter des sogenannten „nationalen Lagers“ – Exponenten der drei großen, das Abendland konstituierenden Völkerschaften der Romanen, Slawen und Germanen auszustellen, fände Zustimmung (Kleine Zeitung, 16.9.1967). Von Anfang an, bereits seit Trigon 1963, gab es hingegen immer wieder massivste Kritik an einer modernistisch-abstrakten Ausrichtung der Veranstaltung. Wobei in anderen Bereichen, etwa bei aufrührerischen Theaterproduktionen der siebziger Jahre, dies deutlicher zu vernehmen war. Trigon entwickelte sich weiter, ein Professionalisierungsschub trat mit dem Kunsthistoriker Wilfried Skreiner (1927-1994) ein, der 1966 die Leitung der Neuen Galerie in Graz übernahm und somit ab 1967 auch für Trigon zuständig war. Skreiner führte einerseits Generalthemen der jeweiligen Biennale ein, er installierte alljährliche „Internationale Malerwochen“ (1966-1992), an denen auch zahlreiche Künstler aus Südosteuropa teilnahmen. Sein persönliches und dauerhaftes Interesse machte ihn allenfalls zu einer bekannten Kuratorenfigur in Jugoslawien.
Strukturell liefen Skreiners Dreiländerbiennalen, ab 1969 jeweils Teil des „Avantgardefestivals“ Steirischer Herbst, stets nach einem ähnlichen Muster ab. Um das ganze auf den jugoslawischen Part zu reduzieren: Offiziöse Kultur-Spitzenbeamte, die wie Skreiner führende Kunstinstitutionen in den einzelnen jugoslawischen Teilrepubliken leiteten, etwa die Moderna Galerija in Ljubljana oder die Galerija suvremene umjetnosti in Zagreb (heute: Museum für Zeitgenössische Kunst Zagreb), kuratierten den jugoslawischen Part. Insgesamt wurde dabei auch auf eine faire Verteilung der unterschiedlichen Teilrepubliken geachtet, Slowenien, Kroatien standen ein wenig im Vordergrund, Serbien kam häufig vor, manchmal waren auch KünstlerInnen aus Bosnien oder Makedonien vertreten. Allenfalls war die Steiermark, die mit den einzelnen Teilrepubliken des föderativen wie sozialistischen Jugoslawien formal auf Augenhöhe verhandeln konnte, ein gefragter Gesprächs- und Ausstellungspartner. Insbesondere in den achtziger Jahren kam es auch immer wieder zu freundlichen Ausstellungsübernahmen in beide Richtungen, mitunter auch bei fehlendem Interesse an der konkreten künstlerischen Position – der offizielle Kulturaustausch stand im Vordergrund. Und auch als weiterer Grund könnte aus jugoslawischer Sicht das jahrzehntelange Funktionieren der Trigon-Biennalen eine Rolle gespielt haben. Die Kulturpolitik im sozialistischen Jugoslawien und jene in der katholisch-konservativen Steiermark weist durchaus Parallelen auf. In beiden Ländern gab es eine Doppelstrategie, die sowohl das Volkstümliche wie die Moderne explizit unterstützte, gleichzeitig gab es hier und dort im tendenziell autoritären Staat beträchtliche Spielräume für zeitgenössische Kultur. So könnte man provokante Körperkunst-Performances von Marina Abramović (*1946) im Belgrader Studentenkulturzentrum SKC durchaus mit heftig umstrittenen Theateraufführungen des Grazer Dramatikers Wolfgang Bauer (1941-2005) vergleichen.
Auch wenn Skreiners Modell vor allem in den 1980ern gemeinsam mit dem staatlichen jugoslawischen Kulturbetrieb zunehmend veralterte, abgesehen von einer herausstechenden Ausstellung zum „Postavantgardismus“ mit Kazimir Maljevič aus Belgrad, Željko Kipke aus Zagreb und IRWIN aus Ljubljana, blieb Graz bedeutsam. In einer Chronologie der Belgrader Kunsthistorikerin Lidija Merenik zur Malerei und Bildhauerei in Serbien zwischen 1979 und 19892 ist Graz der häufigste Ausstellungsort für serbische Kunst im Ausland. Eine Bilanz für andere YU-Teilrepubliken würde ähnlich ausfallen.
In Graz selbst war die Bedeutung von Trigon stark an die Funktion von Wilfried Skreiner gebunden. 1992 ging der langjährige Leiter der Neuen Galerie in Pension, 1991 fand eine letzte Ausgabe Trigon – unter Berücksichtigung des zerfallenden Jugoslawien und einer geografischen Erweiterung u.a. mit deutschen und tschechischen KünstlerInnen – statt. 1992 gab es auch noch die großangelegte, von Peter Weibel (*1944) kuratierte retrospektive Hommage an Skreiners Trigon-Aktivitäten „Identität: Differenz“. In posthum veröffentlichten Memoiren warnte Skreiner: „Dieses wertvolle Kapital einer regionalen Zusammenarbeit sollte nicht einem beliebigen Internationalismus geopfert werden. Trotz aller zum Teil sehr bitteren politischen Veränderungen sollte diese übergreifende Regionalität als Ziel der Zusammenarbeit festgehalten werden.“3 Vergeblich. Auch die Versuche von Skreiners Nachfolger Werner Fenz (*1944), der die Neue Galerie zwischen 1993 und 1997 leitetet, Trigon unter veränderten Vorzeichen fortzuführen, scheiterten im Laufe der neunziger Jahre – unter anderem an der sozialdemokratischen Kulturpolitik. Auch das ist ein klassischer österreichischer Topos: Christlich-bewegte Konservative, das mag auch mit einer k.u.k.-Nostalgie zu tun haben, zeigten traditionell deutlich mehr Interesse an Südost- und Osteuropa als österreichische Sozialdemokraten. Dass die größte Sammlung von Kunst aus dieser Region gerade von der „konservativen“ Ersten Bank organisiert ist, ist kein Zufall. War die Vermittlung südosteuropäischer Kunst jahrzehntelang Teil eines Modernismuspakets gewesen, bedingten die politischen Veränderungen in den späten 1980er Jahren einen neuen Blick auf Kunst aus den (gerade noch) kommunistischen Staaten, also Kunst als Indikator für politische Veränderungen. Auch hier konnte Graz insbesondere punkten, aus persönlichem Interesse einzelner Aktivisten kam es relativ früh, früher als etwa in Wien, zu Präsentation insbesondere der nichtoffiziellen sowjetischen Kunst. Peter Pakesch (*1955), damals Kurator im Grazer Kunstverein, landete 1987 mit der Einladung des Moskauer Konzeptualisten Ilja Kabakov (*1933) einen besonderen Coup. Kabakovs erste Reise in den Westen führte ausgerechnet nach Graz, hier entstand seine erste Installation im Ausland, hier begann seine Weltkarriere. Es folgten 1988 Ausstellungen der Moskauer Untergrundkünstler Konstantin Zvezdočetov (*1958) und German Vinogradov (*1957), 1989 organisierte die Kuratorin Elisabeth Sarah Glückstein mit „Russian Mind“ eine der damals größten Ausstellungen nichtoffizieller sowjetischer Kunst jenseits der Sowjetunion, aufgrund eines folgenden Wirtschaftsskandals und offener Rechnungen wurde die Schau später weitgehend vergessen. 1989 wurde die städtische Institution Cultural City Network Graz gegründet, die seit damals mit sehr begrenzten Ressourcen auch in Südosteuropa eher niederschwellige Kunstaustauschprojekte organisiert. Aber auch das Forum Stadtpark ließ kurz nach den Wenden wieder von sich hören. Künstler Jörg Schlick (1951-2005) und das Referat für Bildende Kunst mieteten etwa eine Wohnung in Prag, in der zwischen 1992 und 1996 regelmäßig Grazer Ausstellungen stattfanden. Nachhaltigkeit gab es keine, wieder einmal war alles von einem persönlichen Interesse und Enthusiasmus ausgegangen.
Dies trifft auch auf die bislang letzte Welle von massivem Interesse an südost- und osteuropäischer Kunst ab Mitte der Neunziger in Graz zu. Einerseits hat das mit einer kleinen Gruppe an Interessierten zu tun, die sich in und um das Forum Stadtpark nicht nur mit russischer Kunst beschäftigten. Andererseits sind hier insbesondere Margarethe Makovec (*1971) und Anton Lederer (*1970) zu erwähnen, die Mitte der Neunziger einen kleinen Off-Kunstraum für lokale Produktionen gegründet hatten, aus rein persönlichem Interesse sich dann aber auf südosteuropäische Kunst spezialisierten. Seit den späten Neunzigern konnten sie als Kunstverein eine Fülle einschlägiger Projekte umsetzen. 2003, im Jahr als Graz zur „Europäischen Kulturhauptstadt“ erklärt wurde – ein geopolitisches Zeichen im Vorfeld der EU-Osterweiterung, konnte unter anderem für ein umfangreiches Ausstellungsprojekt namens „Balkan Konsulat“ Subventionen lukrieren und Graz mit zahlreichen Präsentationen wieder auf einer Kunstlandkarte Südosteuropas verankern. Danach allerdings ließ das kulturpolitische Interesse an derartigen Aktivitäten rasch nach, ebenso die öffentliche Finanzierung, so dass trotz seiner offensichtlichen Ausstrahlung für einige Zeit gar seinen Ausstellungsraum aufgab.
Auch wenn die ersten Initiativen im Forum Stadtpark der frühen 1960er bloß auf persönlichen Interessen fußten: Bis zum Ende der kommunistischen Regime in Ost- und Südosteuropa hatte es aus Sicht der lokalen Kulturpolitik eine Art gar staatspolitischer Notwendigkeit des kulturellen Dialogs mit den Nachbarn gegeben. Mit den neunziger Jahren änderte sich dies. Trotz erneuter Enthusiasmen einer überschaubaren Anzahl an Kunstaktivisten, die sich mit der Region beschäftigten, konnte Graz nie mehr ganz an jene südosteuropäische Bedeutung anschließen, die die Stadt noch in den 1980ern hatte –
eine zentrale Chance für ein intelligentes Upgrade zwischen 1989 und 1991 wurde wohl vergeben. Ein Potenzial ist aber nach wie vor vorhanden, auch wenn sich die Ausgangssituation zwischenzeitlich eher verschlechtert hat: Die Kulturindustrie sah in den letzten zwei Jahrzehnten eine deutliche Kommerzialisierung. Und da tut sich auch in der bildenden Kunst eine mittlere Stadt wie Graz mit eher begrenztem Kunstmarkt und schwieriger Subventionssituation viel schwerer als die benachbarten Hauptstädte Wien, Ljubljana und Zagreb.





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