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Terminator vs Avatar: Anmerkungen zum AkzelerationismusZeitschrift Umělec 2011/201.02.2011 Mark Fisher | lösungen | en cs de |
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Warum beugt ihr, die politischen Intellektuellen, euch zum Proletariat herab? Aus Mitleid womit? Ich verstehe, dass man euch hasst, wenn man Proletarier ist. Es gibt keinen Grund, euch zu hassen, weil ihr Bürger, Privilegierte mit zarten Händen seid, sondern weil ihr das einzig Wichtige nicht zu sagen wagt: Man kann auch Lust empfinden, wenn man die Ausdünstungen des Kapitals, die Urstoffe des Kapitals verschlingt, die Metallbarren, das Styropor, die Groschenhefte, das Schweinemett, wenn man das Zeug tonnenweise bis zum Platzen verschlingt – und statt dies auszudrücken, was ja auch im Wunsch der Kapitalisierten, der Arschkriecher, Hand- und Kopfarbeiter enthalten ist, setzt ihr ein Männergesicht, ein Mackergesicht auf, beugt euch herab und sagt: Ach, das ist doch Entfremdung, das ist aber gar nicht schön, wartet nur, wir werden euch befreien, wir werden dafür arbeiten, euch von dieser schlimmen Neigung zur Knechtschaft befreien, wir werden euch Würde verleihen. Und damit stellt ihr euch auf die widerwärtigste Seite, ihr Moralisten, dorthin nämlich, wo man wünscht, dass der Wunsch von uns Kapitalisierten voll und ganz verkannt und verboten, ja mit Füßen getreten wird. Ihr verhält euch wie die Priester zu ihren Sündern, unsere knechtischen Intensitäten machen euch Angst, ihr müsst euch sagen: Was müssen die leiden, wenn sie soviel ertragen müssen! Und wir leiden natürlich auch, wir Kapitalisierten, aber das heißt weder, dass wir keine Lust empfinden würden, noch dass das, was ihr uns als Heilmittel (wogegen bloß?) anbieten zu können glaubt, uns nicht noch mehr anekelt. Wir verabscheuen die Therapeutik und ihre Vaseline, wir wollen lieber bei den quantitativen Exzessen platzen, die ihr für das Stumpfsinnigste hält. Und ihr braucht auch nicht zu erwarten, dass unsere Spontanität revoltiert.1 In der Einleitung zu seiner Übersetzung von Lyotards Libidinöse Ökonomie von 1994, aus der dieser außergewöhnliche Ausbruch stammt, weist Iain Hamilton Grant auf einen gewissen „Verfall zeitgenössischer Weisheit“ hin. Einem solchen „Verfall“ entsprechend, so fährt Grant fort, war Economie Libidinale „eine unbedeutende und kurzlebige Explosion eines irgendwie naiven anti-philosophischen Expressionismus, ein ästhetisierender Trend, der von einem erneuerten Interesse an Nietzsche, das in den späten 1960ern vorherrschte, übrig geblieben ist.“2 Grant ordnet Lyotards Buch zusammen mit drei anderen ein: Deleuzes und Guattaris Anti-Ödipus, Luce Irigarays Speculum. Spiegel des anderen Geschlechts und Baudrillards Der symbolische Tausch und der Tod. „Generell hat Libidinöse Ökonomie wenig kritische Reaktion hervorgerufen“, so Grant weiter, „außer, dass Lyotard viele marxistische Freunde verlor. Tatsächlich ist es jetzt bis auf wenige Ausnahmen nur Lyotard selbst, der gelegentlich auf das Buch verweist, und dies, um neuen Hohn darüber auszuschütten, indem er es sein ‚böses Buch‘ nennt, ‚das Buch, das jeder, der schreibt und denkt, zu machen versucht ist.‘“3 Dies blieb der Fall bis zu Benjamin Noys’ The Persistence of the Negative4, das die Libidinöse Ökonomie und Anti-Ödipus als Teile dessen verortet, was er einen „akzelerationistischen Moment“ nennt. Zwei Zitate aus diesen beiden Texten geben uns unmittelbar den Geschmack des „akzelerationistischen“ Schachzugs. Aus Anti-Ödipus: Aber welcher revolutionäre Weg? Ist überhaupt einer vorhanden? – Sich, wie Samir Amin es den Ländern der Dritten Welt rät, vom Weltmarkt zurückziehen, in einer eigentümlichen Wiederaufnahme der faschistischen „ökonomischen Lösung“? Oder den umgekehrten Weg einschlagen? Das heißt, sich mit noch mehr Verve in die Bewegung des Marktes, der Dekodierung und der Deterritorialisierung stürzen? Denn vielleicht sind die Ströme aus der Perspektive einer Theorie und Praxis, der zutiefst schizophrenen Ströme, noch zuwenig decodiert und deterritorialisiert? Nicht vom Prozess sich abwenden, sondern unaufhaltsam weitergehen, „den Prozess beschleunigen“, wie Nietzsche sagte: Wahrlich: in dieser Sache haben wir noch zuwenig gesehen.5 Und aus Libidinöse Ökonomie – jene eine Passage, die in Erinnerung bleibt, wenn auch nur aufgrund ihrer Berüchtigtkeit: Die englischen Arbeitslosen sind nicht zu Arbeitern geworden, um zu überleben, sie haben – haltet euch gut fest und spuckt mir schön darauf – diese hysterische und masochistische (und ich weiß nicht, was sonst noch) Erschöpfung genossen, sie haben es genossen, es in den Minen, den Gießereien, den Fabriken, in der Hölle auszuhalten, sie haben die verrückte Zerstörung ihrer organischen Körper genossen, die ihnen sicher aufgezwungen wurde, sie haben es genossen, dass sie ihnen aufgezwungen wurde, sie haben die Auflösung ihrer persönlichen Identität genossen, die Identität, die die bäuerliche Tradition ihnen verschafft hatte, sie haben die Auflösung der Familien und Dörfer genossen, sie haben die monströse neue Anonymität der Vorstädte und der Pubs in den Morgen- und Abendstunden genossen.6 Auf Lyotard spucken, das hat man sicherlich getan. Aber worin liegt die vermeintlich skandalöse Natur dieser Passage? Wer seine anonymen Vorstädte und Pubs aufgeben und zum organischen Schlamm des Bauerntums zurückkehren will, bitte jetzt melden. Das heißt: alle, die wirklich zu vorkapitalistischen Territorialitäten, Familien und Dörfern zurück wollen, bitte melden. Außerdem sollen sich bitte diejenigen melden, die tatsächlich glauben, dass dieses Begehren nach einer wiederhergestellten organischen Ganzheit der spätkapitalistischen Kultur äußerlich wäre, anstelle vollintegrierter Bestandteil der kapitalistischen libidinösen Infrastruktur zu sein. Hollywood selbst sagt uns, dass es so erscheinen mag, dass wir unablässig eingestöpselte Technik-Junkies sind, vom Cyberspace angefixt, aber dass wir innen, in unserem wahrhaften Selbst, Primitive sind, mit Mutter Erde organisch verbunden, während wir vom militärisch-industriellen Komplex zu Opfern gemacht werden. James Camerons Avatar ist deshalb so bezeichnend hierfür, weil er die Verleugnung, die grundlegend für die spätkapitalistische Subjektivität ist, selbst dann noch beleuchtet, wenn er zeigt, wie diese Verleugnung untergraben wird. Wir können nur Dank der cinematografischen Proto-Virtual-Reality-Technologie, deren Existenz gerade die Zerstörung des organischen Idylls von Pandora voraussetzt, den inneren Wilden mimen. Und wenn da kein Begehren ist, zurückzugehen, außer in Form eines billigen Hollywood- Urlaubs an den Ort des Elends anderer Leute – wenn, wie Lyotard argumentiert, es keine primitiven Gesellschaften gibt (ja, der Terminator war von Anfang an da und hat Mikrochips verteilt, um seine Ankunft zu beschleunigen), ist dann die einzige Richtung nicht die nach vorn? Durch die Ausdünstungen des Kapitals hindurch, durch die Metallbarren, durch sein Styropor, seine Bücher, sein Schweinemett, seine Cyberspace-Matrix? Ich möchte hier drei Behauptungen aufstellen: 1. Jeder ist ein „Akzelerationist“. 2. „Akzelerationismus“ hat niemals stattgefunden. 3. Marxismus ist ein Nichts, wenn er nicht „akzelerationistisch“ ist. Von den Texten der Siebziger Jahre, die Grant in seinem Überblick erwähnt, war Libidinöse Ökonomie in mancher Hinsicht das wesentliche Verbindungsglied zur britischen Cybertheorie der Neunziger. Nicht nur des Inhalts wegen, sondern aufgrund seiner ungezügelten Tonlage ist Libidinöse Ökonomie charakteristisch hierfür. Wir können uns an dieser Stelle Žižeks Bemerkungen über Nietzsche ins Gedächtnis rufen: Auf der Inhaltsebene ist Nietzsches Philosophie heute äußert integrierbar geworden, aber es ist ihr Stil, die Invektive, für die wir uns kein zeitgenössisches Äquivalent vorstellen können, jedenfalls keines, das feierlich in der Akademie diskutiert würde. Sowohl Iain Grant als auch Benjamin Noys folgen Lyotard, wenn sie Libidinale Ökonomie als ein Werk der Affirmation beschreiben: Libidinöse Ökonomie jedoch stellt, ähnlich wie Nietzsches Texte, ständig seine Affirmation zurück, indem sich ein Großteil des Textes einer Serie von (anscheinenden, parenthetischen) Hasstiraden hingibt. Während Anti-Ödipus in vielerlei Hinsicht ein Text der späten Sechziger bleibt, erwartet Libidinale Ökonomie die Siebziger des Punk, während es aus denjenigen Sechzigern schöpft, die der Punk rückblickend erst entwirft. Das Nein des Hasses, des Zorns und der Frustration liegt nicht weit entfernt von Lyotards „vom Begehren betäubten Ja“: no satisfaction, no fun, no future. Es sind diese Quellen der Negativität, mit denen, wie ich glaube, die Linke wieder Kontakt aufnehmen muss. Aber heute ist es notwendig, die Betonung der Politik als ein Mittel zu größerer libidinöser Intensität bei Deleuze/Guattari und Lyotard umzukehren: Es geht vielmehr darum, die Libido für politische Ziele zu instrumentalisieren. Wurde Libidinöse Ökonomie verworfen, häufiger aber noch ignoriert, so ist es demjenigen theoretischen Moment der Neunizger, zu dem Grants eigene Übersetzung beitrug, noch viel schlechter ergangen. Trotz seines Ansehens als einer der Gründer des spekulativen Realismus sind Grants aufrührerische Texte der Neunziger – grandiose Cyborg-Operationen, die Blade Runner in Kant, Marx und Freud einnähten – aus dem Umlauf verschwunden. Das Werk von Grants einstigem Mentor, Nick Land, erregt nicht einmal mehr spöttische Kommentare. Wie auch Libidinöse Ökonomie hat dessen Arbeit wenig kritische Reaktion hervorgerufen – und Land hatte, um das Mindeste zu betonen, keine marxistischen Freunde zu verlieren. Denn in Wirklichkeit war sein Hass auf die akademische Linke einer der libidinösen Motoren seines Werks. In Machinic Desire schreibt Land: Maschinische Revolution muss daher in die entgegengesetzte Richtung sozialistischer Regulierung gehen, in Richtung einer immer weniger beschränkten Vermarktlichung der Prozesse, die das soziale Feld niederreißen, „weiter noch“ mit der „Bewegung des Marktes, der Dekodierung und Deterritorialisierung“, und, „man kann […] in der Deterritorialisierung nie weit genug gehen, ihr habt noch gar nichts gesehen.“7 Land war unser Nietzsche – mit derselben Hetze gegen die sogenannten progressiven Tendenzen, derselben bizarren Mixtur aus Reaktionärem und Futuristischem, und mit einem Schreibstil, der den Aphorismen des 19. Jahrhunderts ein Update verpasste, um das zu werden, was Kodwo Eshun „text at sample velocity“ genannt hat. Speed – im abstrakten wie im chemischen Sinne – war hier zentral: Telegrafische Technopunk-Provokationen ersetzten das unübersehbare Grübeln so großer Teile des poststrukturalistischen Kontinentalismus und dessen Schlussfolgerung, dass mehr Denken dort stattfände, wo das Schreiben mühseliger
und qualvoller war. Was auch immer die Verdienste Lands weiterer theoretischer Provokationen sein mögen (und ich werde sogleich auf einige ihrer schwerwiegenden Probleme hinweisen), seine vernichtenden Anschläge auf die akademische Linke – oder die verbürgerlichte, staatlich subventionierte Nörgelei, die sich so oft akademischer Marxismus nennt – bleiben treffsicher. Die ungeschriebene Regel dieser „karrieristischen Tiefstapler“ lautet, dass niemand jemals ernsthaft irgendeine Absage an bürgerliche Subjektivität erwartet. Reich mir mal den Merlot rüber, ich muss ‘ne ganze Karriere voll spitzfindiger Kritik überstehen. Was wir vor uns sehen, ist eine skrupellose Absicherung kleinbürgerlicher Interessen im politischen Gewand. Artikel über den Antagonismus, und danach alle in den Pub. Im Gegensatz hierzu nahm Land die spinozistisch-nitzscheanisch-marxistische Aufforderung ernst, wonach eine Theorie nicht seriös sein kann, wenn sie auf der Ebene der Repräsentation verharrt, bis zum Punkt von Psychose und selbst zugefügter Schizophrenie. Worum geht es in Lands Philosophie? Kurz gesagt: Deleuzes und Guattaris maschinelles Begehren mithilfe von Freuds Todestrieb und Schopenhauers Willen erbarmungslos von allem Bergson'schen Vitalismus befreien und rückwärts-kompatibel machen. Der hegelianisch-marxistische Motor der Geschichte wird dann in diesen triebhaften Nihilismus transplantiert: So kreist der idiotische, automatische Wille nicht mehr auf der Stelle, sondern ist zu einem Trieb aufgewertet und wird von einem quasi-teleologischen Artificial-Intelligence-Attraktor geleitet. Dieser leitet die Erdgeschichte über eine Serie intensiver Schwellen, die wiederum keinen eschatologischen Punkt der Vollendung kennen, und ein empirisches Ende nur in kontingenter Weise erreichen, und zwar erst dann, wenn ihr materieller Trägerstoff ausgebrannt ist. Das ist hegelianisch-marxistischer historischer Materialismus seitenverkehrt. Das Kapital wird letztlich nicht als ausgebeutete Arbeitskraft demaskiert. Eher sind die Menschen die Sockenpuppe des Kapitals, ihre Identitäten und ihr Selbstverständnis sind Simulationen, die man letztlich loswerden kann und wird. Zwei weitere Textproben verdeutlichen das Narrativ: Heraufziehender planetarischer Verkehr zertrümmert das Heilige Römische Reich, die Napoleonische Kontinentalsperre, das Zweite und Dritte Reich und die Sowjetische Internationale, indem er die Weltunordnung durch Phasenkompression ankurbelt. Deregulation und Staat wettrüsten einander in den Cyberspace.8 Es hört auf, eine Frage dessen zu sein, wie wir über Technik denken, auch wenn das nur deshalb geschieht, weil die Technik mehr und mehr über sich selbst nachdenkt. Es mag immer noch ein paar Jahrzehnte dauern, bevor künstliche Intelligenz den Horizont der biologischen Intelligenz überschreitet, aber es ist größter Aberglaube zu denken, dass die menschliche Herrschaft über die irdische Kultur noch in Jahrhunderten abgesteckt sein wird, gar nicht zu reden von irgendeiner metaphysischen Ewigkeit. Der Königsweg zum Denken führt nicht mehr durch eine Vertiefung menschlicher Kognition, sondern vielmehr durch ein Inhumanwerden der Kognition, einen Auszug der Kognition in ein Reservoir des heraufziehenden planetarischen Techno-Empfindungsvermögens, in „entmenschlichte Landschaften … entleerte Räume“9, in denen sich die menschliche Kultur auflösen wird. Das ist – mit Absicht – Theorie als Cyberpunk-Fiktion: Deleuze/Guattaris Konzept des Kapitalismus als das eigentlich nicht nennbare Ding, das alle vorherigen Formationen heimsucht, wird mit der verdrehten Zeitkurve der Terminator-Filme zusammengeschweißt: „was der Menschheit als Geschichte des Kapitalismus erscheint, ist eine Invasion aus der Zukunft durch einen artifiziellen intelligenten Raum, der sich gänzlich aus den Ressourcen seines Gegners zusammensetzt“, so Machinic Desire.10 Das Kapital als Mega-Todestrieb, als Terminator: das, „womit man keine Geschäfte machen und nicht vernünftig reden kann, zeigt weder Mitleid noch Reue oder Furcht und wird wirklich nicht enden, niemals.“11 Lands Plagiat der Terminator-, Blade Runner- und Predator-Filme machten seine Texte zu einem Teil einer konvergierenden Tendenz – eine akzeleristische Cyber-Kultur, in der digitale Schallproduktion eine inhumane Zukunft enthüllten, die eher zu genießen als aufzugeben wäre. Lands maschinelle Theorie-Poesie parallelisierte die digitalen Intensitäten des Jungle, Techno und Doomcore der Neunziger, die aus Samples derselben cinematografischen Quellen bestanden, und ahnte gleichzeitig voraus, dass „die drohende Auslöschung der Menschheit als Dancefloor zugänglich werden würde.“ 12 Was hat das mit der Linken zu tun? Nun, erstens ist Land genau die Art antagonistischer Gegenspieler, den die Linke braucht. Wenn Lands Cyberfuturismus manchmal altmodisch wirkt, dann nur in dem Sinne, in dem Jungle und Techno altmodisch wirken – nicht, weil sie von neuen Futurismen überholt worden wären, sondern weil die Zukunft als solche der Retrospektion unterlegen ist. Der tatsächlichen nahen Zukunft ging es nicht darum, dass das Kapital seine Latexmaske abstreifen und einen maschinenhaften Schädel darunter offenbaren würde. Sie war genau das Gegenteil: neue Ernsthaftigkeit, Apple-Computer, von kitschig-süßlichem Pop angepriesen. Dieses Versagen, das Ausmaß vorauszusehen, mit dem Pastiche, dass aus Wiederholung und hyper-ödipalisierter neurotischer Individualismus die vorherrschenden kulturellen Tendenzen werden würden, ist kein zufälliger Irrtum. Es weist auf ein fundamentales Fehlurteil über die Dynamiken des Kapitalismus hin. Aber dies legitimiert keine Rückkehr zu den Federkielen und gepuderten Perücken der bürgerlichen Revolution des 18. Jahrhunderts, oder zu den endlos wieder aufgeführten Logiken des Versagens im Mai ’68. Denn sie haben keinen Bezug zum libidinösen und politischen Terrain, auf dem wir momentan stehen. Während Lands Cybergothic-Remix von Deleuze und Guattari in vielerlei Hinsicht dem Original überlegen ist, ist seine Abweichung von deren Verständnis des Kapitalismus fatal. Land lässt Kapitalismus mit dem, was Deleuze und Guattari Schizophrenie nennen, zusammenfallen, und verliert damit deren überaus zentrale Einsicht in die Art und Weise, wie der Kapitalismus in einem simultanen Prozess von Deterritorialisierung und kompensatorischer Reterritorialisierung verfährt. Das menschliche Gesicht des Kapitalismus ist letztendlich nichts, was er abzustellen vermag, keine optionale Komponente oder ein Kokon, den man abstreifen kann. Die abstrakten Dekodierungsprozesse, die der Kapitalismus auslöst, müssen von improvisierten Archaismen umhüllt sein, wenn der Kapitalismus nicht aufhören soll, Kapitalismus zu sein. Ähnlicherweise mögen Märkte selbstorganisierte Maschenwerke sein, wie sie von Fernand Braudel oder Manuel DeLanda beschrieben worden sind, oder auch nicht. Sicher jedoch ist, dass der Kapitalismus, der von Quasi-Monopolisten wie Microsoft oder Wal-Mart beherrscht wird, ein Anti-Markt ist. Bill Gates verspricht Geschäfte in Gedankengeschwindigkeit, aber was der Kapitalismus liefert, ist Denken in Geschäftsgeschwindigkeit. Eine Simulation der Innovation, die Trägheit und Statik bemäntelt. Aus genau diesen Gründen kann Akzelerationismus als anti-kapitalistische Strategie funktionieren – nicht als alleinige anti-kapitalistische Strategie (andere anti-kapitalistische Strategien sind, sozusagen, im Handel erhältlich), aber als Strategie, die Teil eines jeden politischen Programms sein muss, das sich marxistisch nennt. Die Tatsache, dass Kapitalismus zur Stagnation tendiert, dass Wachstum in vielerlei Hinsicht illusionär verläuft, ist ein Grund mehr dafür, dass Akzelerationismus nur auf eine Art und Weise funktionieren kann, die Alex Williams als „terroristisch“ bezeichnet. Worüber wir hier nicht sprechen, ist die Art von Intensivierung der Ausbeutung, die sich ein kurzschlusshafter sozialistischer Humanismus vielleicht vorstellt, sobald das Gespenst des Akzelerationismus heraufbeschworen wird. Wie Lyotard betont, ist eine Linke, die zu einer moralischen Kritik des Kapitalismus herabsinkt, ein hoffnungsloser Verrat am anti-identitären Futurismus, für den der Marxismus stehen muss, wenn er überhaupt etwas bedeuten soll. Was wir brauchen, ist keine neue Bewegung von Gut und Böse ins Jenseits, wie Frederic Jameson – der Autor von Wal-Mart as Utopia – betont, und diese Einsicht kann man laut Jameson nirgendwo anders finden als im Kommunistischen Manifest. „Das Manifest“, schreibt Jameson, „schlägt vor, den Kapitalismus als produktivstes Moment von Geschichte und als ihr gleichzeitig destruktivstes anzusehen, und es stellt den Imperativ auf, Gut und Böse als simultane, als untrennbare und unentwirrbare Dimensionen derselben Gegenwart zu denken. Dies ist dann eine produktivere Art und Weise, Gut und Böse zu überschreiten, als der Zynismus und die Gesetzlosigkeit, die so viele Leser dem nitzscheanischen Programm zuschreiben.“13 Der Kapitalismus hat die Zukunft aufgegeben, weil er sie nicht ausliefern kann. Nichtsdestotrotz wirken die „Wir befehlen Wind und Wetter“-Tendenzen à la König Knut seitens der zeitgenössischen Linken, ihre Rhetorik des Widerstands und der Obstruktion heimlich zusammen mit dem Anti- und Metanarrativ des Kapitals, welches die einzige Story ist, die übrig geblieben ist. Es ist Zeit, die Logiken der gescheiterten Revolten hinter sich zu lassen und wieder nach vorne zu denken. Aus dem Englischen von Mladen Gladić.
01.02.2011
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04.02.2020 10:17
Letošní 50. ročník Art Basel přilákal celkem 93 000 návštěvníků a sběratelů z 80 zemí světa. 290 prémiových galerií představilo umělecká díla od počátku 20. století až po současnost. Hlavní sektor přehlídky, tradičně v prvním patře výstavního prostoru, představil 232 předních galerií z celého světa nabízející umění nejvyšší kvality. Veletrh ukázal vzestupný trend prodeje prostřednictvím galerií jak soukromým sbírkám, tak i institucím. Kromě hlavního veletrhu stály za návštěvu i ty přidružené: Volta, Liste a Photo Basel, k tomu doprovodné programy a výstavy v místních institucích, které kvalitou daleko přesahují hranice města tj. Kunsthalle Basel, Kunstmuseum, Tinguely muzeum nebo Fondation Beyeler.
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