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Denn ich weiss nicht. Was ich tue
Zeitschrift Umělec
Jahrgang 2009, 1
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Denn ich weiss nicht. Was ich tue

Zeitschrift Umělec 2009/1

01.01.2009

Vladamar Turner | art project | en cs de

Ich möchte aufbegehren. Meine liebe Mutter hat mir eine Wohnung überlassen, die ich mir mit meiner wunderschönen Freundin teile. Sie hat große Titten und studiert Kunst. Auch ich besuche eine renommierte Schule, bin da gleich nach dem Gymnasium drauf, worauf meine Freunde alle neidisch sind. Mit 19 habe ich mehr Geld verdient als meine Tante mit ihren drei Universitätsabschlüssen, ohne wirklich sehr viel tun zu müssen. Ich arbeite für ein Webzine, das ziemlich gut ankommt und berichte über Neue Medien und so was in der Art.
Ich hab' mir einen Traum erfüllt und ein VW-Wohnmobil gekauft. Manchmal, wenn ich mich langweile, verpass' ich mir abartige Haarschnitte und kaufe irgendwelche geschmacklosen Second Hand-Klamotten. Ich trage riesige Sonnenbrillen und fühle mich echt cool. Diesem Sommer haue ich ab nach Norwegen und irgendwann mal in ferner Zukunft werde ich meinen Wohnsitz ins Ausland verlegen. Ich habe einige Lücken in meinem Werdegang, aber das überspiele ich ganz gut. Ich nehme keine harten Drogen, um mich nicht abzufucken, und ich schmuse mit Mädels auf Tanzpartys. Ich kann die tschechische Einstellung zu vielen Dingen nicht ausstehen, aber irgendwie kann ich mich auch nicht davon lösen. Ich habe nichts gegen Politik, solange ich was zu essen habe und die Freiheit, frei zu sein. Hungernde Kinder gibt‘s sonstwo und ich führe kein Tagebuch. Ich kann mit allen Arten von Menschen sprechen und gleichzeitig verachte ich sie . Ich habe High-Speed-Internet, somit wird mir nie langweilig. Ich bin ein Chauvinist, aber ich kann sensibel und nett sein, wenn ich will. Ich mache bunte Bilder, aber nicht so schick, dass es scheint, ich wäre abgehoben, und ich kaufe bei Ikea ein. Nun liege ich „krank“ in meinem Bett (von IKEA), weil ich‘s gestern auf der Party übertrieben habe. Ich schreibe diesen Scheiß, der meine Schulpräsentation für ein „konzeptionelles Video“ sein soll, und ich weiß, dass ich es vertreten kann, obwohl es schon vor Monaten fällig war. Es ist Samstag, irgendwann Mitte März, mittags. Höre elektronische Musik, werde etwas essen und dann wieder einschlafen. Es ist an der Zeit aufzubegehren. Ha ha ha.




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