Zeitschrift Umělec 2010/2 >> Was is heute eine Feministin? Konsumdenken kapitalismus Klasse Und KÖrper | Übersicht aller Ausgaben | ||||||||||||
|
|||||||||||||
Was is heute eine Feministin? Konsumdenken kapitalismus Klasse Und KÖrperZeitschrift Umělec 2010/201.02.2010 Lizzy Le Quesne | lösungen | en cs de ru |
|||||||||||||
Als ich im Jahr 2003 mit meiner Performance Shop Window in der Prager Galerie Václav Špála das Publikum dazu einlud, mit nackten Frauen jeden Alters Zeit zu verbringen und sie zu fotografieren, bin ich meinem Instinkt gefolgt. Dieses Handeln war eine Folge der Polarisierung der Geschlechter, die mir auf den Straßen, um mich herum, in der Darstellung von Frauen auf Werbeplakaten, die damals in Prag zu sehen waren, aufgefallen war. Ohne das Produkt, welches verkauft werden sollte, zu beachten, nahm ich diese Bilder als persönlichen Angriff wahr: ein Angriff auf mein Selbstwertgefühl, auf meine Hoffnung, den Rest der Kultur und vor allem Männer zu verstehen, auf meine persönliche Empfindsamkeit, meinen Geschmack, meine Vorlieben und meine Wünsche. Ungleichberechtigung der Geschlechter und Geschlechter-Polarisierung sind grundsätzlich mit Kapitalismus und Konsumdenken verbunden. Und obwohl sich eine neue Generation von Frauen dem Feminismus angeschlossen hat – oder zumindest dem Wort – scheint dieses Konzept den dominanten Konsumwerten so unterworfen zu sein, dass es seine Fähigkeit, soziale Systeme in Frage zu stellen und seine ursprüngliche Bedeutung verloren hat. In London fanden im vergangenen Monat zwei Konferenzen über den Stand des aktuellen Feminismus statt: eine politisch etwas radikalere im Institute of Contemporary Arts (ICA), und eine in der Women’s Library, die sich eher mit persönlichen Erfahrungen und Aktivismus befasste. Beide kamen zu dem Schluss, dass der Feminismus in der Krise stecke und neu belebt werden müsse. Die radikalsten Stimmen innerhalb des ICA riefen zu einer neuen Politisierung in Bezug auf Klasse, Konsumerismus und Kapitalismus auf. Auf der anderen Konferenz wurde mehr oder weniger formell vor allem darüber gesprochen, wie Frauen einander unterstützen können, wie sie den subtileren Sexismus, den sie selbst auch in sich tragen, aufspüren, ihr eigenes Durchsetzungsvermögen steigern können und richtige Wege finden, um andere Frauen zu fördern. Als Tanzkünstlerin liegt der Weg zur Emanzipierung in der dynamischen Erforschung einer subjetkiven und erlebten Erfahrung des Körpers, und nicht in einem Bild des Körpers. Der weibliche Körper wird zwar permanent zum Gegenstand gemacht, er ist aber auch unerschlossen und wird nicht ausreichend als mögliche Fläche für Einfluss, Wahrnehmung und Subjektivität verstanden.
Die Tschechen bewegen sich schnell. Jeder, der sich in den ersten Jahren unseres Jahrtausends und vor allem im Sommer 2003 in Prag aufgehalten hat, wird sich an die Bierwerbung erinnern, in der ein mit gelber Flüssigkeit gefülltes und von weißem Schaum bedecktes Glas zwischen den weit gespreizten, überlangen Beinen einer Frau, die nichts als einen winzigen, schwarzen BH trug, stand. Die Stadt war von diesem und ähnlichen Bildern übersät. Sie sprangen einem direkt ins Auge. Manche von ihnen waren witzig, andere sogar sexy. Ich aber fühlte mich ihretwegen elendig. Diesen Angriff der kommerziellen Mächte auf mich und meine Mitfrauen musste ich hinterfragen. Es war ein zentrales Element des Konzeptes meines Projekts, normale Frauen verschiedenen Alters durch Schaufenster hindurch – also grundsätzlich und unmissverständlich in der Umgebung einer vollen Einkaufsmeile – dabei zu beobachten, wie sie stehen und sich inmitten von Schaufensterpuppen bewegen. Dieser Teil der Performance wurde vom damaligen Direktor des British Council (gegen seinen künstlerischen Leiter, der das Projekt von Anfang an unterstützt hatte) versenkt, da er Angst davor hatte, in den letzten Wochen seines Mandats gegen ein unklares tschechisches Gesetz, welches die „moralische Bedrohung“ anspricht, zu verstoßen. In letzter Minute bestand er darauf, dass die Frauen entweder Unterwäsche tragen oder die Performance vom öffentlichen Publikum abgeschirmt wird. Ich konnte verstehen, dass knapp bekleidete Frauen in einem Schaufenster die übliche Vergegenständlichung der Frau eher unterstützen als in Frage stellen würden. So beschloss ich, die Fenster zu verdecken und das Publikum zu zwingen, in die Galerie zu gehen, da Nacktheit essenziell war, um das Gefühl einer erlebten Begegnung mit dem Körper zu vermitteln und Fragen rund um Privatsphäre, Respekt und Vertrauen aufzuwerfen. Während der Performance führte dies zu einer verstärkten Spannung und Konfrontation zwischen Beobachter und Beobachteten in diesem erlebten Austausch, was meine Arbeit nur unterstützte. Trotzdem empfand ich es damals als sehr ironisch, dass ich mein humanistisches Projekt wegen „Bedrohung der Moral“ verstecken muss- te. Wo ich doch jedes Mal, wenn ich aus meiner Haustür in die Öffentlichkeit hinaustrete, von einer grenzenlosen, aber akzeptierten Degradierung, Vergegenständlichung und Pornofizierung des weiblichen Körpers im Auftrag des kapitalistischen Gewinns empfangen werde. Wenn sie einschlagen, schlagen sie richtig ein, die negativen Aspekte der kapitalistischen Kultur des Westens. Sie verbreiten sich schnell im ehemaligen Ostblock. Das war auch der Sommer, in dem der Film Tschechischer Traum von Vít Klusák und Filip Remunda herauskam: Erbarmungslos deckte er das neue Konsumdenken und die Werbesprache auf, die damals gerade die Kultur überschwemmte. Vor und während dieser Entwicklung in Prag zu sein und sie als Ausländerin beobachten zu können, war für mich persönlich sehr nützlich. Die gleiche plötzliche Expansion von Konsumwahn und der begleitenden Werbung erlebte ich in den 80er Jahren als Jugendliche in Großbritannien. Doch damals war ich nicht in der Lage war, das zu hinterfragen. So gab es mir ein merkwürdiges Gefühl, diesen Prozess als erwachsene Frau noch einmal zu durchleben. Es war erfrischend, dieses Mal in der Lage zu sein, mit Shop Window darauf reagieren zu können. Wie stark das Projekt auf gewöhnliche tschechische Frauen wirkte, zeigt allein die Tatsache, dass die Frauenzeitschrift Elle in Folge der Eventkritik mehr Leserbriefe empfing als bei irgendeinem anderen Artikel, und daraufhin ein paar Monate später noch einen Artikel veröffentlichte. Als ein New Yorker Akademiker den Sinn des Projektes für eine „postfeministische“ Gesellschaft in Frage stellte, war ich sehr amüsiert. Ein tschechischer Kurator und Freund erinnerte mich neulich daran, dass „sich die Tschechen schnell bewegen“, und das stimmt: Die Zeit des komplett ungehemmten Markthandels war relativ kurzlebig und wurde mit der Einführung von umfangreichen westlichen Standards schnell wieder nivelliert. Aktuelle Werbung in der Tschechischen Republik ist subtiler, so wie in Großbritannien, wo ich jetzt lebe. Aber für die gesamte westliche Welt gilt, dass sie weiterhin eine überraschend beschränkte Sichtweise auf das Leben präsentiert, die eindeutig in der Sichtweise der spätkapitalistischen Ideologie verankert ist. Sie entmutigt freies Denken, fördert „uninformierte irrationale Kaufentscheidungen“ (Noam Chomsky, Chomskian Abstract) und verlängert sowohl den Warencharakter des weiblichen Körpers als auch die tiefsitzenden Ungleichheiten, die zwischen den Geschlechtern in einer Vielfalt von sozialen Feldern bestehen. Beutet euch selbst aus ! Mit erfolgreichen Büchern, wie Living Dolls: The Return of Sexism von Natasha Walter (2010) gewinnt eine neue Welle des Feminismus an Fahrt und protestiert gegen die Idee, dass Gleichberechtigung schon erreicht sei. Dieses Buch greift die neue Übersexualisierung der Gesellschaft an und deckt den Mythos auf, dass Frauen mehr Macht gegeben ist. Kat Banyards ziemlich direktes Buch The Equality Illusion: The Truth About Women and Men präsentiert Statistiken und persönliche Berichte, um zu veranschaulichen, dass es Frauen heutzutage in vielen Lebensbereichen wesentlich schlechter ergeht als Männern. Banyard eröffnete die im Mai 2010 im ICA abgehaltene Diskussion The Trouble With Feminism, indem sie Behauptungen vom Postfeminismus verwarf und beteuerte, dass „der Kampf für gleiche Rechte für Frauen und Männer erst begonnen hat“. In Großbritannien würden jedes Jahr noch 100 000 Frauen vergewaltigt, anderthalb Millionen Menschen litten unter Essstörungen – 90% von ihnen sind Frauen –, und nur 22% der Parlamentsabgeordneten seien weiblich. Der Equal Pay Act (Lohn- gleichstellungsgesetz), der 1975 vom britischen Parlament verabschiedet wurde, sei ein abstraktes Versprechen, bei dem Frauen immer noch um 23% schlechter bezahlt würden als Männer, und weiterhin die Mehrheit der Teilzeitjobs, der schlecht bezahlten und ungelernten Hilfsarbeit erledigten. Wie Natasha Walter betonte auch sie die neuen Bedrohungen unserer Zeit: eine Mischung aus beispiellos kommerzialisierter Sexindustrie und der „buchstäblichen Angleichung der Mainstream-Kultur an die Pornografie“. Nina Power ist eine krumme, schlappe und abwegig charismatische Philosophie-Dozentin an der Universität Roehampton, der das ungewaschene Haar ständig ins Gesicht fällt, und die einen tollen gelb-grauen, psychodelischen, kurzärmeligen Pullover trägt. Sie geht einen Schritt weiter und spricht davon, dass der Feminismus selbst von einer konservativen, vom Konsumdenken beherrschten Kultur kolonisiert worden sei. Außerdem bräuchte er unbedingt eine Neu-Politisierung sowie eine Neubetrachtung im weiteren Kontext des Kapitalismus. In der Einführung zu ihrem Buch One Dimensional Woman (2010) schreibt sie: „Ist das Käuferparadies der ,frechen‘ Selbstverhätschelung, der Playboy-Bunny-Halsketten und der Enthaarung der Bikinizone die Verwirklichung der Ideale der Frauenemanzipation des 20. Jahrhunderts? Dass die Hochblüte der angeblichen Emanzipierung der Frau mit dem Triumph des Konsumdenkens perfekt übereinstimmt, ist ein trauriges Zeichen einer politisch verwüsteten Zeit.“ Powers Hauptthese ist eine Infragestellung des aktuellen Arbeitsmarktes, eine Kritik am heutigen Sex und der Pornografie, ein Angriff auf rechten oder prüden „moralistischen“ Feminismus und ein Aufruf zu einem erneuerten, linken Neuaufbau des Familienkerns und der sozialen Strukturen. Sie beklagt in dem, was sie „die Anpassung der Frauen an die Arbeit und die Verweiblichung von Arbeit“ nennt, wie Frauen – und Männer – von der angeblichen Freiheit in Teilzeitjobs und befristeten Verträgen ausgebeutet werden. Im „realen Horror der heutigen Welt“, sagte sie im ICA, „verlangt der Kapitalismus von allen, sich selbst auszubeuten“. Die Wirtschaft ersetzt das Handwerk durch Dienstleistungen, welche vor allem von Frauen angeboten werden – Frauen, die von einem System, das ihnen sagt, sie seien frei, „Vibratoren und Wein“ zu kaufen, verraten worden sind. Frauen, die in dem permanenten Zwang leben, stets intelligent, mehrfach qualifiziert, leistungsfähig und professionell zu erscheinen, obwohl sie in Bezug auf Sicherheit am Arbeitsplatz, ihre Rechte, Vergütung, Befriedigung, Arbeitsbeziehungen usw. den schlimmsten Bedingungen ausgesetzt sind. Ähnlich ist es mit Sex, schreibt Power. Wir sollen glauben, dass es ein Zeichen unserer neuen Freiheit ist, viel Sex zu haben, ob mit oder ohne Partner. Und dass, obwohl er stattdessen übertrieben resolut, mechanisch und „nur zu einer anderen Form von Arbeit“ wird. Sie beklagt sich, wie auch Ariel Levy in Female Chauvinist Pigs: Women and the Rise of Raunch Culture (2005), dass die Ästhetik von Sex eingeschränkt und konform geworden sei: „Die Darstellung von Sex – sowohl des emanzipatorischen ,feministischen‘ Sex als auch des kapitalistische Produkte verkaufenden Sex – ist erstaunlich homogen.“ Was Pornografie anbelangt, „wird fast jede Art von sexuellem Geschmack bedient, solange man nicht etwas so Anspruchsvolles wie Zärtlichkeit oder Witz sucht. (…) Wie wäre es mit einer anderen Geschichte der Pornografie, einer, die weniger aus prallen, rasierten, einander in die Unterwerfung treibenden Körpern bestände, sondern auch aus Zärtlichkeit, Albernheit und nicht immer nur funktionierenden Körpern, die wie eine gut geölte Maschine schnurren?“ Die Erfahrungen und das Verhalten von Frauen müssen in einem größeren spezifischen sozialen und wirtschaftlichen Kontext innerhalb des kapitalistischen Systems betrachtet werden, betont Power. Stattdessen würde ein genereller Moralismus, der „oft psychoanalytisch unzureichend erforscht“ bleibt, zur Häufung von Vorwürfen gegen Frauen – meist aus der Arbeiterklasse – führen. In dem Buch One Dimensional Woman kritisiert sie auch den moralistischen Anspruch rechter FeministInnen auf die Befreiung von muslimischen Frauen, ein Anspruch, der den Krieg unterstützt. Sie scheint anzudeuten, dass es sich bei dem Aufruf zur Zwangsentfernung des Hijabs eher um das westliche Unbehagen handelt, das entsteht, wenn eine Frau sich weigert, sich der dominanten Kultur zu unterwerfen und gesehen – und damit vergegenständlicht – zu werden, als um die Rechte der Frau selbst. In der Tat ist die Idee, eine Burka zu tragen, verlockend – ein langer Umhang (der vielleicht nicht unbedingt schwarz sein muss?), der einen von Kopf bis Fuß bedeckt und den eigenen Körper einfach aus der mit Stacheldraht umzäunten Zone des gesehen und beurteilt Werdens entfernt. Und trotzdem werden dabei die Rollen vertauscht, indem man die Welt mehr beobachtet, als man selbst betrachtet wird. Ähnlich wie die Frauen, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts das Korsett aufgaben und stattdessen das Reformkleid oder die Hausmäntel der Wiener Werkstätte zu tragen beschlossen. Oder wie Isadora Duncan oder Gustav Klimt, wenn wir schon dabei sind, die sich für lange, fließende Gewänder entschlossen, die ihren Bäuchen erlaubten, sich auszubreiten, ihren Armen, sich zu erheben, und ihren Beinen, sich zu beugen. Die Rückkehr zu einer losen Bedeckung, die den ganzen Körper verhüllt, könnte für mich eine wahrhaftige Emanzipierung sein. Westliche Frauen zeigen viel Haut, verstecken sich aber hinter Sonnenbrillen. Strenggläubige muslimische Frauen tun das Gegenteil: Sie linsen durch den Augenschlitz ihrer Ganzkörperbedeckung. Sind wir frustriert, weil eine andere Kultur – der Islam – das Recht auf eine solche Intimsphäre bietet? Schützt die Burka – in der Öffentlichkeit – eine Zone der Privatheit des Körpers, was unsere Kultur ärgert oder erschreckt, weil sie von Frauen verlangt, dass sie verfügbar sind? Nina Power ist sehr pessimistisch, was den Verlust der Privatsphäre und unserer persönlichen Subjektivität angeht, wie wir sie in dem aktuellen kulturellen und wirtschaftlichen Kontext erfahren. Sie behauptet sogar, dass der Begriff der Vergegenständlichung (der ein angegriffenes Subjekt voraussetzt) schon überholt ist. Über Sex sagt sie: „Was ist, wenn es keinen Abstand mehr gibt zwischen dem inneren Bereich der Wünsche, Lüste und Fantasien und der externen Darstellung des Selbst als sexuelles Wesen?“ Und über Arbeit und die Auflage, permanent erreichbar und flexibel zu sein, schreibt sie: „Vergegenständlichung setzt voraus, dass etwas in dem Subjekt dieser Besitzergreifung widersteht, dass man vielleicht protestieren würde, wenn man denkt, dass jemand einem diese Innerlichkeit verweigert. Aber es ist nicht eindeutig, dass Arbeit heute irgendjemandem erlaubt, solch ein Innenleben, wie wir es uns einmal vorstellten, zu haben.“ Ich teile Powers Pessimismus nicht ganz. Nichtsdestotrotz ist es gewissermaßen erleichternd, ihm zu begegnen. In der Tat war Shop Window die Reaktion auf die unerträgliche Unangemessenheit des öffentlichen Blickes, der zwangsläufig auf meine für mich nur allzu offensichtliche, aber für die ganze Welt anscheinend unsichtbare Privatsphäre fällt. Ein Problem der Mittelschicht. Die Akzeptanz und Aufnahme der verschiedenen äußeren und inneren Identitäten der Frauen war ein Teil dessen, was ich mir von Shop Window wünschte. Und gewiss waren dies auch die wichtigsten Elemente, die in den tschechischen Leserbriefen an Elle mitschwangen. Ruth Holliday, Professorin für Geschlechter und Kultur an der Universität Leeds, sprach im IAC über die Art und Weise, wie FeministInnen bis jetzt die Tendenz hatten, andere Frauen zu verurteilen. Sie zählte mehrere Trends im Auftreten von Frauen auf, wie zum Beispiel den Heroin Chic oder den Porn Star-Look, die von FeministInnen kritisiert werden, da sie „Männer reizten“. Holliday hat diesen Moralismus erforscht und sieht ihn als Teil des Klassensystems. Sie beschreibt ihre Analyse der Haltung „Natürlich ist das Beste“ von Frauen aus der Mittelschicht, die gegen Schönheitsoperationen, Haarfärbemittel, Kosmetika usw. sind. In der Bibel heißt „natürlich“ sein passiv sein, und passiv sein ist gut, sagt Holliday. „Unecht“ sein oder eine Anstrengung zu unternehmen, um etwas zu ändern, heißt aktiv sein, und aktiv sein ist schlecht. „Warum richtet sich der moderne Feminismus nach der Bibel?“, fragt sie. Weiße Frauen aus der Mittelschicht werden an Beschränkung, Selbstbeherrschung und „Respektabel-Sein“ glauben. „Das Patriarchat verlangt Anstand, keinen Exhibitionismus.“ Und so, argumentierte sie, könne man eine Diskrepanz zwischen aufrichtigem Widerstand sowie Emanzipierung und dem moralistischen Glauben der alten Mittelschicht ans Natürliche feststellen – „feministische Haltungen gehören nicht zur Mittelschicht.“ Also sind wir in der Zwickmühle. Wir stehen zwischen einer Gesellschaft, die uns auf die simpelste Weise zu Gegenständen macht, uns ausbeutet und sexualisiert, und einem stark kritisierten Feminismus, der eigentlich nicht die Rechte der Frauen repräsentiert, sondern einen veralteten, patriarchalischen, moralistischen Standpunkt! „Das Problem mit dem Feminismus ist“, sagte jemand in der darauf folgenden Diskussion im IAC, „dass er eine Angelegenheit der Mittelschicht ist.“ Das heißt, dass es sich Frauen aus der Mittelschicht im wahrsten Sinne des Wortes leisten können, auf Distanz zu gehen und sich mit diesen Fragen zu beschäftigen. Auch wenn es ihnen nicht so gut wie den Männern geht – in Bezug auf ein stabiles Zuhause, relativen Wohlstand und die Macht von sozialen Beziehungen und Status – so haben es Frauen aus der Mittelschicht wesentlich besser als die aus der Arbeiterklasse, denn sie müssen sich nicht auf die gleiche Art und Weise „selbst verkaufen“. Für Frauen aus der Arbeiterklasse ist der Körper ein wertvolles Zahlungsmittel und eine Möglichkeit der Machtausübung in einer Kultur, wie sie heute besteht. Frauen aus der Mittelschicht sind durch ihre anderen Vorteile in der Lage, sich von der vordersten Front, der des Körpers, zu distanzieren, wohingegen Frauen aus der Arbeiterklasse diesen Körper möglicherweise so weit sie können ausnutzen müssen. Demzufolge werden Brustimplantate, kurze Röcke und alles mögliche andere, das einer Frau mehr Status vermittelt und sie in der kapitalistischen Kette sichtbarer machen kann, gebraucht. Für die, die keine anderen Möglichkeiten haben, gibt es immer noch die letzte Lösung, und zwar den Körper an sich zu verkaufen – in der Sexindustrie. Je weniger man hat, desto mehr muss man sein Kapital ausnutzen. Frauen aus der Arbeiterklasse eine Moralpredigt zu halten, weil sie tun, was sie können, um in einer Gesellschaft, die alle Frauen misshandelt, zu überleben, führt Holliday aus, beruhe eher auf patriarchalen westlichen Werten als auf Frauenrechten. In der Women’s Library verlief die Diskussion 40 Jahre Feminismus: Brauchen wir ihn noch? nicht so wissenschaftlich, aber genauso leidenschaftlich. Sie wurde von Women in Media, einer Gruppe von AktivistInnen der 70er Jahre, geführt und von vielen Mitgliedern der Londoner Frauengruppen besucht. Da gab es sehr viel Anekdotenmaterial aus den Frauenkarrieren im Medienbereich – einem Milieu, das sich als schockierend sexistisch herausstellt, sowohl in der Vergangenheit als auch heute noch. Diese Frauen kritisierten nicht den Kapitalismus an sich, denn sie arbeiten fest im Würgegriff des Systems, da sie innerhalb der Mainstream-Medien funktionieren. Anna Ford, die erste Fernsehnachrichtensprecherin und eine führende feministische Aktivistin, zitierte Artikel aus der nationalen Presse, die ihre Körpermaße mit denen von anderen Moderatorinnen verglichen, oder die beschrieben, dass sich „ihr schönes Köpfchen“ um die Frauenbewegung kümmerte. Die mindestens 20 Jahre jüngere Kolumnistin Bidisha von der Tageszeitung The Guardian beschrieb ebenso lebhaft ihre Erfahrungen als Kulturkorrespondentin mit Sexismus im Bereich der Kunst und Kultur und betonte die bei weitem unzureichende Repräsentation von Frauen auf Ehrenlisten, in der Werbung und bei Promotionstouren. „Frauen werden in der Kunstwelt nicht geehrt,“ sagt sie. In der aktuellen Spielzeit des National Theatre werden zehn Theaterstücke aufgeführt – nur eines davon ist von einer Frau –, und in Sadler’s Wells, dem wichtigsten englischen Theater für zeitgenössischen Tanz, sind unter den zehn neuen Choreografen nur drei Frauen. Sie zählt in ihrem Artikel Ich habe es satt, die Alibi-Frau zu sein sämtliche anderen und schlimmeren Statistiken auf, über den Anteil an Frauen in verschiedenen Bereichen der Kunst, wichtigen britischen Preisverleihungen, Kommissionen, Festivals und Kritiken. Unter anderem beschreibt sie auch, dass in den letzten drei Monaten in der Sunday Times „siebzehn der besprochenen Bücher von Männern geschrieben wurden und nur ein einziges von einer Frau. Es werden mir jedoch jeden Tag viel mehr Bücher von Frauen zugeschickt als von Männern.“ Das System ist Frauen zum Nachteil gestaltet. Im Guardian schreibt Bidisha: „Das Establishment, das Patriarchat, der Mainstream, wie man es auch immer nennen mag, findet Frauen einfach uninteressant.“ Es sorgt dafür, dass Männer von Anfang an den Frauen zahlenmäßig überlegen sind, indem sie uns nur einen Bruchteil der Chancen, Plätze, Praktika, Kommissionen, Reisen, Ausschusssitzungen, Top Jobs, Kritiken anbieten. Da kommt das Argument gelegen, dass es nicht genug Frauen im Geschäft gibt, um in den oberen Rängen bemerkt zu werden.“ Dies ist umso ärgerlicher, erklärte sie während der Konferenz, da „es vor allem Frauen sind, die Galerien besuchen, Bücher kaufen, Veranstaltungen ihren Freunden und Familien empfehlen und Ausflüge organisieren. Wir tun soviel, um die Kunst zu ehren und zu unterstützen, aber wessen Karrieren werden unterstützt? Beziehungsweise wer bekommt die Jobs? (…) Unsere Energie wird benutzt, um ein Kunstmilieu aufzubauen, in dem unsere Arbeit nicht belohnt wird.“ Und den Opfern wird vorgeworfen, dass Frauen sich nicht genug anstrengen oder einander nicht unterstützen. „Frauen, die im Kunst- und Medienbereich arbeiten, werden beeinträchtigt. Wir fühlen uns alle gleich, aber machtlos.“ Sie erzählt, wie sie ihrem Herausgeber anbot, ein Buch von einer bedeutenden Schriftstellerin zu besprechen, doch es hieß: „Nein danke. Wir hatten letzte Woche schon eine Frau.“ „Wir kämpfen nachts gegen Sexismus, unterstützen ihn tagsüber aber“, klagt sie. Das Ausmaß, in dem Frauen heute noch ausgegrenzt werden, ist einfach schockierend. Die Bedeutung des Körpers Unser Geist wird also nicht geschätzt. Aber die Welt interessiert sich exzessiv für unseren Körper. Irgendwie hat man sich auf unseren Körper konzentriert. Man hat ihn sich zum Ziel genommen, und er ist ausgegrenzt worden, sogar von uns selbst. Im Westen wird der Körper traditionell als urweltlich, irrational, vulgär und essenziell ängstlich wahrgenommen, er wird dem Geist unterworfen, auf die selbe Art und Weise, wie Frauen in Beziehung zum Patriarchat stehen. In Writing on the Body: Female Embodiment and Feminist Theory (1997) erinnern uns Katie Conboy, Nadia Medina und Sarah Stanbury daran, dass es Simone de Beauvoir war, „die aufzeigt, dass die Trennung zwischen Selbst und Anderem, Mann und Frau und Geist und Körper den Ansatz für alle binären Gegensätze liefert, die dem Westen so vertraut sind.“ Der Kapitalismus verstärkt dies noch, indem er den gebildeten Geist über die manuelle Arbeit des Arbeiters stellt, dem Einen die Werkzeuge gibt, um den Anderen auszubeuten. Es wird angenommen, dass Frauen auf irgendeine Art und Weise mehr in ihrer Körperlichkeit verankert sind. Menstruation, Schwangerschaft, Geburt und Milch bedeuten, dass eine Frau unvermeidlich in der Erfahrung ihres Körpers verankert ist. Und ob Frauen Kinder haben oder nicht, die Fortpflanzungsmechanismen bleiben weiterhin eine wichtiger Bestandteil ihres Lebens, sowohl körperlich wie auch psychisch. Aber die Welt und der Arbeitsmarkt haben sich so entwickelt, dass dies als grundlegende Einschränkung des Potenzials der Frauen, ein funktionsfähiges Gesellschaftsmitglied zu sein, gesehen wird. Der Equal Pay Act und der Sex Discrimination Act (Gesetz gegen sexuelle Diskriminierung) haben wenig daran geändert, dass der Mutterschaftsurlaub – oder nur dessen schiere Möglichkeit – die Karriere von Frauen in Großbritannien ernsthaft bedroht. Obwohl Arbeitgeber Frauen per Gesetz nicht fragen dürfen, ob sie vorhaben, schwanger zu werden, ist es weitgehend bekannt, dass dies der Grund ist, weswegen Männer bevorzugt werden, wenn es um langfristige Verträge geht. „Frauen sollten nicht dafür bestraft werden, dass sie Kinder kriegen“, sagt Anna Ford einfach, und fragt ganz pragmatisch „Wessen Kinder kriegen sie denn?“ Ja, viele Frauen bekommen Kinder. Ja, es ist ein gewaltiges Erlebnis für den Körper. Ja, es verändert die Beziehung zwischen Geist und Körper – für eine begrenzte Zeit extrem, und auf subtilere Art und Weise permanent. Aber sind wir deswegen grundsätzlich weniger nützlich? Ja, aber nur in einer Gesellschaft, der es nicht gelingt, diese Erfahrung anzuerkennen und sie mit angemessenen sozialen und wirtschaftlichen Strukturen zu unterstützen, in einer Gesellschaft mit einer Moral, der es grundsätzlich nicht gelingt, das Gleich-Sein und das Anders-Sein wertzuschätzen. Eine ganze Schwangerschaft bis zum Ende durchzustehen, die Ungeheuerlichkeit, Leben zu schenken und sich dann um ein Kind zu kümmern, hat mir mehr blindes Vertrauen, Mut, Sorgfalt und selbstloses Verantwortungsbewusstsein über einen langen, scheinbar endlosen Zeitraum hinweg abverlangt als je irgendetwas zuvor. Das hat mich für immer verändert. Ich habe neue, wertvolle Perspektiven gewonnen und bin in keinster Weise reduziert. Ich bin bodenständiger, zentrierter und präsenter, als ich es vorher war. Ich habe weniger Zeit – aber ich vergeude auch weniger Zeit damit, mir Sorgen zu machen, zu zögern und Dinge aufzuschieben. Meine Instinkte sind merkwürdig angeregt. Was vielleicht neue Komplikationen mit sich bringt, mir aber auch hilft, Dinge zu verstehen. Ich würde sagen, dass ich jetzt in dem bisschen Zeit, das ich habe, zu der Welt, die mich umgibt, vielleicht mehr oder jedenfalls anders, positiver, beitrage. Mütter haben einen grundsätzlich anderen Blick auf das Leben, die Menschheit und die Gesellschaft. Väter auch, aber die Vorteile der Vaterschaft werden von der Gesellschaft anerkannt: Da geht man davon aus, dass es eine Mutter oder irgendjemanden gibt, der ein bequemes Polster zwischen Kind und Job darstellt. Wie viele Politiker gehen vom Weg zur Macht ab, um ein Kind zu bekommen? Und wie viele Politikerinnen? Sarah Palin? In Großbritannien gehen Arbeitgeber davon aus, dass Mütter – und alle Frauen sind potenzielle Mütter, oder verbittert, oder kinderlos – weniger Interesse und weniger Engagement haben werden als Männer, oder als vor der Schwangerschaft. Selbst, wenn das der Fall wäre, und ich weiß aus persönlicher Erfahrung, dass es nicht so ist, sollten Arbeitgeber dazu gezwungen werden, Frauen gerechter zu behandeln, und das in allen Bereichen. Frauen sind nicht mehr in ihrem Körper verankert als Männer. Aber durch die Realität der Geburt, die Auferlegung der patriarchalen, kapitalistischen Kultur, die Frauen zu Objekten macht, sind sie vielleicht mehr im Einklang mit ihrem Körper. Der Körper wird im Westen traditionell feminisiert. Doch eine vielfältige Forschung, von der Phänomenologie bis zur Psychologie, von der Linguistik bis zur Neurologie, stellt den Kartesianischen Dualismus drastisch in Frage und deckt das auf, was unsere Instinkte, alternative Medizin und alternatives Denken uns schon immer gesagt haben: wie tief Geist und Körper interagieren und von einander abhängig sind. Das Buch Philosophy in the Flesh: The Embodied Mind and Its Challenge to Western Thought (1999) von Johnson und Lakoff sowie verschiedene, darauf folgende Werke erforschten die grundsätzliche Bedeutung von körperlichen Erfahrungen für die Erschaffung von Sinn. Sie schreiben: „Die Vernunft ist nicht unabhängig von unserem Körper, wie man es lange behauptet hat, sondern erwächst aus dem Wesen unseres Gehirns, unseres Körpers und unserer körperlichen Erfahrungen. (…) Die Vernunft, auch in ihrer abstraktesten Form, erhebt uns nicht über das Tier, sondern nutzt unser tierisches Wesen.“ Es besteht jetzt ein großes Potenzial für Frauen, das reiche Terrain des Körpers zurückzufordern und zu erfassen. Als Tänzerin bin ich in genau diesem Prozess der Aufdeckung und Darstellung der Weisheit und Ausdrucksfähigkeit, der Nachdenklichkeit und des Wissens über den menschlichen Körper und seiner Beziehung zu unserer Welt engagiert. (Ich kämpfe auch mit einer gewissen Bürde von moralischem Mist über die grundsätzliche Schwäche, Scham und Degradierung einer Kunst, die sich um den Körper dreht.) Als Mutter habe ich eine andere, ich würde sogar sagen, tiefere Beziehung sowohl zu meinem Körper als auch zur Gesellschaft. Ich hab durch mein Becken ein neues Bewusstsein von der Haltung meines Skeletts in Beziehung zur Anziehungskraft und dem Boden erlangt, was meine Bewegungen und meine Beziehung zum Raum direkt beeinflusst. Mein Körper hat sich verändert und seit der Geburt einen geringeren Werbe-Wert als vorher, aber er bewegt sich mit einer neuen Präsenz und einem Sinn. In meinem Alltag als Mutter kann ich mich besser mit Menschen identifizieren, egal aus welcher Altersklasse, Kultur oder Schicht sie kommen. Als Frau bin ich schockiert zu sehen, wie viel Zeit und Energie – und Geld – wir dafür verschwenden sollen, unsere Körper als Gegenstand zu betrachten, anstatt dessen immense subjektive Weisheit dafür zu gebrauchen, die Welt wahrzunehmen und zu einer Begegnung und Diskussion mit der Welt um uns herum beizutragen. Als Feministin kämpfe ich für das Recht, in einer Gesellschaft funktionsfähig zu sein. Ich möchte vor allem die Art und Weise, wie wir die weibliche Erfahrung von Körperlichkeit verstehen, verändern. Der Körper ist weder eine Hülle noch eine Maske, sondern eine Welt in sich: Fleisch und Knochen, psychische Vergangenheit und Gegenwart, die wesentliche Substanz eines Menschen. Die Wahrnehmungsfähigkeiten des Körpers auf dem Niveau der Zelle auszunutzen, die Beziehung zwischen Anziehungskraft und Raum und zu anderen Menschen zu erforschen, heißt, einen neuen Raum für Gegenwart, Dasein, Aktion, Begegnung, Diskussion und Wahl zu schaffen. Neue Sprachen – visuelle, räumliche und experimentelle – entstehen mit dem Tanz und verwandten somatischen Übungen. Diese Sprachen können direkt zum Feminismus und zu den Konzepten des „Post-Kapitalismus“, in dem Kunst eine sehr wichtige Rolle spielt, beitragen. „Man kann alles haben“ – Die große Illusion. Nina Power behauptet, dass wir schon über den Objektcharakter hinaus und auf gewisse Weise so zersplittert und durchdrungen von „dem wirklichen Horror der modernen Welt“ sind, dass es „kein Zurück“ gibt. Ich habe Mitleid, aber damit bin nicht ganz einverstanden, denn ich sehe den Objektcharakter weiterhin als Angriff auf etwas Innerliches und Unbeachtetes. Und ich habe das Gefühl, dass die Erforschung meiner Körperlichkeit das Mittel ist, um Subjektivität zu bewahren, wenn man angegriffen wird. Der Körper mit seinen Instinkten und seinem Bewusstsein ist ein relativ unerforschter Bereich. Und obwohl es dem Kapitalismus schon gelungen ist, unsere Körper zu gestalten – uns durch Fast Food dicker zu machen, oder dünner durch Diäten und Schönheitsoperationen – bleibt er ziemlich machtlos, wenn er mit einer Person konfrontiert wird, die sich dessen bewusst ist, was der Körper ist, was er braucht und zu sagen hat. Ein gefühlter und erlebter Körper bietet großen Schutz und hilft bei der Durchsetzung seiner selbst. Nina Power beklagt mit Recht, dass man Frauen eine sinnlose Illusion verkaufte, und zwar, dass man „alles haben kann“. Man erwartet von uns, sagt sie, dass wir erwarten, „eine Karriere, Kinder, ein tolles Sexleben, eine Wohnung und einen Mann zu haben. Niemand kann ,alles haben‘. Das ist eine Fantasie, ein Mythos. Wirklich alles zu haben, hieße, außerhalb dieser Fantasie zu leben.“ Sie hat Recht, und ich bin fest davon überzeugt, dass eine empfindsame Beziehung zu dem körperlichen Selbst ein lebenswichtiges Element ist, wenn es darum geht, außerhalb dieser Fantasie zu leben. Shop Window war vielleicht ein ungeschickter, aber authentischer Versuch, die Wirklichkeit des erlebten Körpers durchzusetzen – eine variierte, persönliche und aktive Erfahrung, die im intersubjektiven Austausch mit anderen live stattfindet, aber umzingelt ist von den heißen Mächten des Konsums, der Tauschbeziehung, der Geschlechterpolarisierung usw. Die Zuschauer waren dazu aufgerufen, nah an uns heran zu treten und uns zu beobachten. Nach einer Weile gaben wir ihnen Kameras (verschiedene für Frauen und Männer) und ermutigten sie, uns zu fotografieren und so bewusst die Beziehung zwischen der erlebten Präsenz und der Bildkonstruktion wahrzunehmen. Die Spannung war manchmal kaum auszuhalten. Viele Frauen, darunter viele Elle-Leserinnen, sagten, wie erleichtert sie einfach waren, dem, was im Alltag indirekt überall vorhanden ist, direkt und bewusst zu begegnen. Wir wurden natürlich ausgebeutet, da Fotografen uns mit ihren eigenen Kameras fotografierten, ohne dass wir wussten, wozu. Aber damit werde ich mich wohl abfinden müssen. Ich denke ernsthaft über eine Wiederholung nach, und zwar diesmal in Burkas. Die Mainstream-Kultur sieht uns mit der Unterstützung der Werbeindustrie als Sexobjekte. Der Kapitalismus sieht uns als billige Arbeitskräfte – wir werden ausgebeutet und sollen dafür dankbar sein. Die Moral der Mittelschicht sieht uns als Nutten und Angeberinnen. Da wir uns unfähig fühlen, in das System hinein zu gelangen und in ihm zu funktionieren, kritisieren wir uns selbst und scheitern bei dem Versuch, einander zu unterstützen. Wir sind mit anderen Problemen konfrontiert als vor 40 Jahren während der Welle des wirklich effizienten Feminismus. Soziale Strukturen und Geschlechtererwartungen sind in vieler Hinsicht subtiler und komplexer als in den 50er und 60er Jahren. Dies macht es unvermeidlich schwieriger, sie zu identifizieren und ihnen zu widerstehen. Es ist eindeutig, dass eine neue Welle des feministisch prüfenden Blicks nötig und durchaus auf dem Wege ist. „Sollte der Feminismus es jetzt schaffen, den imperialistischen und konsumorientierten Schleier abzuschütteln, könnte er die eigenen lebensnotwendigen, verändernden politischen Ansprüche wieder ins Zentrum des Interesses rücken“, schlussfolgert Nina Power in One Dimensional Woman. Wenn der Feminismus, würde ich hinzufügen, sich mit der Frage der Körperlichkeit in der westlichen Kultur auseinandersetzen kann, und sich mit der Bewegung abstimmt, die Vorrangstellung des Geistes neu auszutarieren, dann wird dies positive Veränderungen mit sich bringen, sowohl für die Menschheit generell, als auch für die Möglichkeiten, die Frauen in dieser Welt haben. Aus dem Englischen von Anna-Katharina Johannsen.
01.02.2010
Empfohlene Artikel
|
04.02.2020 10:17
Letošní 50. ročník Art Basel přilákal celkem 93 000 návštěvníků a sběratelů z 80 zemí světa. 290 prémiových galerií představilo umělecká díla od počátku 20. století až po současnost. Hlavní sektor přehlídky, tradičně v prvním patře výstavního prostoru, představil 232 předních galerií z celého světa nabízející umění nejvyšší kvality. Veletrh ukázal vzestupný trend prodeje prostřednictvím galerií jak soukromým sbírkám, tak i institucím. Kromě hlavního veletrhu stály za návštěvu i ty přidružené: Volta, Liste a Photo Basel, k tomu doprovodné programy a výstavy v místních institucích, které kvalitou daleko přesahují hranice města tj. Kunsthalle Basel, Kunstmuseum, Tinguely muzeum nebo Fondation Beyeler.
|
Kommentar
Neuen Kommentar einfügen