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Takako Kimura
Zeitschrift Umělec
Jahrgang 2008, 2
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Takako Kimura

Zeitschrift Umělec 2008/2

01.02.2008

Spunk Seipel | sticker | en cs de es

Sticker! Aufkleber! Kleine Pickerl! Seit einigen Jahren hat sich eine ganze Industrie entwickelt, die Kindern, vor allem natürlich Mädchen, unzählige Motive von winzigen, kleinen und manchmal auch etwas größeren Aufklebern anbietet. Diese Aufkleber haben keinerlei Aussage. Es sind kitschige Bildchen, die die früheren Sammelbildchen, die als Zugabe in Schokoriegeln steckten, abgelöst haben.
Selbst die Alben, die für dieses seltsame Hobby entwickelt worden sind, verdeutlichen die Beliebigkeit dieser neuen „Stickergeneration“. Es handelt sich um blanke Heftchen aus speziellem Papier, so dass man die Sticker wieder herauslösen und tauschen kann.
Die aus Japan stammende, in München lebende Künstlerin Takako Kimura, nutzt in ihren neuesten Arbeiten diese Sticker, um mit einer ironischen Unternote neue Bilder zu schaffen. Aus hunderten Stickern klebt sie Collagen zusammen, die zumeist ein ‚vergrössertes‘ Motiv zeigen, das die einzelnen Sticker wiedergeben. Ein Marienkäferbild zum Beispiel besteht so aus Dutzenden Marienkäfern unterschiedlicher Größe, Gestaltung und Farbe.
Sticker, die ja eigentlich dazu gemacht sind, allein für sich zu stehen, als Einzelobjekt betrachtet zu werden, konkurrieren nun um die Aufmerksamkeit des Betrachters. Sie verlieren quasi ihre Individualität, werden von anderen Stickern sogar überdeckt, und sind nur noch Teil einer Masse, die nur im Zusammenspiel ein großes Ganzes ergibt. Für Kimura stellt dies einen Spiegel von Gesellschaften dar, in denen die Individuen gemeinsam die Gesellschaft, ein Gesamtbild, erschaffen können. Sie verlieren sich und erschaffen dadurch eine Gemeinschaft.
Man kann dies so sehen. Es ist eine Interpretationsmöglichkeit und sie hat ihren Reiz. Besonders in den neuesten Werken, in denen nicht mehr nur eine einzelne Figur gebildet wird, sondern mehrere Figuren nebeneinander, aus hunderten Stickern gebildet, eine ganze Geschichte ergeben.
Man kann sich aber auch an den künstlerischen Aspekt freuen. An der optischen Wirkung, dem Spiel aus zig unterschiedlichen Formen und Farben. Wie aus den Einzelbildern, wieder neue Bilder entstehen. Erinnert uns das nicht an Guiseppe Arcimboldo und seine zusammengesetzten Porträts? Schafft die 1974 geborene Künstlerin nicht eine neue, moderne und zeitgemäße Form? Eine Variante, die Bildchen aus unserer Popkultur benutzt. Ist das Spiel für unser Auge nicht immer wieder reizvoll, wenn es zwischen der Suche nach einzelnen, besonders schönen oder skurrilen Stickern wieder zum Gesamtbild kippt, in dem das Einzelne nicht zählt.
Doch es gibt auch einen Grad der Irritation, der einen Hauch von Unsicherheit beim Betrachten der Bilder erzeugt. Denn wir blicken nicht nur in ein Augenpaar, sondern uns starren unzählige Augen an.
Die Arbeiten werden unter Glas präsentiert. Als ob es seltene Sammlerstücke eines Insektenliebhabers sind. Das erhöht den Charakter des Objektes und nimmt den Bildern, neben seiner Materialität, die Steifheit eines Tafelbildes. Ein Rest des Sammlers, des Jagens nach besonders schönen Stickern, wird dadurch bewahrt.
Und so scheint die Künstlerin sich trotzallem den Spaß bewahrt zu haben, denn alle Kinder beim Sammeln dieser bunten Sticker haben. Sie sucht und findet die ausgefallensten Aufkleber und man merkt ihrer Arbeit die Freude an, wie mit den Stickern neue Bilder schafft.







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