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FRAC: Einfach kompliziert
Zeitschrift Umělec
Jahrgang 2007, 1
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FRAC: Einfach kompliziert

Zeitschrift Umělec 2007/1

01.01.2007

Leonor Nuridsany | geschichte | en cs de

Die FRAC sind, wie Thomas Bernhard gesagt hätte, „einfach kompliziert“. Wir wollen mit dem Einfachen beginnen: Die Abkürzung FRAC steht für “Fonds Régionaux d‘Art Contemporain” – “Regionale Fonds für zeitgenössische Kunst”. Aufgabe jeder Region ist es, dank staatlicher und regionaler Finanzierung eine Sammlung zeitgenössischer Kunst aufzubauen und in Frankreich und im Ausland zu verbreiten.
In der Praxis sieht das dann so aus, dass einmal im Jahr ein Ankaufskomitee zusammentritt, um über Neuerwerbungen zu entscheiden. Es setzt sich aus dem Direktor der FRAC und vier bis sechs Mitgliedern zusammen, die aus Künstlerkreisen stammen. Ihre Ernennung erfolgt vom Verwaltungsrat auf Vorschlag des Direktors der FRAC nach einer Konsultation mit der Region. Sie werden auf drei Jahre ernannt - mit der Möglichkeit der erneuten Ernennung.
Nach einer Studie aus jüngster Zeit gehören zu allen 23 FRAC insgesamt 17.000 Kunstwerke von rund 3.700 Künstlern, von denen 40% aus dem Ausland stammen. Zum Budget für Neuerwerbungen und für das Funktionieren der FRAC tragen bis heute jedes Jahr der Staat und die Regionen je 50% bei. Seit einigen Jahren lässt sich jedoch feststellen, dass die staatliche Zuwendung die Gelder aus den Regionen überwiegt; gleichzeitig vermehren sich auch die Beispiele für eine Zusammenarbeit mit dem privaten Sektor. Diese Tendenz nimmt von Jahr zu Jahr zu – vor allem aufgrund des Einflusses einer intensiven Dezentralisierungspolitik. Damit wir aber besser begreifen, wie diese typisch französische Institution funktioniert, wollen wir zum Zeitpunkt ihres Entstehens im Jahre 1982 zurückgehen, kurze Zeit, nachdem François Mitterrand die Präsidentschaft angetreten hatte. Damals wollte der Staat mittels der FRAC sozusagen auf künstliche Weise einen Kunstmarkt, welcher praktisch gar nicht existierte, mit neuem Leben erfüllen, in der Hoffnung, dass dessen Stärkung die Sammler anziehen würde, so dass diese in Frankreich Kunst kaufen würden. Anfangs mussten die FRAC dafür Werke ausschließlich aus französischen Galerien kaufen. Der Kunstmarkt wurde dadurch tatsächlich belebt – und es tauchten auch viele neue französische Galerien auf, die die Möglichkeit eines leichten Verkaufs erkannten. Leider waren nur wenige von ihnen in der Lage oder willens, die Erschaffung eines internationalen Netzes zu unterstützen; die Mehrheit gab sich mit den Ankäufen des Staates zufrieden. Die ausländischen Galerien begannen, diese Möglichkeit schnell zu nutzen, und sie fanden in Frankreich ein neues Absatzgebiet. Heute ist das Funktionieren der FRAC ein klein wenig flexibler geworden. Sie wenden sich bereits direkt an jene Künstler, welche von keiner Galerie vertreten werden; trotzdem geben sie weiterhin dem Ankauf bei Galerien Vorrang.
Ein Bestreben dauert jedoch unverändert fort: mit Hilfe zeitgenössischer Erwerbungen eine historische Grundlage aufzubauen. Die Gründe dafür sind sicherlich finanzieller Natur, aber sie reichen ins 19. Jahrhundert zurück, als Frankreich es zugelassen hatte, dass viele impressionistische Gemälde ins Ausland verschwinden konnten, was für den französischen Staat bis heute ein belastendes Trauma darstellt. Heute besitzen der Staat und die Regionen dank der FRAC Werke von historischem Rang, beispielsweise die Schachtel im Koffer von Marcel Duchamp, das im Jahre 1988 der FRAC der Region Poitou-Charente erwarb, oder die Werke der Avantgarde der 60er Jahre, Werke der Arte Povera oder minimalistische und konzeptionelle Werke, die in einer Zeit beschafft wurden, als sie preislich noch erschwinglich und in französischen Museen relativ selten anzutreffen waren.
In den 90er Jahren bemühten sich einzelne der FRAC darum, eine „Geschichte innerhalb der Gegenwart“ aufzubauen - mit all den offenkundigen Risiken, die ein solches Vorhaben mit sich bringt.
Das Interesse der Museen wendet sich, bis auf wenige Ausnahmen, mehr und mehr der Vergangenheit zu, und sei es der erst kurze Zeit zurückliegenden.
Man muss auch hervorheben, dass man die Gründung von FRAC als einen der Aspekte der Dezentralisierungsgesetze aus dem Jahre 1982 betrachten kann. Das Vorhaben der FRAC war es, im Rahmen eines bestimmten regionalen Gebietes Sammlungen von internationalem Format aufzubauen. Einige der FRAC, wie etwa in Pays de la Loire, begannen außerdem schnell, Arbeitsaufenthalte für Künstler zu ermöglichen, und die Mehrheit von ihnen engagiert sich heute in der Produktion von Kunstwerken, welche oft der Spezifik ihrer jeweiligen Akquisitionspolitik entsprechen. Zum Beispiel unterscheidet sich der FRAC Nord-Pas-de-Calais durch die Bindungen, die er zu Designern aufgebaut hat; der FRAC Région Centre räumt eher der Kunst und der Architektur den Vorrang ein; der FRAC Elsass bevorzugt die Kunst im öffentlichen Raum und in der Landschaft und befasst sich mit Territorialpolitik, während sich FRAC Lothringen an immateriellen oder ephemeren Werken und am Schaffen von Künstlerinnen orientiert.

Sammlungen ohne Grenzen
Der FRAC Lothringen ist einer der fünf FRAC, welche an der Entstehung der Ausstellung Naturalia im Kunstzentrum Futura und Prager Institut Français im November des letzen Jahres beteiligt waren. Die FRAC Elsass, Burgund, Champagne-Ardenn, Franche-Comté und Lothringen schlossen sich unter der Bezeichnung “FRAC du grand est” (“FRAC des großen Ostens”) zusammen, um es somit zu ermöglichen, dass ihre Sammlungen auf europäischer Ebene zirkulieren können. Das Projekt mit der Bezeichnung Sammlungen ohne Grenzen fordert die Direktoren europäischer Institutionen auf, eigene Ausstellungen auf der Grundlage von Kunstwerken zusammenzustellen, die den Sammlungen der oben angeführten fünf FRAC entstammen. Es geht also nicht um eine sozusagen „schlüsselfertige“ Wanderausstellung, sondern vielmehr darum, dass jeder der angesprochenen Direktoren „freie Hand“ hat. Es liegt einzig und allein an ihnen, wie sie die Ausstellung organisieren, welche auf die eine oder andere Weise über die Herkunft der Werke erzählen wird, im gegebenen Falle über eine französische institutionelle Sammlung. Dies ist aber nicht immer überall gelungen.
Naturalia in Prag ist die fünfte Ausstellung, die im Rahmen der Sammlungen ohne Grenzen verwirklicht worden ist. Die erste Ausstellung entstand in Zusammenarbeit mit der Galerie für moderne Kunst im Jahre 2003 (Promotrice in Turin), die zweite im selben Jahr in der Warschauer Galerie Zacheta. Im Jahre 2004 fand eine Ausstellung in zwei schottischen Kunstzentren statt: Dundee Contemporary Arts in Dundee und The Fruitmarket Gallery in Edinburgh. Die vierte Ausstellung wurde in der slowakischen Galerie Trnava im Jahr 2005 veranstaltet.
In Prag konnten wir in Zusammenhang mit der Ausstellung einige neue Initiativen kennenlernen: Einer der Künstler von der Sammlung des FRAC Champagne-Ardenne, David Renaud, verbrachte einen Monat auf dem Schloss Třebešice, wo er in situ ein Kunstwerk erschuf. Dieses Werk ist nun ein Bestandteil der Sammlung von Futura. In Frankreich und in Prag wird ernsthaft über die Einrichtung von neuen Arbeitsaufenthalten für Künstler nachgedacht. Eine weitere Neuigkeit ist die Einladung, die drei tschechische Künstler - David Černý, Františka Gilman Ševčík und Tomáš Vaněk – sowie die Italienerin Caterina Notte erhielten, in der Galerie Futura und auf dem Schloss Třebešice auszustellen. Und noch eine weitere Neuigkeit: eine Serie von Vorträgen über die Produktion von Kunstwerken und über Kunstzentren in Frankreich und in der Tschechischen Republik, organisiert von der Prager Gesellschaft Tranzit. Alle diese Initiativen sind selbstverständlich dank der Begeisterung und der Dynamik sowohl auf der tschechischen wie auch auf der französischen Seite entstanden, aber offenbar auch dank des Abkommens über die Zusammenarbeit mit dem Bereich Zentralböhmen, welches die burgundische Hauptstadt Dijon im Jahre 2001 unterschrieben hatte. Diese starken politischen und politsch-ökonomischen Beziehungen zwischen beiden Regionen sind bereits älteren Datums, und sie stellen heute einen zusätzlichen Beitrag zu zukünftigen Projekten dar.

Naturalia
Das Thema dieser fünften Veranstaltung hatte Alberto Di Stefano, Veranstalter der Ausstellung und Direktor von Futura, bereits ausgewählt, noch ehe er in Frankreich die Sammlungen der FRAC besichtigt hatte. Das Thema der gegenwärtigen Wahrnehmung der Natur liegt ihm sehr am Herzen, freilich hätte er es nicht auf eben diese Weise aufgefasst, wenn er zu diesen einzelnen fünf Sammlungen keinen Zugang gehabt hätte.
Und eben das ist ja der Punkt: außer der Verbreitung der Sammlungen, dem Erschaffen gegenwärtiger oder künftiger Möglichkeiten, Arbeitsaufenthalten für Künstler und dem Austausch, die sich aus den Treffen mit zahlreichen Vertretern der tschechischen Kunstszene ergeben, geht es auch um eine neue Art, diese Sammlungen „sichtbar zu machen“. Die Sammlungen wurden bereits seit insgesamt zwanzig Jahren von unterschiedlichen Direktoren zusammengestellt, welche im Lauf ihrer Wahlperioden ihre persönlichen Sichtweisen in die staatliche Organisation hineingebracht haben. Eine neue Sichtweise ist in dem vorliegenden Falle auch die des Leiters eines unabhängigen Raumes (Futura), welche in der Zusammenarbeit mit den FRAC erstmals erscheint, denn bisher hatten sich die FRAC ausschließlich an Institutionen gewandt.
Aus dem hier Geschilderten geht hervor, dass die Sammlung nicht etwas Unveränderliches ist – und die Zukunft wird zeigen, ob diese fünf Sammlungen sich auch um tschechische Zuwächse erweitern werden.






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