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UKRAINER
Zeitschrift Umělec
Jahrgang 2005, 3
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UKRAINER

Zeitschrift Umělec 2005/3

01.03.2005

Alena Boika | Ukraine | en cs de es

Nicht alle Menschen mögen Revolutionen. Die einen fürchten sich vor ihnen und hassen sie, die anderen halten sich hinter scheinheiligen Klischees versteckt. Ich liebe Revolutionen. Die überwiegende Mehrheit hört für eine kurze Zeit auf, an so profane Dinge wie Waschmaschinen zu denken, und es entsteht ein Gefühl der Vorfreude auf den „nahen Sieg” und auf eine „glückliche Zukunft”.

Ich hatte das Glück, Kiew in den Tagen seiner orangenen Hoffnung zu erleben. Die Revolution machte die Ukraine auf einmal weltweit bekannt und färbte das Land orange. Durch dieses plötzliche Einheitsgefühl auf dem Maidan (dem Unabhängigkeitsplatz) und der Prachtstraße Kreschtschatik schien das unvermeidliche Glück in greifbare Nähe zu rücken. Alte Männer und Frauen tanzten zu Akkordeonbegleitung in den Fußgängerunterführungen, die neu entstandene Gruppe R.E.P. (Revolutionär Experimentaler Raum) veranstaltete Kunstaktionen, und ein unscheinbarer kleiner Mann blies für Passanten fröhlich die Sopilka, ein ukrainisches Volksinstrument. Dieser kleine Mann kam aus Odessa oder Rostow am Don, um an der Revolution teilzunehmen. Aber schon bald hatte er kein Geld mehr, und Revolution auf nüchternen Magen zu machen war schwierig und kalt. Dann hatte er Glück: Er konnte für einen Georgier arbeiten, der nach Kiew gekommen war, um seine georgische Revolutionserfahrung beitzutragen. Dieser Erfahrungaustausch fand statt, indem der Georgier im Lager der Revolutionäre Krautpasteten buk. Der kleine Mann buk also Pasteten. Und nach Feierabend, ab 22 Uhr, ging er auf die Straße und sang allen Interessenten gegen eine Zigarette und manchmal sogar unsonst Lieder vor. Da der Georgier das Blasen der Sopilka nur schwer ertragen konnte, war er froh, wenn der kleine Mann manchmal mit anderen davon zog, um Revolution zu machen.

…Und sie haben gesiegt. Aber dann kam es zu unerwarteten Ereignissen. Die orangene Farbe der Revolution verwandelte sich in national-historische, aus Archäologie und Ethnographie abgeleitete Ideen. Es wurde entschieden, die Räumlichkeiten des Museums für Gegenwartskunst in eine Eremitage des ukrainischen Nationalgeistes zu verwandeln. Um das Land bei der Biennale in Venedig würdig zu vertreten, wurde Mykola Babak mit seinem Projekt „Deine Kinder, Ukraine” ausgewählt.

Es ist noch zu früh, den Waffen Lebwohl zu sagen. Ich hoffe sehr, dass die Künstler, die mich mit ihrer im Kunstmilieu so untypischen Offenheit und Einigkeit beeindruckt haben, es nicht zulassen, dass ihre Kunst Gemüse im Supermarkt wird, sondern dass das „rohe Fleisch der Realität”, wie es die Gruppe R.E.P. angeboten hat, immer noch schmackhafter bleibt als konservierte historische Kulturgüter.




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