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das Froch-steakZeitschrift Umělec 2007/101.01.2007 Petra Vargová | interview | en cs de |
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Gewebekunst („tissue art“) ist die Kunst, die Zellgewebe in Form von Statuen und anderen Objekten züchtet. Die australische Gruppe SymbioticA (www.symbiotica.uwa.edu.au) begann zuerst, mit Tiergewebe zu experimentieren. Sie ließen das Gewebe in die Form von halb-lebendigen Puppen oder die Form des Ohres des berühmten Künstlers Stelarc wachsen, oder sie schufen Vogelflügel aus dem Gewebe von Schweinen. Mit dem Projekt „disembodied cuisine“ verspricht er, das Problem der Vegetarier zu lösen, die Fleisch wegen der Gewalt an Tieren nicht essen. SymbioticA präsentierte sich im November auf der Prager Ausstellung bioart, die sich mit dem Überschneiden von Kunst und Wissenschaft auseinandersetzte und als Begleitprogramm der Wissenschaft- und Technikwoche der Tschechischen Akademie der Wissenschaften parallel zu dem Festival TransGenesis (www.transgenesis.cz) stattfand. Petra Vargová sprach mit Oron Catts, dem Mitbegründer und Kunstdirektor des Instituts SymbioticA.
Petra Vargova: Sie kommen aus Australien. Wie ist die zeitgenössische Kunstszene dort? Wie ist es, ein Künstler aus Australien zu sein? Oron Catts: Wir sitzen in Perth, in Westaustralien. Perth ist die am meisten isolierte Großstadt der Welt und liegt an der Westküste Australiens, weit weg von den großen Städten Australiens, die sich alle an der Ostküste befinden. Weil Perth so isoliert ist, ist die Kunstszene recht anders als im Rest Australiens. Perth verfügt über eine sehr vibrierende und unabhängige Szene der Neuen Medienkunst. Durch das Institut SymboticA hier in Perth werden viele internationale Künstler angezogen, die das kulturelle Leben hier wiederrum bereichern. Würden Sie uns als Mitbegründer und künstlerischer Leiter der SymbioticA (Art Science collaborative Laboratory, School of Anatomy & Human Biology, University of Western Australia) erklären, worauf sich SymbioticA konzentriert und wer hier arbeitet? SymbioticA ist das erste Forschungslabor seiner Art weltweit. Es ermöglicht Künstlern, sich mit praktischen Biotechniken an einem biologischen Institut zu beschäftigen. SymbioticA hat sich daran gemacht, einen Ort zur Verfügung zu stellen, an dem interdisziplinäre Forschung und andere wissens- und konzepterzeugende Aktivitäten stattfinden können. Es bietet Forschern die Möglichkeit, ihre aus Neugier getätigten Erkundungen betreiben zu können, indem sie zwar gewisse Regularien einhalten müssen, aber nicht den Forderungen oder Hemmnissen ausgesetzt sind, die man mit der heutigen, wissenschaftlichen Forschung verbindet. SymbioticA bietet gleichzeitig eine neue Art der künstlerischen Recherche, in der Künstler sich des Handwerkszeugs und der Technologien der Naturwissenschaften bedienen, und zwar nicht nur um sie zu kommentieren, sondern um ihre Möglichkeiten zu erkunden. SymbioticA ist ein künstlerisches Forschungslabor innerhalb eines Instituts für Biologie. Die hier betriebene Forschung hat ihren Schwerpunkt in der praktischen Erforschung verschiedener Grade der Manipulation von lebenden Organismen aus einer künstlerischen und kulturellen Perspektive. Im Rahmen dieser Arbeit hat SymbioticA verschiedene Programme entwickelt. Wir bieten ein residence programme für Künstler und Wissenschaftler an, ein Graduiertenprogramm, Studieneinheiten für Studierende, wir organisieren Workshops, Symposien und Ausstellungen. Im Augenblick haben wir mehr als 30 “residents”, die hier an Projekten in so unterschiedlichen Gebieten wie Molekularbiologie und Genetik, Tierzucht, Pflanzenzucht, Pilzkulturen, Bakterien, Zellen und Gewebe sowie Arbeit mit Tieren und Ökologie arbeiten. SymbioticA betreibt einige Haupt-Forschungsprojekte wie etwa das Gewebekultur- und Kunst-Projekt und die SymbioticA Forschungsgruppe. Können Sie uns ein wenig über die Position von Künstlern in einem Labor erzählen? Wie verändert es deren Wahrnehmung der Kunst, wie beeinflusst es die dort arbeitenden Naturwissenschaftler? Was ist der entscheidende Unterschied zwischen einem Künstleratelier und einem Labor? Das Einzigartige an SymbioticA ist, dass es wie ein Forschungslabor organisiert ist. Das heißt, der Künstler kommt als Forscher und wird genauso behandelt wie der promovierte Naturwissenschaftler. Die Idee ist, unseren Forschern (den Künstlern), die Möglichkeit zu geben, die Fähigkeiten, die sie für ihre Projekte brauchen, zu entwickeln. Dies beginnt mit einer Phase der Betreuung durch Mentoren, dann folgt eine Phase der intensiven praktischen Forschungsarbeit und des Lernens. Natürlich ist jeder Stipendiat anders und jeder entwickelt seinen eigenen Arbeitsweg, aber der Schwerpunkt liegt in der praktischen Arbeit – all unsere Forscher verbringen viel Zeit im Labor. Es ist schwierig zu beantworten, wie der Aufenthalt in SymbioticA die künstlerische Wahrnehmung unserer Stipendiaten verändert. Sie haben alle einen anderen Werdegang und befinden sich in verschiedenen Stadien ihrer Karriere. Einige haben schon an biologischen Projekten gearbeitet, während es für andere die erste Beschäftigung mit Naturwissenschaftlern ist. Es scheint, als kämen die meisten unserer Stipendiaten mit einem nicht traditionellen Blick auf Kunst und darauf, was ein angemessenes, künstlerisches Medium oder künstlerische Betätigung ist. Der Aufenthalt verändert vor allen die Wahrnehmung der Naturwissenschaft. Häufig (und das ist eine starke Verallgemeinerung) scheinen die Stipendiaten als erstes von der Neuheit (jedenfalls für sie) des wissenschaftlichen Labors und Arbeitsprozesses angezogen zu werden. Die Gestaltung des Labors zieht sie an, dann sind sie fasziniert von den neuen Kenntnissen und Prozessen, die sie lernen und denen sie ausgesetzt sind. Diese beiden Phasen manifestieren sich durch Dokumentationen des Labors und des Künstlers in der naturwissenschaftlichen Umgebung. Wenn sie es einmal aus ihrem Denksystem heraus bekommen haben, beginnen sie die Annahmen hinter der Produktion des naturwissenschaftlichen Wissens und dessen Anwendung in der Technologie anzuzweifeln. Einige unserer Forscher sind sehr technophil, während es anderen mehr um Erzählungen geht, die verschiedene naturwissenschaftliche und technische Eingriffe benötigen. Die Wissenschaftler ihrerseits gehen häufig von einem sehr einheitlichen Bild der zeitgenössischen Kunst aus. Sie gehen davon aus, dass alle Künstler mit traditionellen Medien arbeiten, und dass die Rolle der Kunst in der Illustration, und nicht in der Herausforderung, besteht. Da SymbioticA in einem naturwissenschaftlichen Institut einer Universität angesiedelt ist, wurden die dortigen Wissenschaftler mit zeitgenössischer Kunst vertraut gemacht und sind sich nun der Handlungsweise und der erzeugten Belange viel bewusster. Der wichtigste Unterschied zwischen einem Künstleratelier und einem Labor ist die Mannigfaltigkeit – vom Unterschied in der Ausrüstung und dem Material der Kunstproduktion, über den beständigen Dialog mit anderen Disziplinen, zum Ambiente, der Umgebung. Aber für mich liegt der größte Unterschied in den Rahmenbedingungen der Arbeit bei SymbioticA in der Forschung, nicht in der Produktion. Die Stipendiaten müssen keine Arbeiten herstellen, sondern Forschungsmöglichkeiten erarbeiten und (auf einem phänomenologischen Niveau) mit dem Handwerkszeug der modernen Biologie arbeiten. PV: Sie sind ein Künstler, der ständig Gewebekulturen und Gewebezüchtung als Medium des künstlerischen Ausdrucks erforscht. 1996 haben Sie das Tissue Culture and Art Project mitbegründet. Können Sie uns erzählen, wie Sie darauf gekommen sind? Was haben Sie in Ihrer künstlerischen Karriere vorher gemacht? Leben in seinen verschiedenen Ausprägungen hat mich immer interessiert. Bevor ich am Tissue Culture and Art Project gearbeitet habe, benutzte ich vor allem „bis vor kurzem lebende Materialien“ (z.B. sterbliche Überreste) für kleine Installationen und Skulpturen. Als Student des Produktdesigns wurde mein Interesse an Ökodesign geweckt und ich begann zu recherchieren, wie man moderne biologische Techniken (Biotechnologie) anwenden kann, um die Produktion von einer Fertigung zu einer Zucht verlagern zu können. Ich erforschte verschiedene Arten von Organismen und Technologien und begegnete so der Gewebezüchtung als einer möglichen Methode, um dreidimensionale, lebende und funktionelle „Produkte“ zu erzeugen. Mir wurde klar, dass es sich um ein Paradoxon handelt. Einerseits suchte ich nach Möglichkeiten, um Probleme der Konsumgesellschaft im postindustriellen, postkapitalistischen Zeitalter mit lebenden Materialien zu lösen, andererseits riskierte ich eine verstärkte Instrumentalisierung des Lebens und lebender Organismen. Beim Weiterbetreiben meiner Forschungen wurde mir bewusst, dass dieses Gebiet eine große Anzahl anderer Belange aufbringt, die die Wahrnehmung des Lebens herausfordern. So entschloss ich mich, das Tissue Culture and Art Project. zu gründen. TC&A wurde gegründet als unbegrenztes, „on-going“ Forschungsprojekt; im Feld der Gewebetechnologien als ein Medium der künstlerischen Äußerung. Sie arbeiten viel mit dem Bauplan des Lebens (der DNA). Was sind die Fragen, was sind die Motivationen und Gefühle, die so ein Werk antreiben? Ich würde dem Ausdruck „Bauplan des Lebens“ nicht Recht geben, nicht in Bezug auf meine Arbeit (in der es um Zellen und Gewebe geht) und nicht in Bezug auf Genetik (womit ich mich nicht beschäftige). Die Angelegenheiten und Fragen, die aufgeworfen werden, wenn man lebende Teile komplexer Organismen nimmt und diese in verschiedenen Anordnungen zu verschiedenen Zwecken wachsen lässt, geben einem tiefe und herausfordernde Einblicke ins Leben. Das Konzept des Halb-Lebenden, welches wir entwickelt haben, demonstriert die wachsende Diskrepanz zwischen unserer kulturellen Wahrnehmung des Lebens, unserem Wissen über Leben durch die Naturwissenschaften und unseren Möglichkeiten durch neue Technologien. Gewebekultur hinterfragt Vorstellungen des einzelnen Körpers, traditionelle und neue Konzepte der biologischen Taxonomie (dieses Gebiet behandelt unser neuestes Projekt), Zeit und die Beziehung zum Anderen. Philosophisch gesprochen beschäftigen wir uns mit ethischen, epistemologischen, ontologischen und phänomenologischen Betrachtungen, die nur entstehen können durch direkte Beschäftigung mit der Herstellung von Gewebe – Kunst. Lassen Sie uns über das Projekt reden, das Sie in Prag vorstellen werden. Können Sie das Konzept beschreiben? Wir werden ein Stück präsentieren namens „The Remains of Disembodied Cuisine“. Dieses Stück ist eine Forsetzung einer Installation/Performance namens „Disembodied Cuisine“, die wir 2003 in Frankreich aufgeführt haben. In „Disembodied Cuisine“ züchten und essen wir durch Gewebezüchtung erzeugte „Frosch-Steaks“. „The Remains of Disembodied Cuisine“ zeigt Dokumentarvideos dieses Prozesses, dieser Installation und dieser Performance auf drei Leinwänden mit einem Tonstreifen sowie einige körperliche Überreste der Arbeit, wie etwa Teile des Steaks, die von Menschen, die an dem Abendessen teilgenommen hatten, ausgespuckt worden sind. Dieses pseudo-positivistische Stück ist Teil einer noch laufenden Serie von Arbeiten, die den Trugschluss einer technisch mediatisierten, opferlosen Utopie behandeln. Die Idee, Fleisch zu züchten, ohne ein Tier zu benötigen, ist nicht neu, aber anscheinend waren wir die ersten, die es tatsächlich taten. Neu ist das steigende Interesse der Hochschulen und der Industrie, die in einem ähnlichen Prozess so genanntes in vitro Fleisch oder gewaltfreies Fleisch herstellen wollen. Dies ist eine neuartige Idee, aber es ist Tatsache, dass Tiere immer noch für die Erstellung der Nährstoffe im Gewebe benötigt werden. Ein anderer Aspekt, der unsere Arbeit begleitet, ist die Idee einer Fragmentarisierung des Körpers. Zellen zu züchten, die in den achtziger Jahren einem Frosch in Japan entnommen worden sind und diese dann als „Frosch-Steaks“ zu essen, war eine mögliche Strategie, diese Fragmentarisierung des Körpers durch Technologien zu betrachten. Mögen Sie traditionelle Kunstformen (mit traditionell meine ich Gemälde, Skulpturen, Videokunst, Installationen etc.)? Was schauen Sie sich in Galerien oder Museen an? Ich schätze Werke, die mich herausfordern und mich dazu bringen, meine Überzeugung und meine Wahrnehmung zu überdenken. Manche traditionelle Arbeit kann dies genauso gut wie Neue- Medien-Kunst. Ich suche Kunst, die mich intellektuell und experimentell überrascht. Was sind Ihre Pläne für die Zukunft? Ich bin recht zufrieden mit dem, was ich habe. Wenn ich weiterhin Arbeiten machen kann, die mich gleichzeitig stimulieren und beunruhigen, bin ich glücklich. Ich wünsche mir, mehr über meine Erfahrungen schreiben zu können und ich würde gerne erleben, dass SymbioticA sich weiter entwickelt.
01.01.2007
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04.02.2020 10:17
Letošní 50. ročník Art Basel přilákal celkem 93 000 návštěvníků a sběratelů z 80 zemí světa. 290 prémiových galerií představilo umělecká díla od počátku 20. století až po současnost. Hlavní sektor přehlídky, tradičně v prvním patře výstavního prostoru, představil 232 předních galerií z celého světa nabízející umění nejvyšší kvality. Veletrh ukázal vzestupný trend prodeje prostřednictvím galerií jak soukromým sbírkám, tak i institucím. Kromě hlavního veletrhu stály za návštěvu i ty přidružené: Volta, Liste a Photo Basel, k tomu doprovodné programy a výstavy v místních institucích, které kvalitou daleko přesahují hranice města tj. Kunsthalle Basel, Kunstmuseum, Tinguely muzeum nebo Fondation Beyeler.
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