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Sylvie Brodi
Zeitschrift Umělec
Jahrgang 2007, 1
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Sylvie Brodi

Zeitschrift Umělec 2007/1

01.01.2007

Jiří Kovanda | vorgestellt | en cs de

Sie hatten kein Wort mehr miteinander gesprochen, seit sie aus ihrem Stammlokal heimgekommen waren – dem Restaurant, in das sie jeden Freitag mit Freunden gingen, mit denen sie sich seit der Oberschule fast regelmäßig trafen. Selbstverständlich schliefen die Kinder längst. Sie duschten sich.
Dann ließ er sich im Salon in den bequemen Sessel fallen. Gewöhnlich machte er sich noch den Fernseher an, wenn er so spät heimkam und etwas getrunken hatte, egal was gerade lief, und trank ein Schnäpschen. Heute nicht… man kann nicht behaupten, der Abend wäre misslungen. Sie saßen an ihrem Tisch hinter dem großen Gummibaum und unterhielten sich. Alles verlief, wie es sollte, beschaulich und zufrieden; genau wie immer.
Er stand auf, ging, ohne sich den Überrock umzuhängen, in den Garten, öffnete das Gartentor und machte sich auf in die Nacht. Auf einmal befand er sich in einer anderen, unbekannten Welt. Unbekannt? Hatte er sie doch schon oft gesehen, schließlich war er oft dort, meist in den kurzen Augenblicken vor dem Einschlafen. Er überlegte nicht, nahm nur wahr, spürte, dass er wohl etwas Außergewöhnliches erleben sollte, etwas, das voller Schönheit war. Vielleicht hätte er sich in diesem Augenblick nicht geschämt zu sagen: Ich sehne mich. Obwohl … nein, nein, er wollte doch nur etwas ganz unbedeutendes, aber ungewöhnliches, etwas womöglich sehr, sehr kurzes, das man aber nie wieder vergisst …
Es ist wie in einem Bild, fuhr es ihm durch den Kopf. Ist die Kunst selbst dieser Weg, oder fordert sie auf zu ihm? Oder ist all das lediglich ein Surrogat für das, an dem es uns mangelt? Ist gute Kunst immer Selbsttherapie? Vermutlich. Der Künstler wird daran gemessen, wie stark er in der Lage ist, einen umso größeren Kreis derer zu erreichen, die auf ein solches Signal warten. Aber Vorsicht bei den sehr auffälligen Wegweisern mit zu gut lesbarer Schrift!
Jetzt ging er bereits durch den Wald, es nieselte leicht. Von weitem drangen Stimmen nächtlicher Wesen herüber, die sich in das Geflecht des Unterholzes geduckt versteckten. Es war ein Laubwald, der immer dichter wurde. Er kämpfte sich durch die graugrüne Dämmerung … hielt inne. Etwas geschah. Die ganze Zeit geschah etwas. Es durchdrang ihn, war gleichzeitig Licht und Materie, Schwarz und Weiß. War es schmerzlich, oder eher wohltuend? War es Lust oder irgendeine seltsame Krankheit? Über seinem Haupt ein Engel, zu seiner Seite der Teufel.
Wohin führen all die undeutlichen Sehnsüchte? Zunächst die vielen Ausweichversuche und Ausflüchte, die vielen Wenn und Abers. Zuerst das ewige Zögern, dann die rasende Flucht, das Verdecken der eigenen Augen und dann das Blenden der Anderen. Wohin führt all das Entscheiden und Abwägen, all das Aufschieben und Abwarten? Man müsste doch einfach nur die Tür öffnen und hindurchgehen…
Er stand dort lange. Feine Tropfen raschelten im Laub und rannen über sein Gesicht. Er hob seine rechte Hand vor das Gesicht und betrachtete sie. In diesem Moment kam ein Vogel angeflogen … ein kleiner Vogel, vielleicht ein Fliegenschnäpper, vielleicht ein Zeisig, vielleicht war er auch nicht von dieser Welt; und setzte sich auf seine Fingerspitzen.






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