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Die vergessene Utopie
Zeitschrift Umělec
Jahrgang 2010, 2
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Die vergessene Utopie

Zeitschrift Umělec 2010/2

01.02.2010

Darja Kostina | in transition | en cs de ru

Die Entstehung des sowjetischen Konstruktivismus in den 1920er Jahren – eine markante architektonische Erscheinung – war mit einer Reihe von Umständen und gesetzmäßig auftretenden Bedingungen verknüpft. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde in Russland die Notwendigkeit einer Annäherung von Form und Inhalt architektonischer Bauten sichtbar. Die Krise, die damit verknüpft war, dass die ingenieurtechnische und die künstlerische Sphäre des Bauwesens nicht zusammenarbeiteten, hatte zu einer bedeutenden architektonischen Degeneration geführt. Die Suche nach Auswegen aus dieser Krise fiel mit der Entstehung neuer stilbildender Konzeptionen zusammen. Diese waren das Ergebnis schöpferischer Experimente der russischen Künstleravantgarde, zu der K. Malewitsch, V. Kandinski, A. Rodtschenko und V. Tatlin zählten. Die Konzepte schlugen sich in der frühen sowjetischen Architektur nieder und fanden dort ihre Entfaltung – vor allem dank der Entwicklung von Stahlbetonkonstruktionen. Das neue Material, der Stahlbeton, gab den Architekten völlig neue Möglichkeiten bei der Gestaltung von Bauten. Balkenlose Stahlbetondecken, die im Jahr 1905 von dem Ingenieur A. Loleytom konzipiert worden waren, wurden zur Grundlage eines konstruktiven Systems, das die Tektonik der Fassade grundlegend veränderte. Die stützenden Konstruktionen wurden in das Gebäude hinein verlegt, so dass die Fassade freier gestaltet werden konnte, dies insbesondere mit großen Verglasungsflächen. So entstanden neue, funktional klare architektonische Formen nach rationalen Plänen. Die Geometrie der kompositorischen Lösungen, die Lakonie der Fassaden, die Abwesenheit von Dekor, die Asymmetrie der Ausmaße, der Bau von Fensterbändern, Erkern, geschwungenen Balkonen und Nischen wurden zu Kennzeichen dieses Stils.
Obwohl sich der frühe sowjetische Konstruktivismus – wie S. O. Khan-Magomedov bestätigt – praktisch ohne Kontakte zu den neuen westeuropäischen Strömungen in der Architektur entwickelte, ging die Architektur des Westens in dieser Zeit einen ähnlichen Weg. Der Hauptunterschied aber zwischen dem russischen Konstruktivismus und dem westlichen Funktionalismus in der Architektur bestand darin, dass die Architektur des neuen sowjetischen Staates auf die Art des Denkens der sowjetischen Bürger einwirken sollte. Die Wiederspiegelung der Ideologie in der Architektur und die totale Unterordnung derselben unter die Ideologie wurden zur wichtigsten Bedingung für die Ausbildung der charakteristischen Merkmale des sowjetischen Konstruktivismus.
Während die Architektur des Bauhauses eine klassenlose, demokratische Massenarchitektur anstrebte, hatten die sowjetischen Architekten den Auftrag, eine Architektur neuen Typs für eine konkrete Klasse zu schaffen – das Proletariat. Der Konstruktivismus spiegelte als schöpferische Methode den utopischen Pathos des jungen sowjetischen Staates wieder und entwickelte sich nach der Idee von der Schaffung einer idealen Gesellschaft. Es ist eine Ironie des Schicksals, dass sich der Begriff „Konstruktivismus“ nicht nur auf die Idee der Offenlegung von Baukonstruktionen bezieht, sondern auch die dahinter stehende Idee wiederspiegelt – das Bewusstsein des Menschen zu konstruieren.
Die Ideen des Kollektivismus als selbstverständlichste und richtigste Form des Zusammenlebens von Menschen fanden ihren Niederschlag im Prinzip der „Vergesellschaftung des Alltags“. Zusammen mit der Bewegung zur „Befreiung der Frau“ und der Organisation von Bedingungen für ein aktives gesellschaftliches Leben und eine ertragreiche Arbeit wurde dieses Prinzip zum Impuls für neue Gebäudetypen und städtebauliche Entscheidungen. In sowjetischen Städten begannen Kommunalwohnungen zu entstehen, ferner Wohnkombinate und Fabrik-Küchen, Waschsalons, Clubs und andere Einrichtungen, die Dienstleistungen für Arbeiter anboten. Damals gab es weltweit nichts, was einer solch verzweigten Bautypologie geähnelt hätte; die Wohnkommune „Marseiller Block“ von Le Corbusier entstand erst 1951.
In Swerdlowsk dauerte das Jahrhundert des Konstruktivismus zwar keine zehn Jahre an, in dieser kurzen Periode aber wurden über 140 konstruktivistische Gebäude gebaut. Das Auftauchen der Avantgarde-Architektur hatte hier mit der sich verändernden Lage der Stadt zu tun: 1923 wurde Jekaterinburg zum administrativen Zentrum des riesigen Uraler Gebiets, das die heutigen Gebiete Swerdlowsk, Tscheljabinsk, Perm, Tjumen und Kurgansk umfasste und 1924 in Swerdlowsker Gebiet umbenannt wurde.
Die heruntergekommene und bis dato schlecht gebaute Stadt, gänzlich ohne Kanalisation und Wasserleitungen musste ihren neuen Status bekräftigen. Schon 1926 begann die Ausarbeitung eines Generalplans zur Rekonstruktion Swerdlowsks unter der Leitung der Sankt-Petersburger Architekten S.V. Domborovskij und N.A. Bojno-Rodzevich, die Anfang der dreißiger Jahre abgeschlossen wurde. Die Entscheidung, das Stadtterritorium auszuweiten, war in dieser Situation keine Überraschung.
An der Umwandlung eines Provinzstädtchens in ein experimentelles Laboratorium für die Meisterung von Avantgarde-Architektur waren Vertreter dreier Architekturschulen aus Moskau, Sankt-Petersburg (damals Leningrad) und Tomsk beteiligt. Die Tomsker Architekten V.I. Smirnov, M.V. Rejsher, E.S. Balakshina und S.E. Zakharov gründeten 1928 die Uraler Abteilung Zeitgenössischer Architekten UralOSA. Ihren Anteil an der Gestaltung des neuen Gesichts der frischgebackenen Ural-Hauptstadt hatten auch die Leiter der sowjetischen Architektur-Avantgarde, die Brüder Vesniny, deren frühere Projekte für Moskau (Palast der Arbeit, Gebäude der Moskauer Abteilung der Leningrader Wahrheit, Telegraf und andere) zur Mustersammlung wurden und faktisch den Entwicklungsgang des sowjetischen Konstruktivismus prägten. Die Uraler Architekten A.M. Tumbasov, G.P. Valenkov, K.T. Babykin, K.V. Glushkov und andere übernahmen die Erfahrungen der neuen Kollegen rasch.
Die Idee, eine „starke Industrie des Alltags“ mit qualitativ neuen Bedingungen für das Leben der sowjetischen Arbeiter zu schaffen, fand ihre Verkörperung in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre im Bau einiger riesiger Wohnkomplexe – der Stadt der Miliz, der Häuser des Swerdlowsker Stadtsowjets und zwei Wohnkombinaten des NKWD. Die Wohnungen in diesen Häusern hatten gute Beleuchtung, die Innenhöfe waren isoliert und mit Spiel- und Sportplätzen ausgestattet.
Der bekannteste dieser Komplexe war das sogenannte Städtchen der Tschekisten (1929-1936) – eines der beiden Kombinate des NKWD. Das Städtchen wurde zu einem der ersten Beispiele der komplexen Bebauung des Stadtviertels. Hier nutzten die Leningrader Architekten I.P. Antonovy, V.D. Sokolov und der Uraler A.M. Tumbasov neue städtebauliche Verfahren. Auf dem Plan stellt der Komplex ein Vieleck dar, das von Norden nach Süden orientiert ist. Um das Vieleck herum sind Wohnblöcke aufgestellt. Die dominante Raumkomposition des Komplexes ist ein zehnetagiges, hufeisenförmiges und im Plan an eine Sichel erinnerndes Gebäude des „Wohnheims für Kleinfamilien“. Seine zentrale Fassade geht auf die Hauptstraße hinaus – die Lunacharskij-Straße und den Leninprospekt, womit die Raumorganisation einer der Hauptkreuzungen folgt. Das rhythmische Zusammenwirken aller Baukomplexe wird dadurch verstärkt, dass alle Korpusse zur Hauptlinie der Bebauung im Abstand eines 10-Gradwinkels stehen.
Im Hof gibt es einen Kindergarten, einen „Univermag“ (Supermarkt) und einen medizinischen Korpus. Das ganze Territorium des halboffenen Hofes wurde in eine sportive, eine Spiel- und eine Erholungszone aufgeteilt. Die Wohnungen in den drei Wohnkorpussen des Komplexes sind eines Typs. Den Hauptanteil des Grundrisses nehmen die Wohnzimmer ein, die im Durchschnitt zwanzig Quadratmeter umfassen. Küchen existieren als abgetrennte Räume nicht, weil die Zubereitung von Speisen nicht in die utopische Vorstellung vom neuen sozialistischen Alltag gehörte. Als Küche dient ein kleiner Raum von ungefähr zwei Quadratmetern im Korridor, wo der Herd steht: Mittagessen, die in der Fabrik-Küche hergestellt wurden, oder im Univermag gekaufte Halbfabrikate sollten nur warm gemacht werden. Eine andere Besonderheit dieser Wohnungen war und ist die Anwesenheit von Fenstern im Badezimmer. Erkerfenster oder Balkons dienen einer optimalen Konzentration des Sonnenlichts in den Wohnzimmern und sind verbindende architektonische Motive.
Auf der ersten Etage des halbzylindrigen Wohnheimkorpus befand sich eine Mensa. Auf der Ebene des zweiten Stocks war das Gebäude durch eine Art Galerie mit einem Club verbunden, in dem die Bewohner des Städtchens ihre freie Zeit verbringen sollten. Die blind endende Wendeltreppe aus Stahlbeton im Club demonstrierte anschaulich die neuen plastischen Möglichkeiten dieses Materials.
Eine große Anzahl an Denkmälern des Konstruktivismus befand sich auf dem Leninprospekt, was in vieler Hinsicht den Charakter der Straße ausmachte. Gegenüber dem Wohnheim des Tschekisten-Städtchens an der Ecke des Leninprospekts und der Lunacharskij-Straße steht das Gebäude des „Clubs der Baumeister“, das vom Moskauer Architekten J.A. Kronfeld im Stil des Konstruktivismus in seiner ursprünglichsten Form erbaut wurde. Ein Druckhaus, das 1929-1930 aus monolithischem Stahlbeton vom Architekten G.A. Golubev für die Zeitung „Uraler Arbeiter“ gebaut wurde, geht mit der Längsseite seiner Fassade auf den Leninprospekt hinaus,.
Das ausdrucksvolle „Haus der Kommunikation“ – heute das Hauptpostamt – wurde 1934 vom Architekten K. Solomonov erbaut und befindet sich ebenso auf dem Leninprospekt. Hier waren die Postabteilung, das Telegrafenamt, eine automatische Telefon-Vermittlungsstelle und eine internationale Telefonstation untergebracht. Auf der anderen Seite der Hauptverkehrslinie befand sich auf dem Platz der Arbeit das Gebäude des Gebietssowjets, das Anfang der dreißiger Jahre nach einem Projekt von S.V. Zakharov erbaut wurde.
Der von der Partei 1929 gefasste „Entschluss über die Sportbewegung“ führte dazu, dass im ganzen Land Sportkomplexe, Sportplätze und Stadien gebaut wurden. Swerdlowsk war hier keine Ausnahme: 1931 begann der Architekt V.D. Sokolov, der an der Erarbeitung des Plans für das Tschekisten-Städtchen beteiligt gewesen war, mit dem Entwurf und Bau des Sportclubs „Dynamo“. Das Gebäude des Clubs besteht aus zwei auseinandergezogenen, mehrstöckigen Baukörpern, die durch eine verschlossene Galerie miteinander verbunden sind, welche sich auf der Höhe des ersten Stocks befindet. Der südliche Pavillon, dessen Vorderseite auf die Seite des Stadtteiches gerichtet ist, hat drei Etagen und wird nach oben von einem erhöhten fünfstöckigen, halbrunden Aussichts-„Türmchen“ abgeschlossen. Ein herausstehender dreieckiger Erker erinnert an den Bug eines Schiffs. Der nördliche Pavillon besteht ebenfalls aus zwei Objekten mit unterschiedlicher Stockwerkzahl. Der Teil, der sich in der Nähe des südlichen Hauptkorpus befindet und sich mit ihm verbindet, hat drei Etagen und war für die Aufbewahrung von sportlicher und medizinischer Versorgungsmittel sowie die Unterbringung einer medizinischen Station gedacht. Der längere zweite Teil des Pavillons verfügt nur über zwei Stockwerke und endet mit einer halbrunden Stirnseite, umgürtet von einer Reihe Balkons mit Dächern auf der Höhe beider Etagen, was stark an ein Zwischendeck am Heck eines Schiffs erinnert. Auch die runden Fenster und die Balkone der Seitenfassaden mit blind endenden Geländern, die an Rettungsschaluppen erinnern, lassen an ein Schiff denken.
1928 wurde mit dem Bau der Uraler Maschinenfabrik begonnen. Die Versorgung der Arbeiter mit Wasser musste schnell geschaffen werden. Den Auftrag bekam der Architekt M.V. Rejsher, der in seinem Entwurf einen Wasserturm im Stil des Konstruktivismus vorgeschlagen und damit die Ausschreibung gewonnen hatte. Der Turm hatte eine Höhe von 29 Metern und bestand aus zwei geometrischen Objekten aus Stahlbeton – einem Zylinder für den Wassertank und einem Parallelepiped einer Treppenzelle. Der Tank stützt sich zusätzlich auf vier Säulen und ist mit dem Schlitz einer Fensterreihe und runden Fenstern im Stil von Bullaugen versehen. Die Treppe führt zu zwei Aussichtsplattformen, von denen sich die eine auf dem Dach des Tanks, die andere in einem kleinen geschlossenen Pavillon über ihm befindet. Die Einfachheit und der Ausdruck der formplastischen Lösung sowie die sichtbare Verbindung mit ihrer Funktion machten diesen kleinen Industriebau in der ganzen Welt bekannt. Ein ähnlicher Wasserturm entstand im Werk „Die Rote Nagelschmiede“ in Leningrad. Sogar in einem Milchwerk in Nordchina baute man eine analoge Konstruktion. Während seiner Errichtung war der Tank des „Weißen Turms“, wie er wegen seines weißen Anstrichs genannt wurde, mit einem Umfang von 70 Kubikmetern der größte Tank der Welt, nur in Chicago gab es einen, der um 40 Kubikmeter kleiner war.
Der Turm wurde an der höchsten Stelle der Erhebung des Gebietes gebaut und war die Hauptdominante des Panoramas – man konnte ihn von allen Punkten des Fabrikterritoriums und des Wohnbereichs des sozialistischen Städtchens aus sehen.
Der Aufschwung des Swerdlowsker Konstruktivismus wurde in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre aufgrund des Wandels der ideologischen Bedürfnisse abrupt unterbrochen: Die Illusion, eine ideale Gesellschaft der Zukunft zu bauen, musste der Illusion des siegreichen Sozialismus weichen. Feierliche und üppige klassizistische Elemente, Monumentalität und Schwergewichtigkeit kehrten in die Architektur zurück. Der neue Stil der sowjetischen Architektur wurde als Stalinscher Imperialstil bezeichnet, der Konstruktivismus aber wurde nicht nur vergessen, sondern als Begriff selbst lange ignoriert, sogar in der sowjetischen Fachliteratur. 1930 stellte man das Journal „Zeitgenössische Architektur“ ein, in dem über die Architektur-Avantgardisten berichtet worden war; 1934 wurde das Uraler Gebiet gegründet.
Viele Gebäude in Swerdlowsk, die man im Stil der avantgardistischen Tradition entworfen hatte, wurden mithilfe neoklassizistischer Stilmerkmale und Methoden vollendet. Dies führte im Prinzip zu der Entstehung einer weiteren architektonischen Strömung, dem Eklektizismus. Diese Periode wird heute als Postkonstruktivismus bezeichnet. Ein ähnliches Schicksal erfuhr der „Club der Arbeiter der Bildung“, (später das Bezirks-Offiziershaus), mit dessen Bau 1932 begonnen worden war. An eines der ursprünglich glatten und nüchternen Objekte wurde ein Portal mit einer Skulpturengruppe angebaut, die Rotarmisten darstellt. Der Entwurf sah außer den Portalen noch Pilaster, Balkons mit Balustraden sowie dekorative Kompositionen als Reliefs vor. Die Vertikale eines der Korpusse wurde mit einer Spitze geschmückt, die von einem Stern gekrönt wird.
Das Tabu avantgardistischer Verfahren in der Architektur führte zu einem allmählichen Verfall des Konstruktivismus. Erst im letzten Drittel des vergangenen Jahrhunderts entwickelte sich ein Bewusstsein für den künstlerischen und historischen Wert dieser Bauten. Seit einiger Zeit werden viele Gespräche geführt, die der Bedeutung des konstruktivistischen Erbes gewidmet sind. Aufgrund des Informationsmangels in der sowjetischen Periode über diese Erscheinung ist der Begriff „Konstruktivismus“ für viele Jekaterinburger (die historische Bezeichnung wurde der Stadt 1991 zurückgegeben) jedoch nach wie vor ein leerer Laut.
Die Utopie, die die sowjetischen Avantgarde-Architekten inspirierte, erfüllte sich nicht und wurde vergessen. Die zeitgenössischen Bewohner des Tschekisten-Städtchens genießen das Leben im Zentrum der Stadt, und jeder kommt auf seine Weise mit dem Mangel an einer Küche zurecht. Das Gebäude des Wohnheims hat seine Bestimmung praktisch nicht geändert – es beherbergt heute das Hotel Iset. Verändert hat sich aber die grundlegende Idee seiner Existenz: Das sozialistische Prinzip des Kollektivismus ist dem Prinzip der Marktbeziehungen gewichen. Und wenn in den sechziger Jahren auf dem Dach des Gebäudes in der Form eines Halbkreises die Aufschrift „Vorwärts zum Kommunismus“ prangte, sind die obersten Fenster des Iset heute beneidenswerte Flächen für Reklame. Die sozialistische Stadt Uralmash ist zum größten Viertel der Stadt geworden – dem Ordzhonikidze-Viertel, in dem die konstruktivistische mit späterer Bebauung verschmolzen ist. Im Gebäude des Sportclubs „Dynamo“ befinden sich weiterhin Sportorganisationen. Doch viele der Mitarbeiter haben keine Ahnung davon (wofür man sie kaum verurteilen kann), dass sie in einem einzigartigen architektonischen Denkmal arbeiten, wofür man sie kaum verurteilen kann. Alle diese Prozesse sind unausweichliche und natürliche Folgen der historischen Bedingungen.
Der sowjetische Konstruktivismus als ideologische Idee ist gestorben, doch der Konstruktivismus als avantgardistische Strömung der Architektur ist geblieben. Er hat sogar alle Chancen, zum neuen Markenzeichen der Stadt zu werden, das die Behörden so verzweifelt und bisher erfolglos suchen, wobei sie sogar, nach alter Denkart, das traurige Ereignis der Erschießung der letzten russischen Zarenfamilie in Betracht ziehen. Jekaterinburg gehört ohne Übertreibung weltweit zu den Hauptstädten des Konstruktivismus. Dies kann durchaus einen Bezugspunkt für die Herausbildung einer neuen lokalen Identität darstellen, an der es der Hauptstadt des Urals heute so fehlt. Der Vorteil eines solchen Markenzeichens ist, dass es keine Notwendigkeit gibt, es in Mythologie und Legenden einzuhüllen – diese Funktion erfüllen die Fakten selbst. Doch sind große Anstrengungen notwendig, um viele Denkmäler mithilfe einer fachmännischen Restauration in Ordnung zu bringen, allen voran den Weißen Turm, der seit langem nur von den örtlichen Graffiti-Sprayern beachtet wird.


Aus dem Russischen von Helena Maier.
Alle Fotos von Zoya Sergeeva, 2010

Für den Artikel wurde folgende Literatur verwendet:
Khan-Magomedov, S.O., Konstruktivizm: koncepcii formoobrazovanija. Moskva 2003.
Ekaterinburg. Nasledie konstruktivizma. Ekaterinburg 2009.
Materialien der Seite: http://www.1723.ru/





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