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Die aktiven RaumstrategenZeitschrift Umělec 2009/101.01.2009 Janin Walter | raumstrategien | en cs de es |
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In der kurzen Existenz des Studiengangs Raumstrategien ist es bereits einer interdisziplinären und interkulturellen Gruppe gelungen, durch strategische Interventionen im Stadtraum Berlin für sich eine Medienöffentlichkeit herzustellen.
Alle Künstlerinnen dieser Gruppe haben unterschiedliche Hintergründe, Interessen und Haltungen in Bezug auf die Raumstrategien. Maria Luisa Stock zum Beispiel wurde 1985 in São Paulo, Brasilien, geboren und hat dort bildende Kunst studiert. Ihr Interesse liegt im privaten Lebensraum, in dem sie Ordnungsmuster analysiert, herausschält und versucht, eine Reflexion über das Alltagsleben auszulösen. Lebensraum, das ist der Raum, in dem man wohnt, das Gewohnte. Das Gewohnte ist eine bestimmte Ordnung, eine Wiederholung von alltäglichen Aktionen. Jeder, der wohnt, entwickelt bestimmte Rituale, die sich in Objekten materialisieren. Welche Botschaft tragen diese Objekte aus? Die Objekte vermitteln eine Botschaft, sind geprägt von Geschichten, Erinnerungen, Träumen. Eine andere Umgangsweise mit dem physischen Raum definieren Regina Weiss und Katinka Theis. Beide sind bildende Künstlerinnen aus Deutschland, die bereits an vielen Ausstellungen teilgenommen haben und als Duo aktiv sind. Für sie sind es persönliche Lebensentwürfe, die besonderen Anteil an einer Raumdefinition haben, diese bezeichnen sie als „dritten Raum“. Der dritte Raum ist die Verbindung unserer unabhängig voneinander entwickelten künstlerischen Ansätze: Der Beschäftigung mit utopischen Raumkonzepten und der Frage nach den persönlichen Lebensentwürfen, die diese Räume prägen. Beide Herangehensweisen sind verknüpft mit der Erfahrung einer permanenten Bewegung räumlicher und gesellschaftlicher Normen, deren geschichtliche Verankerung und zukünftige Bedeutung offen ist. In unserer gemeinsamen Arbeit gehen wir von der Atmosphäre eines räumlichen Beziehungsgeflechts zwischen Mensch und Materialität aus. Atmosphäre meint dabei die alltägliche Wahrnehmung räumlicher Konstruktionen in ihrer materiellen Schichtung und internen Verschiebungen, den Anzeichen der vergehenden Zeit. Raum entsteht durch die Kommunikation von Körpern. Auf der Suche nach Funktion und Bedeutung vorgefundener räumlicher Situationen legen wir in unserer Arbeit das Beziehungsgeflecht der beteiligten Gegenstände frei. Mit dreidimensionalen Eingriffen betonen wir die unmittelbare Wirkung von „Umraum“, in dem jeder beteiligte Körper ein möglicher Akteur ist. Abhängig von den Domänen, aus denen die Künstlerinnen stammen, wird ihr Interesse am Raum bestimmt, der nicht immer der uns umgebene physische Raum sein muss. Es kann der Raum der Imagination sein, der virtuelle Raum oder auch der „flüchtige“ Raum, der für Nathali Fari, aus São Paulo, Brasilien, kommend, eine Rolle spielt. Sie als Performancekünstlerin begreift die Performance als „flüchtigen Raum“, den sie weg vom „White Cube“ in die Öffentlichkeit tragen möchte. Deshalb sucht sie sich Orte wie Schaufenster eines Kaufhauses oder Plätze in der Stadt, in denen sie ihre Haltung in eigenwilliger Weise deutlich macht. Leentje van Wirdum aus den Niederlanden hat sich in den letzten Jahren als Grafikdesignerin mit dem virtuellen Raum beschäftigt. Nun versucht sie, den virtuellen mit dem physischen Raum miteinander zu verknüpfen oder in Bewegungsströme einzugreifen. Weil ich von der Wirkung, die die Umgebung auf mich hat, fasziniert bin, interessiert mich vor allem der physische Raum und speziell der Übergang von Kultur und Natur. Der Raum, wo das Natürliche und das Künstliche aufeinander treffen. Ein anderer Aspekt von Raum, der mich interessiert, ist die Funktion als Durchgangsraum. Wie bewegen Menschen sich im Raum und wie kann man durch Raumstrategien die Erfahrung von „gehen“ verändern oder beeinflussen? Im Allgemeinen geht es allen Künstlerinnen um die Funktion von Kunst als Objekt, das eine aktive Beziehung mit der Umgebung und dem Betrachter eingeht. Kunst überhaupt als “Aneignungsbeziehung” zu verstehen, aber nur dann, wenn Aneignung nicht in lähmendes Besitz-Ergreifen verfällt, sondern flexibel und transformierend bleibt. Die Frage nach der Darstellung von gefühltem Raum, Raum, der etwas in uns bewirkt und uns zugleich wie eine Hülle umgibt, ist dabei ebenso interessant. Beim Darstellungsversuch dessen wird die Zentralperspektive obsolet. Deshalb suchen einige von Ihnen nach anderen Medien oder Darstellungsformen, die die Abhängigkeit von Bild, Raum und dem Subjekt im Raum deutlich machen und dem Betrachter den Raum geben, seine eigene Geschichte zu erfinden. Das Erfinden der eigenen Geschichte könnte den Effekt haben, dass etwas nicht nur gegenüber ist, sondern dass wir in die Bilder hineingezogen werden, wir Bilder nicht mehr getrennt von unserem Körper wahrnehmen. Roos Versteeg, eine Fotokünstlerin aus den Niederlanden, hat durch die Dominanz der virtuellen Welt in unserem Alltag einen Zugang, der unsere Leiblichkeit deutlich macht. In meinen letzten Arbeiten ist mir das Bewusstsein meiner Position sehr wichtig geworden. In einer virtuellen Welt, in der der Raum nicht mehr absolut ist, kann ich nur meine Position noch kennen. Dieses Bewusstsein erfordert eine klare Wahrnehmung meiner Umgebung. Der Zuschauer kann meine Position manchmal auch einnehmen oder wird sich seiner eigenen bewusst. Oft bin ich selber anwesend, um die Arbeit zu beleben. Danach kann man die Arbeit meist mit nach Hause nehmen, oder es bleibt nur eine Erinnerung. Des Weiteren interessiert andere das Einsetzen von unterschiedlichen Medien im Raum. Veronica Lehner, eine kolumbianische Malerin aus Bogota zum Beispiel, untersucht die Möglichkeiten der Malerei im Raum. Ich versuche, mittels ortsspezifischen Interventionen, Handlungen und Aktionen auf die eigenwilligen Qualitäten des Raumes zu reagieren, um zu einer Erkenntnis zu gelangen, durch die Objekt und Bedeutung hinter die Wahrnehmugserfahrung zurücktreten. Elinore Burke, eine Bildende Künstlerin aus Nashville, TN, USA, setzt ihren Körper als intervenierendes Objekt im öffentlichen Raum ein. Man könnte ihn einen Parasiten im Raum nennen, da er ihm über seine Präsenz eine neue Bedeutung gibt und Benutzer aufgefordert werden zu verweilen. Denn Alltag bedeutet vielleicht nicht nur, an irgendwelchen Orten zu verweilen, sondern auch bei etwas zu verweilen. Alltag verlangt möglicherweise eine bestimmte Form von Aufmerksamkeit, die Unbemerktes bemerkbar und Unerkanntes erkennbar macht. Aufmerksamkeit für das Alltägliche erfordert eine Verschiebung der Wahrnehmung, des Fokusses. Es geht immer wieder um die Frage, wie man sichtbar machen kann, was unter die Sichtbarkeitsschwelle gesunken ist, und wie man scheinbar Bedeutungslosem Bedeutung verleihen kann. Das Objekt im Raum und deren Inbesitznahme, die Hinwendung zu den Affekten spiegelt die Sehnsucht wieder, sich über die ästhetische Wahrnehmung einen basalen Zugang zur Welt zu erschließen. Janin Walter ist Tutorin am Studiengang RaumStrategien, Sie hat Architektur an der TU Berlin studiert, später in den Niederlanden und der Schweiz als Urban Designer gearbeitet. Ausgehend von der Bearbeitung von StadtRaum und der Erarbeitung von Revitalisierungsprozessen für urbane Konversionsflächen interessiert sie die Transformation der Wahrnehmung aus dem Bewusstsein gefallener StadtRäume anhand unerschiedlicher Medien, wie Performance, Film und Grafik. Über kontextbedingte Interventionen werden Latenzen zur Immanenz gebracht oder aber herkömmliche Sichtweise in Frage gestellt.
01.01.2009
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