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Wir hoffen, dass die Chinesen uns verzeihen werden.
Zeitschrift Umělec
Jahrgang 2006, 3
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Wir hoffen, dass die Chinesen uns verzeihen werden.

Zeitschrift Umělec 2006/3

01.03.2006

Jiří Ptáček | interview | en cs de

Zu einem Interview über ihren Dokumentarfilm Ztracená dovolená ("Der verlorene Urlaub“) traf ich mich mit der jungen Regisseurin Lucia Králová. Ehe wir das Diktiergerät einschalteten, entschuldigte sie sich dafür, dass sie über einige Details nicht sprechen würde, denn sie wollte, dass der Film die Zuschauer überrascht. Die Eckpunkte waren jedoch klar: Wir würden über den Fund von zweiundzwanzig Negativspulen sprechen, auf denen eine Gruppe von Asiaten ihre Reise durch Europa dokumentiert hatte. Darüber, was man aus diesen Touristenfotos herauslesen kann. Und drüber, warum sie sich mit ihrem Film auf die Suche nach einigen Leuten aus dem bevölkerungsreichsten Land der Welt begeben hat.
Zum Zeitpunkt des Gesprächs stand der Film knapp vor seiner Fertigstellung. Es sah bereits so aus, als ob es kein Happy End geben würde, da meldete sich auf einmal das chinesische Fernsehen. Es lud Lucia Králová nach Peking ein, damit sie ihre Geschichte in einer Unterhaltungssendung erzählt. Sie hatte immer gehofft, dass die verlorenen Negative zu ihren ursprünglichen Besitzern zurückkehren würden, und nun schien dies in greifbare Nähe gerückt zu sein.
Nachdem ich gehört hatte, was das Filmteam alles unternommen hat, um “seine” Chinesen zu finden, konnte ich mir folgende Bemerkung nicht verkneifen: “Eigentlich können wir doch froh sein, dass sich das Fernsehen erst jetzt gemeldet hat. Sonst wäre uns eine gute Detektivgeschichte entgangen.“




Alles fing mit einem zufälligen Fund von Negativen an. Wie kam es dazu?
Gefunden hat sie Láďa Jelínek, den wir damals noch gar nicht kannten. Er studierte Architektur und fuhr zum Arbeiten nach Schweden. In Göteborg hatte er einen Job, bei dem er Wohnungen ausräumte und den Abfall zum Container schaffte. In einem Container entdeckte er einen kaputten, fast leeren Koffer. Er öffnete ihn und fand darin eine Plastiktüte, und in dieser befanden sich noch nicht entwickelte Negativspulen. Ohne dass er eine Ahnung hatte, was sich auf diesen Negativen befand, nahm er sie mit und brachte sie nach Prag.

Und später dann hat er sie entwickelt.
Er ließ einige Zeit vergehen, aber sein Freund Vít‘a Pavel, der später bei unserer Ausstellungen mitarbeitete, war neugierig, was denn auf diesen Negativen sei. Sie entwickelten einige davon und erwischten zufällig gleich die interessantesten Fotos. Sie zeigen einen asiatischen Menschen, der sich vollständig bekleidet sonnt. Auch gab es Gruppenbilder von Asiaten.
Aber damals kannten wir uns noch nicht. Ich bereitete zu dieser Zeit meinen Abschlussfilm − über Massentourismus − vor. Ich wollte ihn bereits seit langer Zeit drehen, ich hatte das Drehbuch schon fertig, aber es kam mir immer noch sehr allgemein vor. Ich wollte nicht einfach Touristen als Menschenmassen filmen. Und dann erzählte mir irgendjemand in einer Kneipe von eben diesem Fund. Wir nahmen Kontakt auf, trafen uns und beschlossen, darüber einen Film zu drehen.

Gleich am Anfang hast du aus den gefundenen Fotografien eine Ausstellung in der Mánes-Ausstellungshalle gemacht.
Zuerst gab es die Idee, einen Film zu machen, der etwas über Massentourismus erzählt. Die Fotografien sind genau wie Bilder in einem Film: In einem einzigen Bild steckt eine riesige Menge von Informationen, man braucht gar nichts zu erklären. Wir konnten also einfach von diesen Fotos ausgehen.
Wir kamen auf die Idee, diese Leute zu suchen und ihnen die Fotos zurückzugeben. Das ist die Geschichte des Films. Wir wollten gleichzeitig untersuchen, was man durch ein Foto eigentlich über den tatsächlichen Menschen erfährt.
Wir haben damit begonnen, Leute in Prag zu fragen – Chinesen, Sinologen. Uns wurde gesagt, dass auf den Fotos Koreaner oder Chinesen zu sehen seien. Am Anfang unserer Suche dachten wir, dass es helfen könnte, etwas über die Orte zu erfahren, an denen die Fotos aufgenommen worden waren. Wir haben erkannt, dass es Skandinavien war, aber auf einigen Aufnahmen waren völlig unbekannte Fjorde. Wir hofften, dass Leute uns Feedback geben würden, wenn sie die Fotos auf einer Ausstellung sehen. Deshalb haben wir die Ausstellung gemacht.

Wie habt ihr mit der Untersuchung der Fotos angefangen, und was war dabei am wichtigsten? Was war die erste Idee, wie man das analysieren könnte?
Zuerst haben wir mit der Lupe nach identifizierbaren Zeichen gesucht – etwa Autokennzeichen oder Hotelnamen. Einige haben wir gefunden. Aber das war schon schwierig, denn als normaler Mensch hat man ja keinen Zugang zu Datenbanken von Autokennzeichen; nur in einigen wenigen Ländern sind diese öffentlich zugänglich.
Überdies war – obwohl die Fotos in Schweden gefunden wurden – eines der Autokennzeichen aus Dänemark, ein anderes, nämlich das eines Wohnwagens, vor dem sich unsere Gruppe fotografieren ließ, war aus Deutschland. Es war also richtige Detektivarbeit.
Wichtig war es, die Nationalität der Menschen auf den Aufnahmen festzustellen. Wir waren, was das anging, ziemlich pessimistisch; aber im Rahmen unserer Befragungen fuhren wir auch in den Prager Stadtteil Zbraslav, wo die Ausstellung eines taiwanesischen Malers eröffnet wurde. Für deren hiesige Gemeinschaft war dies ein wichtiges Ereignis, und es kamen sehr viele Taiwanesen. Und die bestätigten uns, dass es sich um Chinesen handeln müsse, und anhand der Aufschrift auf einem der Fotos erkannten sie sogar, dass es auf der chinesischen Insel Hainan entstanden war. Später fanden wir im Internet das Hotel, wo die Aufnahme gemacht worden war.
Es war ein Schock für uns herauszufinden, dass es sich tatsächlich um Chinesen handelte. Wir dachten, wenn es um Japaner ginge, würden wir sie finden. Aber wie sollten wir denn Chinesen in China suchen? Wir erschraken, aber die Herausforderung reizte uns auch.

Als ihr nun wusstet, dass es Chinesen sind – wen habt ihr kontaktiert, um etwas über chinesischen Tourismus in Erfahrung zu bringen?
In Tschechien gibt es eine chinesische Gesellschaft, die ein Zentrum im Prager Stadtteil Pankrác hat und von einer Frau Rusková geleitet wird. Gegenüber vom Delvita-Supermarkt befindet sich in einem scheußlichen Gebäude ein Raum aus den 80er Jahren, mit chinesischer Dekoration und mit einem kleinen Laden. Ein Kontakt mit der Gesellschaft ergab sich im Februar während der Feierlichkeiten für das chinesische Neujahrsfest. Wir fragten wegen der Fotos, und die Leute begannen, unterschiedliche Dinge aus ihnen herauszulesen. Was uns absolut überraschte, war der völlig andere Zugang im Vergleich zu einem Europäer. Der lacht vielleicht oder alle Fotos sehen für ihn gleich aus. Nimmt ein Chinese so ein Bild in die Hand, kann er viel daraus erkennen, er kann zum Beispiel aus den Gesichtern konkrete Dinge schlussfolgern.

Was habt ihr herausgefunden?
Zum Beispiel, dass es sich um Menschen handeln muss, die aus einer nordchinesischen Provinz stammen, nördlicher als Peking. Anhand der Kleidung stellten sie fest, dass einer von ihnen wahrscheinlich ein Dorfbewohner ist sowie dass es sich um reiche Leute handelt. Vermutlich Beamte oder sonstige Staatsaangestellte. Wenn ein Tscheche die Leute ansah, hielt er sie für Mafiosi oder Spione – also für genau das Gegenteil.
In dieser Gruppe herrscht eine Hierarchie, das erkannten die Chinesen an der autoritären Haltung des Mannes in Weiß, der stets in der Mitte steht. Sie konnten sogar seinen Sekretär ausmachen und seinen zweiten Sekretär – einfach daran, wer mit wem fotografiert worden war und wer auf welcher Seite steht.
Beispielsweise sieht man auf einem der Fotos eine Gruppe vor einem Kreuzfahrtschiff. Man machte uns darauf aufmerksam, dass der Mann in Weiß eine traditionelle Sitzhaltung einnahm, mit gekreuzten Beinen und den Händen auf den Knien. Wir erfuhren, dass dies wohl ein Mann ist, der vom Dorf stammt und in die Stadt gezogen ist und deshalb auch auf seine spezielle Weise gekleidet ist.
In Anbetracht der Tatsache, dass die Chinesen nicht allzu viel reisen können, wurde uns versichert, dass es sich um eine Dienstreise handeln müsse. Wahrscheinlich haben sie irgendwelche geschäftlichen Termine wahrgenommen und sich den Rest des Ausfluges auf selbst gestaltet – “schwarz”, auf Staatskosten, weil man das halt so macht.

Weißt du bereits etwas über die Ziele ihrer Reise?
Nun, wir wissen vor allem, dass sie sich fotografiert haben. Und das oft und an unglaublichen Orten (sie lacht). Weshalb sie dort waren, wissen wir noch nicht, aber wenn wir sie finden, würde ich sie sehr gerne danach fragen.
Aber es lassen sich noch ganz andere Dinge aus den Fotos herauslesen. Zum Beispiel hatten sie in Norwegen ein Löwenzahnfeld entdeckt. Als wir es vier Jahre später ebenfalls entdeckten, stellten wir fest, dass es sich auf einem Privatgrundstück befindet und dass sie, um das Foto zu machen, unter einem Zaun durchkriechen mussten. Da hat man dann einen herrlichen Blick.
Wir klopften an die Tür des Hauses, zu dem das Feld gehört und sprachen mit zwei Norwegern, die dort leben. Die haben uns bestätigt, dass das sehr oft vorkommt: Ein Bus fährt vor, die Leute springen heraus, kriechen unter dem Zaun durch und fotografieren sich.
Als wir die gleichen Orte bereisten wie sie, wurden wir zu neuen Touristen und haben uns auch fotografiert. Wir überlegten, weshalb das unsere Chinesen so oft machten – immer einmal alle zusammen und dann jeder einzeln. Wir kamen darauf, dass sie jemanden haben mussten, der ihr Fotograf war. Vielleicht der Fahrer oder der Dolmetscher.
Es gelang uns sogar, zwei Deutsche zu finden, mit denen zusammen sie sich hatten fotografieren lassen. Und die erinnerten sich daran, dass sie kein Englisch konnten.

Ihr konntet also die Reiseroute rekonstruieren. Habt ihr festgestellt, wofür sie sich interessierten – für Denkmäler, die Natur oder vielleicht für Städte und Fabriken?
Interessiert hat sie vor allem der Löwenzahn. Auf einem Großteil des Materials, insgesamt 756 Fotos, ist Löwenzahn zu sehen. Wir haben uns gefragt, was Löwenzahn für die Chinesen bedeutet. Wir haben erfahren, dass er in China bekannt ist, das Interessante dabei ist aber das Phänomen der freien Natur ist, das kennen sie nicht so wie wir. Erst in letzter Zeit hat dort das Reisen durch die Natur einen Aufschwung erlebt, ansonsten aber mögen sie alles Eingezäunte, Gärten auf kleinen Flächen, deren räumliche Harmonie sie schätzen. Sie haben eine völlig andere Sichtweise als wir.
Hier haben sie angefangen, den freien Raum zu fotografieren und zwar auf eine – sagen wir – ziemlich europäische Art. Allerdings gibt es keine Detailaufnahmen, sie fotografierten aus der Totale, es sind Kompositionen mit Fluchtpunkt und arrangierte Gruppenfotos.
Der Großteil der Fotos ist in der Natur aufgenommen und nur wenige vor Denkmälern. Die einzigen Touristenattraktionen auf den Bildern sind eine Sprungschanze in Oslo und das dortige Rathaus.
Ihre Reise begann wahrscheinlich in Deutschland, wo sie sich neben dem Heidelberger Schloss fotografieren ließen. Offenbar mochten sie diese schöne und pittoreske Stadt. Danach waren sie in Frankfurt, dort ließen sie sich auf einem Platz vor irgendwelchen Häusern fotografieren. Dann waren sie in Skandinavien. Aber es gibt keine Fotos aus Dänemark oder Schweden, nur aus Norwegen.

Wer von ihnen hat fotografiert? Sind die Aufnahmen alle mit dem gleichen Apparat gemacht worden?
Darauf kam unsere Produzentin. Einer von ihnen hat eine sehr gute Spiegelreflexkamera. Immer dann, wenn bei Tag der Blitz eingesetzt wurde oder die Bildkomposition schlecht war, hatte nämlich jemand anders mit seiner Kamera fotografiert. So haben wir herausgefunden, wessen Apparat es war. Von dieser Reise müssen noch eine Menge mehr Fotos und auch Videoaufnahmen existieren, auf einigen Fotos sieht man einen von ihnen eine Videokamera halten.

Du hast gesagt, dass ihr diese Reise vier Jahre nach ihnen unternommen habt. Woher habt ihr gewußt, dass nicht irgendwer den Koffer vielleicht ein oder zwei Jahre zu Hause hatte und ihn erst dann weggeworfen hat?
Die Negativspulen wurden im Jahre 2001 in Containern entdeckt, aber wir wussten natürlich nicht, ob sie nicht vielleicht älter sind. Wir konnten nur die Jahreszeit bestimmen, weil der Löwenzahn Ende Mai oder Anfang Juni zu blühen beginnt.
Das genaue Jahr haben wir auf bizarre Weise herausgefunden. Es gab ein Foto mit einer noch eingeschneiten Landschaft und einer kleinen Hütte im Hintergrund. Als wir mit dem Auto durch Norwegen fuhren, hielt unser Kameramann plötzlich an und sagte: “Das hier kenne ich von den Fotos!” Wir stellten aber fest, dass die kleine Hütte sich ziemlich verändert hatte. Wir gingen in das Hotel, neben dem die Hütte stand, und fragten die Inhaber, wann die Hütte umgebaut worden war. Sie hatten genaue Aufzeichnungen über den Fortgang die Bauarbeiten und wir konnten genau bestimmen, dass die Negative tatsächlich aus dem Jahr 2001 stammen.

Ihr sollt ja auch Kontakt mit Interpol aufgenommen haben, stimmt das?
Ja, aber das war eine Enttäuschung. Zwei Monate hatte ich versucht, ein Treffen mit einem Kriminalisten zu vereinbaren. Ich erfuhr, dass Interpol in China tätig ist, aber dass es gerade mit der Kommunikation hapert. Schließlich habe ich mich mit einer sympathischen Sprecherin getroffen, die mit erläuterte, dass sie mir nicht weiterhelfen könne. Ähnlich sind wir auch bei der tschechischen Polizei vorgegangen, aber auch dort wurde uns gesagt, dass sie, solange es nicht um ein Verbrechen geht, auch keine Nachforschungen anstellen dürften.
Außerdem dachten wir, wenn wir unsere Leute mit Hilfe von Interpol finden würden, könnten wir ihrem Ruf schaden. Und wir müssen ihnen schon einen gewissen Respekt entgegenbringen. Wir wissen ja noch nicht einmal, wie sie darauf reagieren würden, dass so viele Leute ihre Fotos in der Ausstellung gesehen haben.

Wie habt ihr eure Untersuchung auf China selbst ausgeweitet?
Wir haben natürlich kein Geld für eine Reise nach China gehabt. Wir haben Freunde von Freunden, die dorthin fuhren, mit Fotos und mit einer Videokamera ausgestattet, damit sie sich dort umhören. Sie befragten eine Menge Chinesen darüber, was sie aus den Fotos erkennen, aber von einer systematischen Suche kann keine Rede sein. Wir haben hartnäckig versucht, mit Fernsehsendern Kontakt aufzunehmen. Nicht mit Zeitungen, denn in China erscheinen sehr viele Zeitungen, die aber keine große Verbreitung haben. Es gibt keine überregional wichtige Tageszeitung mit größerer Auflage.
Deshalb dachten wir, es wäre vielleicht das Beste, in die Nachrichten zu kommen. Mit dem chinesischen Fernsehen zusammenzuarbeiten ist jedoch schwierig, auch im Hinblick auf die Zensur. Obwohl wir Leute haben, die die Sprache kennen und auch mit der dortigen Mentalität vertraut sind.

Inwiefern würde denn solches Material der Zensur unterliegen?
Vermutlich weil wir nicht wissen, was diese Leute in Europa gemacht haben...
Die Meinungen sind geteilt. Einige Leute behaupten, dass eine solche Geschichte in China interessant wäre, weil sie mit dem Streben nach Internationalität korrespondiert, das heute in China auf kultureller und persönlicher Ebene zunimmt. Aber grundsätzlich gilt, dass jede Anspielung für sie ein Symbol ist und eine Unzahl von Bedeutungen hat. Zum Beispiel wurde die chinesische Version des Wettbewerbes “China sucht den Superstar” als Symbol für Demokratie aufgefasst und war enorm populär. Alle stimmten stürmisch ab.
Ich komme gleich auf die Medien zurück. Schon in Deutschland hatten wir eine Spur. Auf den Fotos aus Deutschland war ein Chinese, der auf den restlichen Aufnahmen nicht zu sehen ist. Und weil diese Fotos aus Heidelberg stammen, haben wir uns gesagt, dass er vermutlich dort lebt und dass wir ihn dort finden könnten, denn Heidelberg ist eine ziemlich kleine Stadt. Wir setzten uns mit der örtlichen Zeitung in Verbindung, und die veröffentlichte einen Artikel mit einer Fotografie, auf der die betreffende Person markiert worden war. Aber es gab keine Reaktion. Wir haben uns gesagt, dass diese Leute vielleicht etwas machen, das nicht ganz koscher ist, und dass sich der Mann deshalb nicht melden will.
Der einzige, der sich meldete, war ein Deutscher, der eine ähnliche Geschichte erlebt hatte. Am Strand hatte er im Sand eine Filmspule gefunden; er hatte sie entwickelt und sich mit der Lupe die nette Familie darauf angeschaut. Auf der Mütze von einem der Männer war der Name einer amerikanischen Feuerwehr zu erkennen. Er schickte die Negative an deren Adresse und erhielt nach einiger Zeit einen Dankesbrief. Der Mann auf den Fotos besaß ein Reisebüro, das Expeditionen auf Lamas organisiert. Er schenkte dem Finder die Teilnahme an einer solchen Expedition.
Wir hatten an das chinesische Fernsehen E-Mails auf Chinesisch geschickt und erhielten dann lange Zeit irgendwelche rätselhaften chinesischen Spam-Mails. Dann erreichte uns auf einmal eine E-Mail: “Das würde uns interessieren, aber wir können euch nicht ausfindig machen.” Das haben wir nicht verstanden, denn die E-Mail enthielt unsere Kontaktinformationen. Dann kam wieder lange Zeit nur Spam. Und dann riefen sie auf einmal auf meinem Handy an und sagten, dass ihnen das sehr gut gefällt und dass sie daraus eine Folge für die Sendung 360° Searching People machen wollten.

Lässt sich nach eurer Erfahrung sagen, worin das Spezifische des asiatischen Fotografierens besteht?
Nicht nur in China, sondern in ganz Asien gibt es etwas, das man “photo fashion” nennt. Das bedeutet, dass für gewisse Zeit bestimmte Gesten in Mode sind. Zum Beispiel das mit den Fingern gebildete V als Zeichen für Victory. Auf den Fotos mit der Sprungschanze macht das einer von unseren Chinesen.
Wir sprachen auf unserer Reise mit Asiaten, die alle die gleiche Geste machten. Sie haben zum Beispiel eine bestimmte Art, wie sie sich bei Statuen fotografieren lassen.
Ich habe Asiaten an den Plätzen gefilmt, die auf den Negativen waren. Als ich eine Asiatin fragte, weshalb sie lächelt, antwortete sie: “Damit man weiß, dass ich glücklich gewesen bin.” Ich sagte zu ihr: “Zeigen Sie das noch mal!” Und sie hat nochmals auf die völlig gleiche Weise gelächelt, es kam ihr überhaupt nicht seltsam vor. Europäern kommen diese Aufnahmen komisch vor, aber Gott weiß, was Chinesen über unsere Fotos denken. Und was auch wichtig ist: Als ich den Chinesen die Fotos zeigte, haben sie überhaupt nicht begriffen, weshalb wir uns damit beschäftigen.
Der Ausdruck auf den Fotos unterscheidet sich auch je nach Alter. Die jungen Leute auf den Fotos lächeln, die älteren geben sich würdevoll und bringen den Ernst der Situation zum Ausdruck.

Wie verbreitet sich diese Mode?
Sie zeigen einander die Fotos. Den Bekannten, den Arbeitskollegen. Einige Fotos machen sie für Freunde und andere wieder für den Chef. Fotos sind ihnen wichtig. Deshalb hoffen wir, dass die Leute, auch wenn es vielleicht Regierungsbeamte sind, so ergriffen sind, wenn wir sie finden, dass sie uns alles verzeihen werden. Ich kann mir aber auch vorstellen, dass unser Treffen ganz banal sein wird.
Wir haben natürlich eine Menge Fragen an sie. Hauptsächlich weshalb sie solche Fotos machen, was das Fotografieren für sie bedeutet. Wenn es zu einem Treffen kommt, wollen wir herausfinden, ob sie eigentlich ihr eigenes Verhalten analysieren können.








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