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Alles fest im Griff – die Regulierung des öffentlichen Raumes in Wien
Zeitschrift Umělec
Jahrgang 2009, 2
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Alles fest im Griff – die Regulierung des öffentlichen Raumes in Wien

Zeitschrift Umělec 2009/2

01.02.2009

Elisabeth Mayerhofer | zeitökonomie | en cs de

Wien ist bekannt für seine gut ausgebaute Administration, welche sich in einem konstanten politischen Klima (die Sozialdemokratische Partei stellt seit 1945 den Wiener Bürgermeister) entsprechend verfestigt hat. Im letzten Jahrzehnt wurden allerdings Neustrukturierungen vorgenommen, die primär darin bestanden, Aufgaben, die bis dahin von der öffentlichen Hand übernommen wurden, in privatwirtschaftliche Strukturen – zumeist stadtnahe Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHs) – auszulagern. Aus der strategischen Position der Machterhaltung hat dieses Vorgehen den Vorteil, bestimmte Bereiche den Berichts- und Legitimationsverpflicht- ungen zu entziehen, denen öffentliche Stellen ansonsten unterlegen sind. Formal handelt es sich dabei nicht mehr um weisungsgebundene Organisationen, de facto ist der politische Durchgriff über ein Geflecht von Personen, Anteilen und Leistungsvereinbarungen weiterhin gegeben. Die politische Verantwortlichkeit verschwimmt allerdings. Und an dieser Stelle kommt der öffentliche Raum, konkret die Kunst im öffentlichen Raum, ins Spiel.
Denn auch hier wurde die für diesen Bereich zuständige Administrationseinheit ebenfalls in eine private Struktur, die Kunst im öffentlichen Raum GmbH, übergeführt.1 Die GmbH Kunst im öffentlichen Raum ist einer Ausstellungsinstitution, der Kunsthalle Wien angegliedert und verfügt über ein jährliches Budget von ca. 800.000 Euro. Externe ExpertInnen bilden eine Jury, die in regelmäßigen Abständen wechselt und vergeben die Gelder. Außerhalb dieses Budgettopfes ist es nur unter großen Schwierigkeiten möglich, ein Projekt zu finanzieren. Aufgabe des KÖR ist es auch, die administrativen Hürden, die sich aus der gewachsenen Administration des öffentlichen Raumes ergeben, zu überwinden helfen – ein Unterfangen, das bisher nur in Ansätzen umgesetzt wurde.2 Denn diese Hürden stellen ein weiteres zentrales Problem für künstlerische Arbeiten im öffentlichen Raum dar. Projekte sehen sich einer Unzahl an Bewilligungsverfahren und Verwaltungsabgaben gegenüber, so dass viele, vor allem kleinere Projekte bereits im Ansatz scheitern.
Ein weiterer Aspekt ist die zunehmende Unterordnung des öffentlichen Raumes unter kommerzielle Interessen, was anhand des noch relativ jungen Verbotes freien Plakatierens illustriert werden kann. 2008 wurden freie Plakatflächen empfindlich eingeschränkt, indem flächendeckend im Wiener Stadtgebiet von einem ebenfalls der Stadt nahe stehenden Unternehmen vorgefertigte Plakatflächen angebracht wurden, bei gleichzeitiger Klagsandrohung gegen freies Plakatieren. Einige wenige Flächen wurden „frei“ gelassen, der Rest soll nun in geordnete Bahnen gelenkt werden – wer Plakatflächen braucht, kann sie kaufen. Unter Berücksichtigung entsprechender Vorlaufzeiten und gegen einen Preis, der für viele kleine KulturproduzentInnen prohibitiv ist. Nun ist die Einschränkung der frei zugänglichen Werbeflächen nur indirekt in Zusammenhang mit Kunst im öffentlichen Raum zu sehen, illustriert aber gut das Wiener Zusammenspiel zwischen Verwaltung und kommerziellen Interessen: Einerseits werden die Maschen des ohnehin schon stark ausgeprägten Verwaltungsnetzes enger gezogen und gleichzeitig einem (kultur-)politischen Diskurs entzogen. Andererseits wird die Verfügbarkeit des öffentlichen Raumes an sich immer mehr auf Großevents kommerzieller AnbieterInnen eingeschränkt, da nur diese die finanziellen wie auch personellen Kapazitäten haben, Bewilligungen unter diesen Rahmenbedingungen zu erlangen. Und wer es sich nicht leisten kann, muss sich entweder in den Innenraum oder die Illegalität zurückziehen. Das Zulassen kleinerer, unkontrollierbarer Interventionen – ohnehin nie eine Spezialität Wiens – verschwindet zugunsten kommerziell ausgerichteter Konsumveranstaltungen, bei denen passives Konsumieren im Mittelpunkt steht.
Zusammenfassend kann konstatiert werden, dass Wien kein günstiger Boden ist, wenn es darum geht, Entwicklungen zuzulassen – schon gar nicht, wenn damit irgendeine Art von Öffentlichkeit erzeugt wird. Denn Bewegung braucht Verwaltung. Unkontrollierbare Aktionen im urbanen Raum – seien sie auch noch so klein – scheinen beachtliche Ängste in Politik und Verwaltungsapparat auszulösen. Und so kommt es zu einer vermeintlich widersprüchlichen Mischung aus Kontrollpolitik und Privatisierung, die aber gerade in dieser Kombination funktioniert: Der öffentliche Raum wird als Werbemedium an die Höchstbietenden verkauft.
Elisabeth Mayerhofer, Forschungsgesellschaft für kultur-politische und kulturökonomische Studien, Wien.


1 Den detaillierten Prozess dieser Umwandlung inklusive der Übergangsstruktur, des Fonds Kunst im Öffentlichen Raum hier zu beschreiben, würde die Grenzen dieses Beitrages überschreiten.
2 So konnte 2008 ein Projekt der Gruppe netbase, das vorsah, die Schatten von Helikoptern auf den Boden der Innenstadt zu sprühen, aus Sicherheitsgründen nicht realisiert werden.




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