Zeitschrift Umělec 2009/2 >> Let‘s make money – der Film zur Krise | Übersicht aller Ausgaben | ||||||||||||
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Let‘s make money – der Film zur KriseZeitschrift Umělec 2009/201.02.2009 Clemens Foschi | essay | en cs de |
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Nach der Dokumentation We feed the world über die globalisierte Nahrungsmittelproduktion erschien im September mit Let‘s make money eine zum
Thema Finanzkrise passende Aufarbeitung der Auswirkungen weltweiter Finanztransaktionen von Erwin Wagenhofer. Nach dreijähriger Recherche rund um den Globus zeigt Wagenhofer anhand in der Finanzwelt ganz normaler – und deswegen extrem haarsträubender – Vorgänge die entfesselten Kräfte des globalen Raubtierkapitalismus. Dagegen geschnitten – die Welt der Verlierer, was die Mehrheit der Weltbevölkerung sein dürfte. Und die Umwelt natürlich. Wie in seinem Vorgängerfilm liegt auch hier die Wirkung in der Tatsache, dass wir alle Teil des Problems sind. Wagenhofer macht mit uns im Kino das, was die Finanzindustrie in der Realität mit uns macht. Wir sind mitten im Geschehen. Ob wir wollen oder nicht. Egal ob Sparbuchinhaber, Besitzer einer privaten Pensionsvorsorge oder Hobbytrader. Das in das globale Finanzsystem eingespeiste Kapital nimmt seinen Lauf. Der Regisseur nimmt sich dabei ganz zurück und vertraut auf die Wirkung der Bilder und die Aussagen der Experten. Er trifft Leute – Banker und Bauarbeiter, Bauern und Immobilienmakler –, die er dazu animieren konnte, ohne Filter zu reden und vermittelt seine Ansichten ausschließlich durch den Rhythmus der Schnitte. Nur O-Ton. Das haut hin. Dazu starke eindrucksvolle Bilder – so ergeben sich klassisch gute Schockeffekte. Beispiele für die Folgen dieses Systems gibt es tausende. In Entwicklungsländern, aber auch in Europa, wo seit Jahren eine zunehmende Verschlechterung der Arbeitsbedingungen zugunsten des Shareholder Values stattfindet. Überraschend auch der offen präsentierte Zynismus der Finanz-Gurus. „Die beste Zeit um Anteile zu kaufen ist dann, wenn Blut auf der Straße klebt“, verkündet der Präsident von Templeton Emerging Markets im Film. In Burkina Faso, das mit Hilfe von Weltbankkrediten eine Baumwoll-Monokulturindustrie errichtet hat, wird mit Billiglöhnen für den Weltmarkt produziert. Die Folgen sind zunehmende Erosion der Böden und kaum wirtschaftliche Perspektiven aufgrund des geringen Wertschöpfungsanteils. Oder die Goldmine in Ghana, errichtet mit Weltbankunterstützung, wo gerade 3% der Profite im Land verbleiben und die Arbeitskräfte für Billigstlöhne ihre Gesundheit aufs Spiel setzen. Aber auch Europa bleibt davon nicht verschont: Ohne Ton fliegen wir im Hubschrauber über eine menschenleere, langsam vor sich hin rottende Steinwüste aus Ferienhäusern an der spanischen Küste. Ein „Zement-Tsunami“, der die letzten Naturräume verschluckt. Wertanlagen… die Profitrate für die Immobiliengesellschaften und Banken: gigantische 20 Prozent. Drei Millionen leer stehende Häuser mit 800 Golfplätzen, die, in der Wüste angelegt, soviel Wasser verbrauchen wie eine Stadt mit 16 (!!!) Millionen Einwohnern. Und die instand gehalten oder später gegen Entschädigung abgerissen werden – auf Kosten der Steuerzahler. Der Film macht zwar nicht die genauen Mechanismen des unregulierten Systems deutlich. Er vermittelt vielmehr bildhaft deren Auswirkungen und der Erfolg an den Kinokassen macht deutlich, wie sehr die Thematik gerade jetzt die Menschen interessiert. Nun stellt sich jedoch die Frage nach den konkreten Wirkungen auf die Zuseher. Welche Konsequenzen kann der Einzelne aus dem Gezeigten ziehen. Wie man seit Ausbruch der Krise weiß, kannten nicht einmal die Banken die Details ihrer Portfolios. Wie sollen private Anleger die immer komplexer gestalteten Kapitalmarktprodukte kennen. Auch sie trachten nach hoher Rendite bei möglichst geringem Risiko. Über das Zustandekommen der Rendite steht meist nur wenig in den Fondsprospekten. Aber jeder kennt einen, der einen kennt, der in zwei Jahren sein Kapital an der Börse verdoppeln konnte. Wieso soll man sich ein arbeitsfreies Einkommen entgehen lassen? Also trägt man das Geld zur Bank, lässt sich von einem zumeist ahnungslosen Bankangestellten je nach Hype Rohstoffzertifikate, Biotech-Aktien oder monatliche Zahlungen in einen privaten Pensionsfonds (staatlich gefördert) aufschwatzen und schon spielt man mit. Das Böse manifestiert sich als Suche nach der höchsten Rendite. Dieser abstrakte Mechanismus erzeugt einen Kostendruck, der zu sinkenden Lohnkosten, der Ausbeutung von Ressourcen und Humankapital führt. „Die unsichtbare Hand“ (Adam Smith) stellt keine Bedingungen, weder soziale noch ökologische. Frei von Rassismen und Vorurteilen sammelt sich das Kapital von Besitzenden und determiniert dessen Einsatzgebiet und damit die Arbeitsbedingungen der Besitzlosen. Diesen Markt zu regulieren wäre Aufgabe des Staates bzw. noch besser von supranationalen Organisationen. Deren Versagen traf in Zeiten der Hausse „nur“ die Globalisierungsverlierer, also rund 80% der Weltbevölkerung, die uns in dem Film exemplarisch vorgeführt werden. Nun sind wir selbst betroffen. Angst vor einer jahrelangen Rezession, zunehmender Arbeitslosigkeit und Staatsbankrott macht sich breit. Die Rettungsaktionen der Staaten konzentrieren sich auf das angeschlagene Bankensystem. Dies sei unumgänglich, um das Funktionieren der Wirtschaft zu garantieren. Die Verursacher der Krise werden also mit Steuergeldern gerettet. Damit ergäbe sich wenigstens die Möglichkeit, auf die Banken Druck auszuüben und endlich international bindende Regeln für den Finanzmarkt zu etablieren. Doch die Vorgehensweise bleibt auf nationale Rettungspakete ohne substantielle Bedingungen für die betroffenen Institute und Märkte beschränkt. Dazu passend die letzte Meldung vom 30.01.2009. Die Bonuszahlungen für die Wall Street- Banker für 2008 betragen 18 Mrd USD. Let‘s make money!
01.02.2009
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