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Vom Plagiat und den Grenzen der Kunst: María Alós
Zeitschrift Umělec
Jahrgang 2007, 2
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Vom Plagiat und den Grenzen der Kunst: María Alós

Zeitschrift Umělec 2007/2

01.02.2007

Mariana David | diebesgut | en cs de es

Von der Serie „Incognito“ (2000-2005) – in der sie ihr eigenes Netzwerk von Sammlern aufgebaut oder mit ihren kleinen Selbstbildnissen Museumshallen wie die des Museum of Modern Art oder des New Museum of Contemporary Art in New York infiltriert hat – bis zu ihren Arbeiten wie „Untitled Intervention“ (2001), in der sie die Besucher einer akademischen Veranstaltung gemäß ihrer Beziehung zum Kunstbetrieb einteilte (Funktionär, Verkäufer, Käufer etc.), hat Maria Alós immer verstanden, dass ein Künstler zu sein und Kunst zu machen bedeutet, dass man die Strategien verstehen muss, die Kunst ausmachen. Schon ihre ersten Arbeiten zeigen ein Interesse daran, das System, mit dem Kunst sich ihrer selbst versichert und erzeugt, aufzufinden, aufzuzeigen und auszunutzen. Was ist es, das der zukünftige Künstler machen muss, um Teil des Marktes, der Presse, der Institutionen zu werden? Wo lernt er, Teil dieser Nischen zu werden und doch gleichzeitig kritische Arbeiten oder ein ernsthaftes künstlerisches Angebot zu machen?
Im Jahre 2000, als sie den Masterstudiengang Visual Arts der Syracuse University im Bundesstaat New York studierte, präsentierte sie ein Abschlussprojekt, das, obwohl es den künstlerischen Diskurs über die Legalität hinaushob, die Widersprüche und Vertikalität des Systems offenbarte, als es plötzlich zu einem institutionellen Problem wurde.
Ihr Projekt „OBJECT-ionable: a temporal collection“ bezog sich auf das durch das Kunstsystem legitimierte Objekt und auf seinen Wert als ein Gut, das gesammelt werden kann. Sie stellte in der Ausstellungshalle17 Acrylboxen auf Wandregalen auf. Jede von ihnen enthielt Teile von Arbeiten anderer bekannter Künstler, darunter ein Lineal aus einer Installation von Cildo Mireles (Fontes, 1992), ein Haar, Buchüberreste und etwas Zellulose-Farbe von Rachel Whiteread (Library, 1999), einen Zuckerwürfel von Tom Friedman (Untitled, 1999) und einen Kitty-Ring von Tracey Emin (My Bed, 1999).
Das Ausstellungsblatt sagte, dass „OBJET-ionable: a temporal collection“ ein von Maria Alós kuratiertes Projekt ist; das Ergebnis eines Jahres von performativer Aktivität, die darin bestand, Kunstwerke bekannter, weniger bekannter und gerade erst beginnender Künstler zu sammeln. Alle Objekte dieses kuratorischen Projektes waren Teile eines größeren Arbeitszusammenhanges und wurden mit oder ohne Zustimmung der Autoren oder ihrer Galerien erworben.
Indem sie die Installation als eine kuratorische Arbeit entwarf, führte Alós die Arbeitsmethode ein, die sie seitdem weiterentwickelt hat: sie nutzt die verschiedenen Agenten, die miteinander interagieren, um das Kunstwerk zu legitimieren, als Elemente ihres eigenen Kunstwerks. In Projekten wie dem „Pedestrian Museum“ (2002-2006) wurden Fußgänger gebeten, ein beliebiges Objekt an das Museum zu spenden, das in verschiedenen Orten und Ländern ausgestellt werden und so eine Sammlung bereichern würde, die von den Künstlern Maria Alós und Nicolás Dumit Estevez (die auch als Hüter, Kuratoren, Museologen und Aufsteller fungieren) verwahrt wird.
In „OBJECT-ionable: a temporal collection“ wollte Alós den aus anderen Arbeiten entliehenen Objekten ihren ursprünglichen Status zurückgeben, also ihre Eigenschaft als weltliche Objekte, und sie mit einem neuen Wert ausstatten, indem sie erneut als Kunstobjekte innerhalb einer neuen Installation legitimiert werden. Nun würden diese Einzelteile selber Kunstwerke werden, aus eigenem Recht und mit einem neuen konzeptuellen Rahmen versehen. Nach Beendigung der Ausstellung wäre jedes Stück an seinen Autoren oder Besitzer (daher auch der Titel „Temporäre Sammlung“) zurückgeschickt worden, in deren Händen auch die Entscheidung gelegen hätte, ob sie wieder in ihre Originalarbeiten reinkorporiert oder als eigenes, individuelles Stück ausgestellt worden wären.
Kurz nach der Einweihung der Ausstellung wurden diese Stücke aus der Joe and Emily Lowe Gallery of Art der Syracuse University gestohlen. Die Diebe schrieben einen anonymen Brief an den Rektor und die höheren Chargen der Universität und sandten eine Kopie an all die Museen und Galerien, deren Werke Alós „usurpiert“ hatte.
Dieser Brief bezeichnete Alós Arbeit als ein untilgbares Verbrechen und versicherte, dass die Ausstellung sich über die „innersten Begriffe und Traditionen der Kunst lustig macht… indem sie Fragmente von Arbeiten präsentiert, die aus den prestigeträchtigsten Galerien und Museen New Yorks gestohlen wurden.“ Er stellt weiterhin fest, dass diese „Akte von Vandalismus die originalen Kunstwerke beschädigt und manche von ihnen für immer verändert haben“ und fuhr fort, dass „auch wenn Fräulein Alós ihre Aktionen mit künstlerischer Rhetorik bemäntelt, sie trotzdem in Wirklichkeit ein Verbrechen begangen hat, das eine direkte Verletzung des Verhaltenskodex für Studenten der Syracuse University darstellt.“
Es ist eigenartig, wie eine Abschlussarbeit, deren Hauptziel es war, die Ergebnisse einer wohl durchdachten und durchgeführten Arbeit zu präsentieren, mehr Drohbriefe als Pressemitteilungen hervorgebracht hat. Sofort erhielt Alós Briefe von den betroffenen Galerien, Verwarnungen von den Universitätsgremien und musste unzählige Versammlungen besuchen, in denen sie wie eine Verbrecherin behandelt wurde. Auf der Polizeiwache von Syracuse wurde Alós von einem Opfer zu einer Verdächtigen und umgekehrt, denn sie musste ja Objekte als gestohlen melden, die ihrerseits gestohlen worden waren.

„OBJECT-ionable“ nahm einige wiederkehrende Strategien in der Modernen Kunst auf; es setzte nicht die Erfindung neuer Formen von Kritik und künstlerischer Intervention voraus. Im Ausstellungsblatt bezog Alós sich auf einen performativen Akt und verstand also den Diebstahl oder die Leihnahme als einen wichtigen Part des Projekts. Rechtlich gesehen war die Entnahme der Stücke nicht strafbar, denn in den Versicherungsverträgen der Originalkunstwerke waren diese Materialien als ersetzbare Güter klassifiziert. So hatte der Ring, der der Installation von Tracey Emin entnommen war, einen Gesamtwert von drei US-Dollar auf dem Straßenmarkt.
Diese unerwartete Reaktion beunruhigte Alós. Die Universitäten lehren die Arbeitsweise und die Methoden des übertretenden – sogar skandalösen – Künstlers, aber zum Schluss unterstützen sie ihre Studenten nicht, wenn jene diese Arbeiten zu Ende bringen und ein Problem auftaucht. Einige Professoren hatten ihr sogar Material für ihr Projekt besorgt, ganz abgesehen davon, dass sie das Semester über durch Texte und Essays, die Alós abgegeben hatte, über den Inhalt ihres Projektes informiert waren. Diese Krise demonstrierte den Mangel an Kongruenz zwischen den Postulaten der Universität, ihrem Geist der Avantgarde, und den Grenzen ihrer Legimitation. Schlussendlich unterstützte die Universität eine Arbeit nicht, die in ihren Räumen entwickelt und präsentiert worden war.
Alós musste sich vor der Rückgabe der Objekte und Arbeitsteile bei allen Galerien und Museen entschuldigen. Als ob dies nicht genug wäre, endete die Bewältigung der Krise damit, dass die anonymen Diebe die Materialien, sorgsam eingepackt, zurücksandten und – nachdem sie Alós beschuldigt hatten, eine Kriminelle, unwürdig und fernab jeden künstlerischen Verdienstes zu sein – öffentlich erklärten, dass Alós’ Projekt erst durch sie wieder zu einem solchen gemacht wurde, indem sie die Rückholung des Raubes von Kunstwerken zu einem intrinsischen Teil des Projektes gemacht hatten. Außerdem erklärten sie, dass die Objekte nicht entnommen worden waren, um der Künstlerin zu schaden.
Dieser doppelte Akt von Vandalismus, der Anschuldigungen, Besuche bei der Polizei und Diebstahlanzeigen hervorgerufen hatte, wurde als eine Antwort auf die Arbeit von Alós begangen, um die Unzulänglichkeit der Sicherheitsvorkehrungen in der Lowe Gallery aufzuzeigen und gleichzeitig die konfusen Aktionen eines Künstlerkollektivs selber zu bewerben. In ihrem anonymen Brief beteuerten diese Verteidiger der künstlerischen Integrität, dass die gestohlenen Kunstwerke unwiederbringlich beschädigt worden waren. Diese ausgeklügelte Bewertung des künstlerischen Objekts ist eine sehr widersprüchliche Aussage, wenn sie von Dieben kommt, die augenscheinlich ihre Handlungen mit konzeptuellen Frameworks (nicht Objekt-bezogenen) und Interventionen in die Arbeit anderer Personen rechtfertigen.
Davon abgesehen, dass es die ursprünglichen Erwartungen übertraf, ermöglichte das Ergebnis des Projektes „OBJECT-ionable“ zu erkennen, dass die Legitimierung eines Kunstwerks über die Besetzung physisch-institutioneller Räume hinaus geht, dass sie der Aneignung durch Dritte unterliegt und immer auch von den politischen Umständen und ideologischen Faktoren abhängt.
Die Grenzen der Kunst
Im Jahre 2003, während der 50. Venezianischen Biennale, sagte der spanische Staatssekretär für Internationale Zusammenarbeit, Miguel Angel Cortés, dass die Grenzen der Kunst das Budget und das Gesetz sind. Dieser Staatsdiener war gerade dabei, einen nationalen Pavillon mit dem versteckten Wort „Spanien“ zu eröffnen, zu dem der Zugang auf Personen, die einen gültigen spanischen Pass vorzeigen konnten, beschränkt war.1
Im selben Jahr zeigte Alós ein weiteres Mal, was sich hinter den Kräften, die über das Kunstwerk, seine Schöpfung und Ausstellung walten, verbirgt. Das Projekt „MHN: Evaluation Journey“ identifizierte die beschädigten Orte des Museums für Naturgeschichte von Mexiko-Stadt mithilfe von vier Kategorien. Zeichen in verschiedenen Farben markierten Orte, die wegen mangelnder Wartungsarbeit beschädigt waren; Schäden an der Sammlung, die aufgrund von schlechter Aufbewahrung entstanden waren; Zonen, die von der Feuchtigkeit im Gebäude beschädigt waren sowie gefährliche Gebiete, die Unfälle verursachen könnten. Das Ziel der Intervention war es, ein Bewusstsein für die Probleme des Museums zu schaffen und die Unterfinanzierung der mexikanischen öffentlichen Einrichtungen zu zeigen. Der Vorstand des Museums für Naturgeschichte entschied beleidigt, dass das Werk drei Stunden vor der Einweihung abgebaut würde und begründete dies mit „institutionellen Problemen“.
Budget und Recht werden von Institutionen ausgeübt – d.h. von den Personen, die sie leiten. Auf sie wirken Interessen und Kriterien, die das Recht interpretieren und das Geld verteilen. Diese Mechanismen kommen in der Arbeit Alós zu Lichte, sie treten aus dem Privaten ins Öffentliche und erfassen dabei auch die Künstlerin, die ihre Machtposition freimütig akzeptiert.



1 Santiago Sierra, Palabra tapada y Muro cerrando un espacio (Ein verstecktes Wort und eine Mauer, die den Raum abschließt), Spanischer Pavillon, Biennale von Venedig, Italien, Juni 2003.




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