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Zeitschrift Umělec
Jahrgang 2007, 1
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Zeitschrift Umělec 2007/1

01.01.2007

Lenka Dolanová | videokunst | en cs de

„Es war generell so, aber ganz besonders in Chicago, wo es eine Menge gemeinsamer Ziele gab, großer Ziele; eine Unzahl gemeinsamer Ausstattung und Ressourcen“ (Dan Sandin)

„Videokunst ist nicht die Mona Lisa, aber sie macht auf ihre eigene Art Spaß.“
(Phil Morton)



Die so genannte Chicagoer Schule galt in den Siebziger Jahren als einer der interessantesten Orte für Videoexperimente und schaffte es als Gemeinschaft, im Vergleich mit dem bekannteren New Yorker Kreis, länger zu überleben.

Der Videokünstler Woody Vasulka erwähnt die Chicagoer Akteure in einem den Pionieren der Videoart gewidmeten Katalog. Er schreibt dort etwas geheimnisvoll: „Immer wirkten sie sehr selbstsicher, voller Selbstvertrauen und einzigartiger Kenntnisse. Ihre technologische Gemeinschaft war formvollendet, voller technosexueller Rituale, elektro-erotischer Praktiken und Geheimnisse, die trotz der Versessenheit auf eine freie Verbreitung des Wissens nie an die Öffentlichkeit gedrungen sind.“1

In einem Interview mit Phil Morten aus dem Jahre 1977 spricht er dann von einem „Chicagoer Phänomen“2. In Chicago war das Videoschaffen eng mit einer Bewegung für politische Veränderungen und dem Verlangen nach einer Reformierung der Bildung verbunden. Das eigentliche Kreieren der Videos war gleichzeitig Teil eines experimentellen Lebensstils. Ebenfalls im Jahre 1977 kam es dank der Bemühungen der beiden Videokünstler Phil Morten und Dan Sandin von der University of Illinois (UIC) zur Gründung des ersten Lehrstuhles für Videoart in Amerika. Man nannte diesen Lehrstuhl an der School of the Art Institute Chicago (SAIC) auch Video Area. Seine Tätigkeit konzentrierte sich hauptsächlich auf Systeme der elektronischen Visualisierung, mit denen durch Zuhilfenahme eines analogen Image Prozessors (I.P.), einer Erfindung von Dan Sandin3, experimentiert wurde. Zur gleichen Zeit gründete Dan Sandin mit Thomas DeFanti an der UIC das Programm Electronic Visualization Laboratory (EVL). Das EVL entstand als eine Art Schnittstelle zwischen dem technisch ausgerichteten College of Engineering und der School of Art & Design. Dieses Projekt bezeichnet sich auf seiner eigenen Internet Seite als die „älteste formale Zusammenarbeit zwischen dem Ingenieurwesen und den Künsten im Land“. Die Labors beschäftigten sich parallel auch mit Applikationen für Videospiel und der Erschaffung computergenerierter Hologramme. Die von Larry Cuba zwischen 1976 und 1977 für Star Wars produzierte Computergrafik entstand unter der Verwendung von Hard- und Software der EVL. Zurzeit bildet das EVL ein interdisziplinäres Forschungslabor, welches Kunst und Informatik kombiniert, um sich auf komplexe Visualisierungen und Netztechnologien zu spezialisieren4.

Eine weitere bedeutende Organisation war das Chicago Editing Center, ein Kollektiv von Politkunst Aktivisten, welches technische Unterstützung beim Videoschnitt anbot. In diesem Zusammenhang muss außerdem noch die Video Data Bank (VDB) erwähnt werden. Sie sitzt im dritten Stock der SAIC und beheimatet eines der wichtigsten Sammlungen von Videokunst weltweit. Gleichzeitig gehört sie neben der New Yorker Electronic Arts Intermix zu den führenden Vertrieben. Offiziell gegründet wurde die Video Data Bank im Jahre 1976 von Lyn Blumenthal und Kate Horsfield, ihrer jetzigen Direktorin. Ihre Entstehungsgeschichte ist so unkonventionell, wie die vieler ähnlicher Institutionen. Alles begann in einem Raum mit dem Zusammentragen aller je in der Schule entstandenen Arbeiten. Ein bedeutendes Tätigkeitsfeld der daraus hervorgehenden VDB bestand darin, Aufnahmen zu machen von Künstlern und Theoretikern, die in der Schule Vorträge hielten. Später kamen auch Künstler außerhalb der Schule hinzu. Zugleich wurde der Fokus verstärkt auf den Vertrieb von Videos gerichtet. Die VDB ist unter anderem Herausgeber der Serie „Surveying the First Decade. Video Art and Alternative Media in the United States“. Auf neun VHS-Kassetten mit insgesamt 17 Stunden Material werden dort von Christiane Hill die bedeutendsten Werke aus den Anfängen der Video Art zusammengefasst. Die VDB ist der Öffentlichkeit frei zugänglich. Jeder hat die Möglichkeit die Werke vor Ort gratis anzuschauen oder gegebenenfalls auszuleihen5.

In Chicago fanden jedes Jahr mehrere kollektive Videoaktionen statt. Dabei werden die Videos an den Schulen, bei den Autoren zu Hause oder in Bars gezeigt. Nach einer Aussage von Kate Horsfield in einem Interview für Criticalartware war damals der einzige Distributionsweg das so genannte „bicycling“, also der Transport der Bänder von Ort zu Ort mit dem Fahrrad: „Jemand schickte Phil Morton ein Tape, und er lud alle zu sich ein, um es sich anzusehen.“6 Austausch und Zusammenarbeit waren eine Notwendigkeit, da man sich die benötigte, technische Ausstattung teilen musste. Der Preis eines Aufnahmegeräts für die aufbereiteten Bänder war vergleichbar mit dem eines Automobils. Einzelne Personen konnten höchstens ein einzelnes Gerät erwerben oder modifizieren, keinesfalls aber eine Ausstattung für den kompletten Produktionsablauf.

DAN SANDIN
Dan Sandin (1942) ist ein herausragender Vertreter der Künstler-Entwerfer, die sich mit der Entwicklung eigener Bildbearbeitungsgeräte beschäftigten. Nachdem er sein Physikstudium an der University of Wisconsin abgeschlossen hatte, ging er 1969 an die UIC und verfolgte das Ziel, rechnergestützte Gestaltung in den Studienplan zu integrieren. Anfangs beschäftigte er sich mit Fotografie, experimentierte dann mit Video und computergenerierten Hologrammen, und programmierte Echtzeit-Anwendungen. Ihn beeinflussten Werke von Eric Siegel und Nam June Paik, welche sich als erste mit der Manipulation des elektrischen Signals befassten, hauptsächlich aber der Film „Off/On“ von Scott Bartlett von 1969. Dieser „Videofilm“ kombinierte auf innovative Weise Video und Filmtechnik: „Es war in gewissem Sinne ein Schlüsselmoment. Die Abteilung Filmwissenschaften an der University of Wisconsin hatte abends eine öffentliche Vorführung mit freiem Eintritt. Es gab dort eine Serie von Experimentalfilmen, Fischinger, Animationsfilme, vielleicht Disney, viele abstrakte Animationsfilme, welche mich ziemlich beeindruckt haben. Aber wirklich persönlich berührt hat mich der Film „Off/On“; dieser hat mich letztendlich dazu bewegt, das tun zu wollen, was ich nun tue. Ich sagte mir: Das ist großartig, genau so etwas möchte ich machen.“7 Zu seiner theoretischen Beeinflussung kommt neben Marshall McLuhan das Werk des Architekten und Theoretikers Buckminster Fuller oder der Personenkreis um die Zeitschrift „Radical Software“. Diese wurde seit 1970 von der „Raindance Corporation“ herausgegeben, einer Gemeinschaft von Künstlern, Schriftstellern und radikalen Medien-Visionären. Ihr Ideal war die Verwirklichung eines alternativen Informationssystems, hervorgegangen aus der Kombination von Technologie, Kunst und Gesellschaftswissenschaften. Alle Schaffenden verband die Vorstellung, es handele sich um das Erfinden einer bestimmten Art radikal andersartiger bis dato nicht realisierter Dinge; die Instrumente zur Echtzeit-Verarbeitung von Videos standen bis dahin nämlich nicht zur Verfügung.

PHIL MORTON
Phil Morton (1945-2003) lehrte seit 1969 an der School of the Art Institute, dort kümmert sich heute der Künstler und Pädagoge Jon Cates mit seinen Studenten um die Verwaltung seines Archives. Morton war ursprünglich an der Entstehung der Video Data Bank beteiligt. 1974 gründete er „P-Pi´s“ oder auch „Pied Piper Interactioning System“ als Kabelfernsehsender in South Haven (Michigan); später gab er in seiner eigenen Produktionsfirma “Greater Yellowstone News“ unter anderem auch seine eigenen Videotapes mit Berichten aus dem Leben in der Wildnis heraus. Mortons Reiselust und Liebe zur Natur formten gewissermaßen seinen Zugang zum Medium Video. Während seiner zahlreichen Reisen per Lastwagen durch Amerika entstanden viele dokumentarische Aufnahmen, die er dann als Grundstock für seine Videokompositionen verwendete.8 Die so genannten „Reisetapes“, entwickelt in der Zusammenarbeit mit Jane Veeder, verbinden reale Aufnahmen (oft verschiedentlich nachbearbeitet) mit Computergrafik und Elementen aus der Videoart, oft unterlegt mit unabhängigen, realen Tonaufnahmen, Ausschnitten aus Fernsehinterviews, Vorträgen und Performances, ungezwungenen Gesprächen mit Freunden über die ersten Videoexperimente, Demos früher Videospiele und Ähnlichem. Die Mehrzahl der Videobänder, die ich ansehen konnte, bestachen durch ihre Verspieltheit und mit ihrer Sehnsucht nach einer selbstreflektierenden Bestandsaufnahme der technischen Standards sowie der experimentellen Möglichkeiten. Der Anfang von „SAIC Memo“ aus dem Jahre 1978 zeigt eine Zufallsabfolge von Schlüsselbegriffen: Philosophie, Neuroelektronik, copyright, digitaler Computer und analoges Video, digitales Video usw.; diese münden in dem Ausspruch „We are all star stuff“. Es folgen Fernsehnaufnahmen eines Interviews mit Timothy Leary, der von „Psychodelischer Wahrnehmung“ und „Kosmischer Migration“ spricht. Diese Aufnahmen sind mit Hilfe des I.P. nachbearbeitet (ähnlich wie Learys Vorstellung von der Tätigkeit eines Philosophen „to shake thinks up“ „schütteln“ die Künstler ihre Bilder). All dies wird überlagert mit den Einblendungen lila pulsierender Bilder von Phil und Jane, mit Aufnahmen des lachenden, sich auf dem Rücken im Gras wälzenden Phil und wiederholt mit Bildern von Büffeln in der Wüste, die in elektronische Sphären überleiten.9

I.P. (Image Processor)
Anlässlich einer viermonatigen „Initiations-Reise“ durch Amerika, während der Dan Sandin 20000 Meilen mit dem Motorrad zurücklegte, wurde ihm klar, dass die Ziele, die er bisher in Fotografie und Film verfolgt hatte, im Videobereich nur mit Hilfe eines speziell ausgerichteten Videogerätes erreicht werden könnten. In den Jahren 1971-1973 entwarf und konstruierte er also den Image Processor, einen analogen Rechner zur Verarbeitung von Videobildern, angeregt durch Erfahrungen mit Musik Synthesizern, konkret dem Modell Moog Model 2 (MM2): „Gedanklich entstanden war der I.P., indem ich mich fragte, wie man einen MM2 verändern müsste, um aus ihm ein Gerät zur Bildverarbeitung zu machen.“ Es entstand also ein Äquivalent zum analogen Musik Synthesizer, angepasst für die Bildverarbeitung in Echtzeit. Dieses Gerät war mit Hilfe untereinander kombinierbarer Felder programmierbar (patch programmable) und sollte, da jedem einzelnen zugänglich, eine Alternative zu den großen Fernsehnstudios werden. Nachdem Sandin die erste Version des Gerätes konstruiert hatte, kam Phil Morton auf ihn zu und wollte für sich eine Kopie anfertigen. Da jedoch Sandin selbst den Bauprozess nicht mehr nachvollziehen konnte, war es nicht wiederholbar und sie einigten sich darauf, gemeinsam daran zu arbeiten und parallel ein Handbuch zu entwickeln für weitere potenzielle Interessenten. Im Verlauf der folgenden Jahre entstanden an die zwanzig Duplikate, einige davon sogar um neue Module erweitert. Sandin machte die Baupläne für ein Entgelt von fünf Dollar zugänglich, dies deckte die Kosten für Kopie und Verschickung. Für eine Gerätekopie baten sie lediglich um ein damit gestaltetes Videotape zur Ansicht. Der I.P. wurde somit als Open Source frei zur Verfügung gestellt, und Dan Sandin gab das Manifest „Distribution Religion“ heraus, um die Verbreitung der Kopien zu unterstützen. Der I.P. wurde zum zentralen Experimentierwerkzeug der Chicagoer Videoszene; allein in Chicago wurden an die 15 Geräte benutzt.

Die erste, technische Präsentation des I.P. führten Dan Sandin mit Tom DeFanti auf dem erstmals stattfindenden Festival „Siggraph“ (1974) durch, mit dem Titel „Computer Graphics as a way of life“. Sandin äußerte, er habe tatsächlich das Gefühl, dass dieses Instrument in der Lage sei, das Leben komplett zu verändern. Zur Umsetzung künstlerisch/technischer Visionen werden die Geräte nach Notwendigkeit erweitert; daraufhin kommt es beim Arbeiten mit diesen „erweiterten“ Geräten zur Erweiterung der eigenen imaginären Fähigkeiten, was wiederum das weitere Schaffen beeinflusst. Nach Aussage von Dan Sandin wurde genau dieses technische Anpassen durch die Praktizierenden zu einer Chicagoer Eigenart. Die Akteure in Chicago waren von der Notwendigkeit überzeugt, ein Verständnis für die Technik zu entwickeln, um mit dieser Kenntnis für das Medium einzigartige, neue Geräte bauen zu können. Zur selben Zeit tauchten noch weitere Geräte auf, welche oft die gleichen Eigenschaften besaßen. So zum Beispiel der analoge Synthesizer „Rutt/Extra“(Bill Extra/ Steve Rutt), welcher strukturell dem I.P. glich. Beide Geräte konnten aber kombiniert werden, um sich die Vorteile beider zunutze zu machen. Zusätzlich konnte man sie derart umprogrammieren, dass sie Dinge taten, an die ihre Entwerfer nie dachten. Die Mehrzahl der übrigen Geräte war enger spezialisiert und lediglich zur Durchführung einer einfachen Funktion konstruiert.

VIDEO PERFORMANCE
Der I.P. bot bislang nicht erreichte Möglichkeiten der Bildmanipulation. Er erlaubte die Herstellung und Umwandlung von Video- und Audiodaten und wurde bei audiovisuellen Live-Performances verwendet. Dabei nahm er die heutige VJ-Praxis weit vorweg, bei der Applikationen wie Max/MSP verwendet werden. Dan Sandin betont den Unterschied des I.P. zu modernen digitalen Geräten, welche wesentlich weniger haptisch sind: So fehlt die Möglichkeit, damit als physischem Gegenstand zu agieren, also ein Zugang, der dem Spiel auf einem Musikinstrument gleicht. Die Videogestaltung mit dem I.P. schloss den Prozess der Improvisation mit ein, und die erfolgreichsten Aktionen der Chicagoer Community wurden die Performances. Der Live-Aspekt des frühen Videos war zu einem gewissen Grad dadurch bedingt, dass es keine Programme zur Konservierung der Bilder gab. Das Mixen einzelner Bänder konnte nur live durchgeführt werden, und so luden die Geräte geradezu zum Improvisieren ein. Dan Sandin erklärte: „Wenn man in den 70er Jahren ein Videotape machen wollte, holte man sich alle Freunde zusammen und machte das Tape; es war wie ein gemeinsames Mittagessen. Es war alles live, es war alles ein Herantasten und am Ende der Session war es dann irgendwie fertig. Jetzt ähnelt die Videokunst eher dem Filmemachen.“ Berühmt wurde eine Serie von Video/Computer Performances unter dem Namen „Spirale“, welche von 1975 bis 1980 an der UIC im Rahmen der EVE-Aktionen (Electronic Visualisation Event) durchgeführt wurden. Die Anfangslage bildete Elektronische Live-Musik verbunden mit einem improvisierten, pulsierten Abbild einer Spirale auf mehreren Monitoren. Es entstand unter Verbindung des analogen I.P. Systems, bedient von der bunt-lebendigen Person Dan Sandin, und des rechnergestützten Grafiksystems von Thomas DeFanti. Der unkonventionelle Moderator dieser Abende war der bestechende Phil Morton und die Aufnahmen dieser Aufführungen wirkten wie ein geheimes Gemeinschaftsritual einer Sekte (dazu trugen auch die bizarren Kopfbedeckungen bei, welche zum Markenzeichen von Dan Sandin wurden), deren Ablauf vermutlich für immer in undurchdringlichem, haluzinösem, elektronischem Nebel verborgen bleiben wird. Ein wichtiges Merkmal für die Werke des Chicagoer Kreises ist eine ganz eigene Art von Selbstreflexion. Die Rückkopplung kann wie im Fall von Phil Morton über Videos stattfinden, deren Thema explizit die Dokumentation des eigenen Lebens- und Schaffensprozesses ist, oder über eine unmittelbare Reflexion im Video selbst. In dem fünfminütigen Tape „5minute Romp Through the I.P“ (1973) erläutert Sandin die Funktion seines Gerätes mit Hilfe einer manipulierten Abbildung seiner selbst.10

CHICAGO HEUTE
Gegenwärtig hat sich die Entwicklung in den Software-Bereich verlagert; auch hier gibt es wahre Nachfolger der Videoart Pioniere, die neue Möglichkeiten der Bildverarbeitung experimentell erkunden. In Chicago lebt nach wie vor eine nicht unbedeutende Gruppe von Künstler-Entwicklern, die im Open Source Bereich aktiv sind. Sie veranstalten Konferenzen und Festivals, wie z.B. das jährliche „Version Festival“, das sich auf die Synthese von Kunst, Technologie und Aktion konzentriert.
Höchst interessant sind die Forschungen der jungen Autoren aus dem Umkreis von Criticalartware, die sich in Nachfolge der Pioniertaten ihrer Vorgänger um einen neuen Mediendiskurs bemühen. Sie führen mit Schlüsselpersonen der frühen Elektronik-Kunst ebenso wie mit heutigen Experimentatoren Interviews durch, die im Internet zur Verfügung stehen als eine Art offene kulturelle Quelle; dabei beziehen sie sich auf den Ansatz von Sandin aus dem Manifest „Distribution Religion“. Jon Cates von Criticalartware schuf zu Ehren der Chicagoer Experimentatoren 2003 den Film „Old School Revolutionaries“, dem Andenken Phil Mortons gewidmet: Auf ein computergeneriertes Intro im Stil der Morton-Videos schließt sich eine rasante Schnittfolge aus Archivaufnahmen der frühen „Video Area“ an (neben Werken der bereits erwähnten Künstler sind es Aufnahmen von Performances und Ausschnitte aus Vorträgen von Gene Youngblood, Steiny und Woody Vasulkov und Barbara Buckner), bis auf die Begleitung mit elektronischer Musik ohne Kommentar. Criticalartware arbeitet eng mit der Galerie Busker zusammen, welche seit Januar 2006 in dem Chicagoer Viertel Pilsen beheimatet ist, in einem ehemaligen Blumengeschäft. In diesem nichtkommerziellen Raum, der seit August 2005 von Tamas Kemenczy und Nicholas O`Brien betrieben wird, sind die Chicagoer NewMedia Aktivisten angesiedelt. Hier finden Live-Performances statt, die mit dem Zusammenspiel von Ton und Bild experimentieren, sowie Ausstellungen, Videovorführungen, Diskurse, Hacker-Meetings etc. Die Aktivitäten von Criticalartware reflektieren also sowohl theoretisch als auch praktisch die Geschichte der elektronischen Kunst, wobei diese Inspiration mittels modernster Tools weiterentwickelt wird. Im Auffinden von Parallelen zwischen der frühen Videokunst-Bewegung und der Gegenwart von elektronischer Artware und NewMedia arbeiten sie an deren Verflechtung. Das Kartografieren der Anfänge von Artware und Videokunst kann dazu beitragen, bisher uneingelöste Technologieträume wieder aufleben zu lassen und ihre Realisierbarkeit mittels neuer Werkzeuge zu reflektieren.





1 In: Eigenwelt der Apparatewelt. Pioniere der Elektronischen Kunst. Linz: Ars Elektronica 1992, S. 132.
2 Viz. „Conversation with Woody Vasulka and Phil Morton recorded 11/20/77“, In: Vasulka Archives.
3 Phil Morton ebenda
4 www.evl.uic.edu
5 Viz. www.vdb.org
6 Kate Horsfield, Direktorin der VDB, im Gespräch für Criricalartware
7 Viz. Notiz unter 1.
8 Viz. Notiz unter 3, S.9.
9 Phil Mortons „General Motors“ aus dem Jahre 1976 kann unter http://fvnm.info/media/pmorton_GeneralMotors.mov angesehen werden.
10 Ausschnitte können unter www.vdb.org betrachtet werden.




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