Zeitschrift Umělec 2005/3 >> Neuropa, Inc. Europas künstlicher Körper Übersicht aller Ausgaben
Neuropa, Inc. Europas künstlicher Körper
Zeitschrift Umělec
Jahrgang 2005, 3
6,50 EUR
7 USD
Die Printausgabe schicken an:
Abo bestellen

Neuropa, Inc. Europas künstlicher Körper

Zeitschrift Umělec 2005/3

01.03.2005

Anna Mituś | Polen | en cs de es

Es ist nun fast zwei Jahre her, dass Jacques Derrida und Jürgen Habermas den Appell veröffentlicht haben, das so genannte ‚Kerneuropa’ zur Zugmaschine für einen vereinigten europäischen Kontinent zu machen. In diesem Appell, der von der deutschen Frankfurter Allgemeinen Zeitung und der französischen La Libération unter dem Titel „Nach dem Krieg: Die Wiedergeburt Europas“ veröffentlicht wurde, versuchten die Autoren, eine neue europäische Identität nach postnationalen Standards zu entwerfen, die den „hegemonialen Unilateralismus“ der Vereinigten Staaten als bedrohlich ansieht.

Eine Ausstellung, die durch die polnischen Galerien wandert, Neuropa Inc., reduziert dieses und alle anderen gegenwärtigen politischen Gedankenspiele zur einer Absurdität. Geleitet von Kazimierz Piotrowski, einem unabhängigen Kurator und Kunsthistoriker, der für zahlreiche „Gräueltaten“ in der polnischen Kunstszene verantwortlich ist, drückt die Ausstellung nicht nur den Skeptizismus der Künstler gegenüber einer einheitlichen globalen Kultur aus, sondern auch gegenüber der Utopie von einer vereinten Zukunft, die auf vagen Vorstellungen über eine gemeinsame europäische Tradition basiert. Bei einer Ausstellung, die größtenteils aus verfremdeten rot-weißen Nationalflaggen besteht, aus die regionale Bigotterie herausfordernden Gesten und aus Nachempfindungen der leeren Landschaften einer post-kommunistischen Wirtschaft, die in die zweite Phase ihrer Unterentwicklung eintritt, muss die alte Frage aufs Ne! ue gestellt werden: Ist es möglich, die Polen zu verstehen? Doch zunächst etwas zur Vorgeschichte.

Kazimierz Piotrowskis erster Skandal fand im Jahr 2001 in Brüssel statt. Zum Polen-Festival der Europalia 2001 eingeladen, organisierte er Irreligia, eine Ausstellung, die in zwei örtlichen Kirchen und im Atelier 340, der Galerie von Wlodzimierz Majewski, stattfand. Diese Ausstellung porträtierte die Beziehungen der zeitgenössischen polnischen Kunst zum Katholizismus und erinnerte an die Geschichte der Blasphemie in der Kunst mit ihrer Kritik an Aspekten des religiösen Lebens, was in dieser Konstellation für eine große Entrüstung sorgte. Die polnische Botschaft verlangte die Schließung der Ausstellung, in polnischen Kirchen wurde Gott um Vergebung gebeten. Das Nationalmuseum in Warschau bestritt sofort, dass Teile der Ausstellung aus seiner Sammlung stammten und feuerte zugleich Piotrowski, der damals Leiter der Krolikarnia Galerie des Nationalmuseums war.

Mit seinen folgenden Ausstellungen bestätigte Piotrowski standhaft seinen Ruf als zur einen Hälfte Proteus und zur anderen Hälfte masochistisches Monster, das die Quellen des Glaubens und der wahren Werte vergiftet. In Lesungen und Diskussionen stellte er geschickt die rechtslastigen Anhänger von bizarren Verschwörungstheorien bloß. Von seiner akademischen Kanzel aus verspottete er die Kunstkritiker der Medieninstitutionen wegen ihrer schlechten Ausbildung und machte ihnen - einer plötzlichen Anwandlung literarischer Finesse folgend - den Vorwurf, dass sie unter einem „Sklerokatholismus“ leiden würden. Er zog es vor, seine eigenen kuratorischen Projekte durchzuführen anstatt die Rolle eines „Geburtshelfers“ der Kunst einzunehmen

Bei der Vorbereitung seiner Neuropa Ausstellung im Jahr 2003 ging Piotrowski auf eine Art und Weise vor, die viele Künstler als inakzeptabel ansahen. Anstatt sich für das Wesen oder die Aussage der neueren polnischen Kunst zu interessieren, zog er es vor, anhand polnischer Kunstwerke die Symptome eines Dekonstruktionsmechanismus auf dem Gebiet der Symbolik zu untersuchen, der mit der europäischen Integration einhergeht.

Ein Zugang zur Realität erfolgt durch die Sprache. In diesem Bewusstsein versuchte Piotrowski, die Ausstellung als rhetorische Analyse dafür zu verwenden, wie sich Unternehmen, Institutionen und politische Parteien die Sprache der Gegenwartskultur zu eigen machen. Für seine Diagnose benutzte er willkürliche Beispiele, um einen Querschnitt der radikalen Trends in der polnischen Kunst des vergangenen Jahrzehnts zu präsentieren.

Piotrowski bestrafte mangelnde Gefolgschaft mit einer erzwungenen Einbindung, so wie im Fall von Cezary Bodzianowski. Trotz der Weigerung des berühmten Warschauer Künstlers, an dem Projekt teilzunehmen, wurde er mit einer Dokumentation seiner künstlerischen Aktivitäten im aktuellen Ausstellungskatalog aufgeführt. Aber sein Name war böswillig in „Brodzikowski“ umgeändert, im Polnischen eine Anspielung auf ein seichtes Wasserbecken. Zusätzlich verdeckte er die Augen des Künstlers mit einem gelben Balken, ein sarkastischer Versuch, ihn für die Medien unkenntlich zu machen. Wie erwartet verärgerte diese Aktion den Künstler und auch einige Kunstkritiker.

In den Augen von Piotrowski jedenfalls war dies für Bodzianowski und andere eine notwendige Lektion über die Anwendung der Dialektik der Kunst, darüber, wie man die von der Kunst kritisierten Taktiken wiederum mit einbezieht. Es fällt schwer, hierin nicht eine gewisse beunruhigende Logik zu erblicken. Ist mit der Evolution der kuratorischen Kultur der Künstler nicht mehr der einzige Jäger in dieser Nahrungskette?

Europa. Wiedererschaffung

Das Erschaffen einer legislativen Grundlage für funktionierende Über-Identitäten auf der Ebene der Organisationen hat eine symbolische Dimension. Ausdrücke wie ‚juristische Person‘, ‚Corporate Identity‘ oder ‚Incorporation‘ lassen an eine Art ‚Brückentier’ denken, ein Wesen zwischen normalen Sterblichen und der Rechtsidee. Sind wir also darauf vorbereitet, unser Leben nach ‚postnationalen‘ Standards zu leben?
Hierfür sieht Piotrowski die Notwendigkeit, das Versagen des öffentlichen Sektors zu erkennen, der mit der erfolgsorientierten Effizienz der im Wirtschaftsleben herrschenden Regeln konfrontiert wird: Loyalität, Bereitschaft zu flexiblen Arbeitszeiten und die Identifikation mit Markennamen.

Unternehmenskultur (corporate culture), von Piotrowski „corporate human cultivation“ genannt, erfordert von den Individuen eine Unterordnung unter eine Firmendisziplin, die im Gegensatz zu den philosophischen Grundlagen des europäischen Individualismus steht. Eine offensichtliche Beobachtung, aber Piotrowski wäre nicht er selbst, wenn er sie nicht auch auf die heiligsten Werte der katholischen Gemeinschaft beziehen würde. Das kritischste Moment der Ausstellung ist nicht so sehr der Zynismus der Wirtschaftsunternehmen, sondern die direkte Verbindung der Regeln des Marktes mit denen der Religion, der Ökonomie des Handels mit der Ökonomie des Glaubens.

Man kann zwar nicht beides gleichzeitig anbeten, aber es ist klar, dass in einer Galerie Gott und Mammon als zwei Seiten ein und derselben Medaille erscheinen können. Schlimmer noch, sie können als jenseits von Gut und Böse gesehen werden. Bewiesen wird dies durch viele merkwürdige Strategien, entwickelt zum Beispiel von rechten Parteien und dem polnisch-katholischen Radio Maria oder, wie im Falle der Etablierung einer polnischen Marke namens ‚Teraz Polska’ (Polen Jetzt), im Zuge jener patriotischen und spirituellen Missionen, die religiöse oder nationalistische Argumente benutzen, um kleine polnische Unternehmen vor dem Bankrott zu bewahren.

In diesem Zusammenhang wurden – was viele Beanstandungen hervorrief – die Arbeiten von Stanislaw Szukalski (1893-1987) in die Ausstellung aufgenommen. Szukalski, ketzerisch und visionär, war Urheber der Idee von „Neuropa“, einem Zusammenschluss ‚gerechter‘ europäischer Länder (unter Ausschluss von England, Frankreich, Deutschland und Italien), die ein Gegengewicht zu den Vereinigten Staaten sein könnten. Piotrowski hat diese politische Fiktion, mit dem zusätzlichen Anhängsel Inc., zur „Allegorie unserer Zeiten“ ausgerufen. Wahnsinn auf einer Höhe mit dem europäischen Vermächtnis und der europäischen Amnesie. Wie vielen bewusst ist (einschließlich der polnischen rechtsgerichteten Bürgerwehren), war Szukalski nicht nur von dem slawischen Neo-Heidentum faszi! niert, sondern er war auch gleichzeitig der damals in Europa sehr populären faschistischen Ideologie verhaftet.

Aus diesem Grund lässt die Platzierung von Szukalskis Entwurf für eine Statue von Johannes Paul dem Zweiten in der Mitte der Ausstellung das europäische Projekt als absurd erscheinen. Es ist ein Schlag in das Gesicht des politisch korrekten Publikums zu einer Zeit, in der sowohl die rechts- wie auch linksgerichteten politischen Parteien über die Identität und die Aufgabe von Polen in der Europäischen Union und die Formulierung der Präambel der europäischen Verfassung diskutieren und hierbei die Erwähnung eines Gottesbegriffes fordern. Mit einer stilisiert-zynischen Geste hofft der Kurator, alle Versuche zu unterbinden, wie auch immer die symbolische Sphäre innerhalb des Parteienzwists zu erobern.

In seinen dichten Wald der Merkwürdigkeiten hat Piotrowski mehrere Fallen für leichtgläubige Galeriebesucher und Katalog-Blätterer eingebaut. Unkritisch betrachtet mag man vielleicht Piotrowskis Neigung zur, sagen wir mal Kunst der „Täuschung“ akzeptieren, die die „Verrücktheit der Auswahl“ zu ignorieren versucht. Man mag vielleicht ein Postulat erkennen, das die Kunst sich „immun“ gegenüber der Kommerzialisierung, der Musealisierung und der Einverleibung durch Institutionen machen soll.

Das Neue kommt.

Was seine Denkweise angeht gehört Piotrowski irgendwie in eine andere, eher „romantische“ Ära, eine, die irgendwie entfernter von der Fiktion und dem abstrakten Humor der in der Ausstellung präsentierten Werke jüngerer Künstler ist. Einen interessanten Kontrapunkt zu Piotrowskis Interpretation bilden die pseudo-abstrakten Bilder von Kamil Kuskowski aus der Serie Club Colors (2003). Auf engen, horizontal gespannten Leinwänden imitiert er Muster aus den Schals von Fußballfans, die er zu provokativen ästhetischen Kompositionen zusammenstellt. Indem er das tut, spielt er gleichzeitig mit einer modernistischen künstlerischen Haltung und mit dem Atavismus einander bekämpfender Fangruppen. In der Wanderausstellung sind die Arbeiten von Kuskowski denen von Robert Maciejuk gegenübergestellt. Sorgsam und altklug zeigen diese großformatigen Bilder ausdruckslose politische Symbole, die einem ähnlichen Prozess der „Ent-Semanti! sierung“ folgen.

Die Plakate von Oskar Dawicki dienen als ein Beispiel für eine Strategie, die typisch für viele jüngere Künstler ist, die gerne die unterdrückerische Kraft der Konzerne in ihre Arbeiten einbeziehen möchten. Für seine bekannte Serie Help (2001/2002) setzte der Performancekünstler Dawicki, Mitglied der Supergroup Azorro, seine Miniatur-Selbstportraits auf Plakate, Werbematerial und andere Erzeugnisse, die von der Agentur, bei der er arbeitete, produziert wurden. Sein Tun blieb geheim, bis er selbst die Sabotageaktion bei einer Ausstellung im Jahr 2002 in der Warschauer Galerie Raster aufdeckte. Mit einem diskreten, parasitären Eingriff in die Werbemaschinerie seines Arbeitgebers hat Dawicki die reibungslose Gewährleistung aller Aspekte seiner vertraglich festgelegten Verantwortlichkeiten gestört. Damit hat er die Aufmerksamkeit darauf gelenkt, dass der ursprüngliche Sinn der Kommunikation in der Werbung ! und in anderen konventionellen Medien abhanden gekommen ist.

Zbigniew Libera hat in seine eigenen Medienmystifikationen Piotrowski schon seit einigen Jahren miteinbezogen und damit das Nest unserer bildnerischen Kinderstube verlassen. Er präsentierte Positives (2004) und seinen berühmten Legobausatz, mit dem man sein eigenes Konzentrationslager bauen kann (Lego, 1996). Die Geschichte dieser Arbeit ist ein Beispiel für ein „Happy End“ eines Konfliktes zwischen Kunst und Wirtschaftsunternehmen und passt damit perfekt in Piotrowskis Vision. Das Kunstwerk konnte nicht als polnischer Beitrag zur Venediger Biennale 1993 benutzt werden, wurde aber später für die Sammlung des Jüdischen Museum New York angekauft und die dänische Firma Lego, zog eine eingereichte Klage zurück.
Im Gegensatz dazu gab es für Rafal Jakubowicz kein so glückliches Ende. Sein Werk Arbeitsdisziplin bestand aus einer Leuchtkastenfotografie und dem Dokumentarvideo eines Volkswagenwerks, das hinter einem Stacheldrahtzaun zu sehen ist. Als Ergebnis des Einschreitens seitens des Volkswagenkonzerns konnte die Arbeit in der Galerie Arsenal in Poznan nicht gezeigt werden.

Mit großer Sorgfalt hat Piotrowski ein „best of“ der konzernkritischen Front zusammengestellt. Höhepunkt war die Dokumentation einer Aktion von Pawel Althamer im Berliner Sony Center (2002) – einer Aktion, die man letztlich als Misserfolg beurteilen kann. Als Teil des bekannten Firmenrituals der Zwiesprache mit den Künsten machte Althamer das folgende Angebot: Eine integrierende Veranstaltung auf dem Innenhof rund um einen orientalischen Grill. Als der Vorschlag von den Organisatoren nicht akzeptiert wurde, schlug er einen Austausch von Kinderspielplätzen zwischen dem armen Warschauer Bezirk Brudno und dem Sonykonzern vor. Da keine der Ideen akzeptiert wurde, arrangierte der Künstler schließlich (strikt nach dem Grundsatz „keine Leistung, kein Geld“) ein Treffen auf dem Potsdamer Platz, zu dem er geschäftsmäßig im Anzug gekleidet erschien, einer Uniform, die durch ein Handy und die weiteren notwendigen ! Accessoires komplettiert wurde. Die Dokumentation von Krzysztof Visconti zeigte in der Ausstellung „Neuropa, Inc” einige Anfangsmomente dieses kontrollierten Aktes des Ungehorsams. Althamer zog nämlich seine Kleidung aus und ging zu einem „ungenannten Ort“. Allerdings hatte der Künstler von Sony die strikte Anweisung erhalten, seine Unterwäsche anzubehalten und war nicht völlig nackt.

Besserwisser und eine Hure

Viele der in der Ausstellung präsentierten Arbeiten wurden von polnischen Kunstkritikern in die spezifisch polnische Kategorie der sztuka krytyczna (kritische Kunst) eingeordnet, mit der Kunst bezeichnet wird, die das Spannungsfeld zwischen gesellschaftlichem Engagement und neueren Konzeptionen des sozialen oder anthropologischen Diskurses in Polen nach 1989 beschreibt. Piotrowski überging diesen Wendepunkt, der zu einer seltsamen „Stunde Null“ für das Verstehen der jüngeren polnischen Kunststszene geworden ist; er mischte in seine „kritische“ Ausstellung Arbeiten von Künstlern wie Andrzej Partum, Józef Robakowski, Przemysław Kwiek oder Jan Swidziński, deren gesellschaftlich engagierte Kunst die Probleme der Medialisierung von Diskursen, der kulturellen Repräsentation des Körpers und des „Hereinlegens“ der Öffentlichkeit seitens der Institutionen analysierte, noch lange bevor die Rubrik „kritische Kunst“ gefördert wurde.

Vielleicht gibt es in den mit dem Begriff „kritische Kunst“ assoziierten Werken nichts, was für Polen einzigartig wäre, aber ihre Bedeutung wurde durch die Ablehnung seitens des durch neuere künstlerische Strategien geschockten Publikums verstärkt. Piotrowski illustrierte den infantilen Charakter des Konfliktes zwischen zeitgenössischer Kunst, der Mehrheit des katholischen Publikums und dem polnischen Rechtssystem, indem er den Prozess um Dorota Nieznalska in die Ausstellung einbezog. Die junge Künstlerin aus Gdansk war vor dem Gericht der Stadt angeklagt und für schuldig befunden worden, die religiösen Gefühle vieler Menschen verletzt zu haben, die sich über Passion (2001) erregt hatten. Ihre Installation in der Galerie Wyspa zeigte ein kreuzförmiges Objekt mit dem Foto eines männlichen Geschlechtsteils, dem ein in einem Fitnessstudio trainierender Mann gegenübergest! ellt war. Das Gerichtsurteil führte nur zu einem milden Echo seitens der Intellektuellen und Künstler, die gegen die Unterdrückung künstlerischer Freiheit ankämpfen. Die Arbeit mit dem Titel Im Namen der polnischen Republik (2004) ist ein Ausschnitt eines Videos aus der Verhandlung gegen Nieznalska mit dem Urteilsspruch, betitelt mit dem Zitat aus der polnischen Liturgie „Das Opfer ist gebracht, gehe in Frieden“. An dieser Stelle kommentiert Piotrowski das Thema öffentlicher und nationalisierter Aspekte ihrer Arbeit aus einer globalen Perspektive, ebenso wie die Schwäche ihrer Umwelt, in der Interessen und Rechte im juristischen Bereich in keiner Weise wirksam vertreten werden.

Kunst ist für dich gemacht

Deine Begrenztheit ist die Grenze der Kunst, deine Sprache ist die Sprache der Kunst. Das möchte man sagen, wenn man sich diese einzigartige Mischung, dieses Zusammenfallen von Idealen und fetischistischen Ambitionen betrachtet, die sich in der Kunst spiegelt. Kunst kann unterhaltsam sein, wenn sie klug ist. Beispiele dafür sind die Arbeiten von Jerzy Kosalka, Hanna Kosewicz, Krzysztof Wałaszek, oder den zwei Gruppen von Künstlern Twożywo (Mariusz Libel, Krzysztof Sidorek) und Łódz Kaliska (Marek Janiak, Andrzej Kwietniewski, Adam Rzepecki, Andezej Swietlik, Andrzej Wielogorski), die eine gemeinsame subversive Mimikry-Strategie benutzen. Wenn du lachst, bist du schon auf der anderen Seite des lustigen Zerrspiegels der Kunst.

Die Arbeit der Gruppe Łódz Kaliska ist ein gutes Beispiel für die Veränderung, die sich in der polnischen Kunst nach 1989 niedergeschlagen hat. In den 80er Jahren war Łódz Kaliska eine der wichtigsten Künstlergruppen in Polen. Nach ihren Gegenkultur-Projekten kultura zrzuty (Einwurf-Kultur) und sztuka zenujaca (peinliche Kunst) ist die Zeit reif für eine Rückkehr an den Busen der Gesellschaft: das Etablieren der Idee eines „New Pop“. Angesichts möglicher Sexismus-Beschuldigungen haben die Gruppenmitglieder ihr Pop-Manifest benutzt, um ein Projekt für ein neues polnisches Nationalemblem vorzuschlagen: Einen Adler, einen attraktiven nackten weiblichen Adler, gedruckt auf dem Titelblatt des polnischen Playboy Magazins. Mit diesem und weiteren unverschämten Projekten, wie einem Kühlschrank für Frauen, die ihre Blütezeit überschritten haben, steht die Gruppe gegen Korrektheit und hđ 6fliche Offenheit und gegen die Reduzierung der Kunstinterpretation auf die Gender-Thematik.

Die Arbeiten von Twożywo sind anders. Im Stil einer Kundenkarte haben Mariusz Libel und Krzysztof Sidorek die Maria Materia Kreditkarte entwickelt, inklusive einer professionellen Marketingstrategie, mit der sie das Projekt legitimieren, und mit einer Webseite, die den „Benutzern“ der Maria Materia Karte Kundenservice bietet. Sie werben für die Karte als „erste Karte, die Ihnen ermöglicht, Ihr Leben zu genießen, ohne sich für Ihre Handlungen verantwortlich zu fühlen“ und in der FAQ-Sektion (FrequentlyAskedQuestions, Häufig gestellte Fragen) zum „Service“ beantworten sie die unvermeidliche Frage: „Falls Ihre Karte nicht funktioniert – glauben Sie an sie.“

Diese pseudo-positive Symbiose zwischen Kunst und Konsum-Pop harmonisiert irgendwie mit dem kritischen Aspekt von Piotrowskis ironischer Infragestellung des „Freiheitsdeliriums in der Kunst“. Im Bemühen, sich uns anzupassen, wollen Künstler nicht länger nur Künstler sein, und sie wollen keine zusätzliche Freiheit. Sie wollen uns mehr bieten.

„Ist eine konzernkritische Bewegung in der Kunst möglich?“, fragt Piotrowski in seinem „Inc.“ Katalog. Sind doch Künstler, die sich innerhalb des Galeriesystem bewegen, sowohl von öffentlicher Förderung als auch von Medienkonzernen abhängig. Eine solche Frage stellend, bedarf es keiner Antwort. Gewiss jedenfalls nicht an die Künstler, die schon lange nicht mehr in einem Elfenbeinturm leben – trotz aller Anstrengungen, die Unterstützung durch die öffentliche Hand aufrecht zu erhalten. In ihrer Arbeit, kritisiert für ihren journalistischen Ansatz, appellieren sie an unseren Sinn für Freiheit und manchmal an unseren Sinn für Humor, der die „Fransen“ der Freiheit formt. In der Galerie lachend, sollten wir daran denken: „Wer zuletzt lacht, lacht am besten“.




Kommentar

Der Artikel ist bisher nicht kommentiert worden

Neuen Kommentar einfügen

Empfohlene Artikel

No Future For Censorship No Future For Censorship
Author dreaming of a future without censorship we have never got rid of. It seems, that people don‘t care while it grows stronger again.
Meine Karriere in der Poesie oder:  Wie ich gelernt habe, mir keine Sorgen  zu machen und die Institution zu lieben Meine Karriere in der Poesie oder: Wie ich gelernt habe, mir keine Sorgen zu machen und die Institution zu lieben
Der Amerikanische Dichter wurde ins Weiße Haus eingeladet, um seine kontroverse, ausstehlerische Poesie vorzulesen. Geschniegelt und bereit, für sich selber zu handeln, gelangt er zu einer skandalösen Feststellung: dass sich keiner mehr wegen Poesie aufregt, und dass es viel besser ist, eigene Wände oder wenigstens kleinere Mauern zu bauen, statt gegen allgemeine Wänden zu stoßen.
Contents 2016/1 Contents 2016/1
Contents of the new issue.
Afrikanische Vampire im Zeitalter der Globalisierung Afrikanische Vampire im Zeitalter der Globalisierung
"In Kamerun wimmelt es von Gerüchten über Zombie-Arbeiter, die sich auf unsichtbaren Plantagen in obskurer Nachtschicht-Ökonomie plagen."