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IM GESPRÄCH MIT Robert ShapazianZeitschrift Umělec 2008/101.01.2008 Aaron Moulton | mythen | en cs de es |
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Das folgende Interview wurde anlässlich der Gruppenausstellung „The Art World“ geführt. Letztere fand vom 25. November 2007 bis 10. Januar 2008 in der Galerie Feinkost, Berlin, statt.
Sie waren einige Jahre lang Leiter der Gagosian Gallery in Los Angeles und selbst Kunstsammler von surrealistischer Fotografie, wenn ich nicht irre. Inwieweit überschnitt sich Ihr eigenes Interesse an Ästhetik und der Entwicklung zeitgenössischer Kunst mit dem, was sie bei ihrer Arbeit als Händler verkauften? Ich war 10 Jahre lang Leiter der Gagosian Gallery. Ich verließ die Galerie vor zwei Jahren, um Dingen nachzugehen, die mir wichtiger sind. Ich habe Kunst gesammelt, seitdem ich ein Teenager war. Besonders interessiert bin ich an asiatischer Kunst, französischen Möbeln des 18. Jh., experimenteller Photographie von 1839 bis zum Surrealismus, an illustrierten Büchern aus Russland, Marcel Duchamp, Andy Warhol sowie moderner und zeitgenössischer Kunst. Meine Kommentare sollten also im Zusammenhang mit meinen persönlichen Interessen und meiner speziellen Stellung im Kunstgeschäft gesehen werden. Um Ihre Frage zu beantworten: Ja, alles was ich in der Galerie getan habe, war stark von meiner persönlichen Beziehung zur Kunst beeinflusst. Da ein Sammler am leidenschaftlichsten ist, wenn es um die eigenen Interessen geht, hat es seine Zeitlang gedauert, bis ich ganz dabei war und Begeisterung für die unterschiedlichen Geschmäcker und Ideen aufbringen konnte; für die diversen Sammler und Käufer, die in die Galerie kamen. Mit der Zeit lernte ich, Wünsche, die sich von meinen eigenen unterscheiden, zu respektieren. Manchmal wurde ich von kommerziellen Gedanken geleitet – und passte besonders auf, um die richtigen Werke für den Verkauf zu finden. Aber im Grunde haben mich die vielen verschiedenen Gründe dafür fasziniert, warum Menschen Kunst kaufen und darüber so starke Gefühle haben. Manchmal ist es nicht gut, von einem Händler zu kaufen, der ein Sammler der Kunst ist, die du selbst sammelst. Der Händler könnte gegen dich kaufen – und die guten Arbeiten für sich selbst behalten. Ich bin kein Heiliger, glauben Sie mir. Aber für gewöhnlich habe ich versucht, die Sammler so zu beeinflussen, dass sie das kauften, was ich für das Beste hielt; ihnen also meinen besten persönlichen Rat zu geben. Manchmal wundere ich mich, warum ich das getan habe. Schließlich habe ich es so versäumt, ein paar fantastische Arbeiten für mich selbst zu kaufen. Ich glaube der Grund ist, dass ich im Herzen ein Lehrer bin (oder jemand, der in seine eigene verbale Performance verliebt ist). Deswegen bin ich meist sehr engagiert. Da Geldanlage für mich nie ein Grund für das Sammeln war, gehe ich in der Regel nach Ideen und Gefühlen. Vielleicht war ich nicht der beste kommerzielle Kunsthändler. Immerhin ist die zentrale Rolle eines Händlers das Handeln oder, wie wir in der GG manchmal scherzhaft gesagt haben, „das Produzieren einer Rechnung“. Obwohl ich es mag, Dinge zu kaufen und zu verkaufen, ist es nicht wichtig für mich auf längere Zeit, und wahrscheinlich auch nicht für meine kindliche Hingabe zur Kunst. Ich liebe es, mit Künstlern über ihre Kunst zu sprechen. Ich erfahre dabei viel über das Objekt und die Person. Das ist bewegend und inspirierend für mich. Wer, glauben Sie, hat einen unterschätzten Markt oder einen Künstler, dessen Arbeit ignoriert wird, weil sie nicht die Erwartungen des Marktes erfüllt, aber dennoch gut ist? „Gut” in wessen Augen? Ich persönlich kenne den heutigen Markt für zeitgenössische Kunst nicht so gut. Dennoch glaube ich, dass viele mittelmäßige Arbeiten ins Zentrum gestellt werden. Die Kunstindustrie braucht das Produkt, Action, Energie und Erfindungen, es muss viele Blickwinkel ansprechen. Es ist ein Marktplatz – ein orientalischer Souk. Jeder bietet seine Ware feil, poliert sie auf und versucht sie zum Scheinen zu bringen. Das ist weder gut noch schlecht. Das ist einfach nur die Realität dieses riesigen Marktes, der für Kunst heute besteht. Intensives Handeln, Spekulationen, Werbung, das Zusammenfassen mit anderen Luxusgütern – all das ist eine Reflexion unserer Zeit. Der Kunstmarkt und die Kunstwelt sind geformt von und formen das Leben um sie herum. Das ist faszinierend, komplex und real. Und da ist viel Import dabei – ob man es mag oder nicht. Und umgekehrt, wessen Arbeit sind wir gezwungen zu schätzen, nur weil der Markt es so sagt? Ich glaube, da gibt es einige. Der Markt ist ein kompliziertes Phänomen, das sowohl berechtigte Urteile als auch starke voreingenommene Werbung mit einschließt. Wenn man die Karriere eines einzelnen Künstlers untersucht, sieht man, wie viele Kräfte im Spiel sind. Es ist schwierig, die Gründe für Erfolg in der Kunstwelt und am Kunstmarkt zu verallgemeinern. Wie würden Sie beschreiben, wie sich die Atmosphäre für das Sammeln und Verkaufen von Kunst in den letzten zehn Jahren verändert hat? Im letzten Jahrzehnt ist der Handel in jeder Hinsicht viel intensiver geworden. Davor war die Kunstwelt ein ziemlich ruhiger und privater Ort. Während der frühen 60er Jahre, als ich ernsthaft zu Sammeln begann, dachte ich niemals an Profit. Ich habe nur gehofft, dass ich – wenn ich irgendwann einmal kein Geld mehr haben sollte – zurückbekommen könnte, was ich für ein Kunstwerk ausgegeben habe. Jeder, den ich kannte, dachte so. Damals konntest du die großen Museen dieser Welt besuchen, und nur ein paar Leute liefen da herum. Es war ruhig und esoterisch. Außer Amateuren und Studenten, die ihre Staffelei vor den Bildern aufgestellt hatten und pflichtbewusst kopierten, gab es kaum jemanden in den Galerien des Louvre. Es war noch die „Vorkriegszeit”. Natürlich war die Blockbuster-Ausstellung noch nicht erfunden. Ich nehme an, der Blockbuster mit all seinen Formen ist eine Erfindung unserer Zeit. Ich habe auch das Entstehen der Kategorie des Sammlers in der Photographie miterlebt. Als ich begann, Fotos zu sammeln, haben das nur wenige Leute gemacht, und es gab nur wenige Händler. Als ich nach surrealistischen Fotografien in Paris suchte, konnten viele Leute nicht glauben, dass ich sie rahmte und an die Wand hing wie ein Kunstwerk. In der Bibliotheque Nationale trugen tatsächlich viele wichtige Fotografien, die früh in die Sammlung eingegangen sind, den BN Tinten Stempel in der Mitte. Für die Kuratoren waren das nur Dokumente. Gehen Sie zu Versteigerungen? Als Händler würde ich gehen. Jetzt gehe ich nur zu Previews, wenn darin Dinge sind, die ich sehen möchte. Ich würde niemals zu einer Versteigerung gehen, um das Handeln zu erleben. Aber viele Menschen tun das. Mich interessiert so was einfach nicht. Wie relevant ist der Begriff “fairer Marktwert” in diesem Lager? Der aktuelle Geldwert eines Objektes ist im Grunde der Preis des letzten Verkaufs, wenn das ökonomische Klima stabil ist. Das ist so ziemlich das System für jede Art von Ware. Ein Kunstwerk wird zur Ware, wenn es in die Handelswelt eintritt. Natürlich gibt es da Abweichungen, die für die, die den Markt verfolgen, offensichtlich sind: etwas kann zu billig verkauft werden oder zu teuer. Menschen (also der Markt) schätzen Dinge immer ab. Das ist das Geschäft. Ich erinnere mich, zu Versteigerungen in New York gegangen zu sein und dabei jeden im Raum zuordnen zu können. Ich war mir der Beziehungen zwischen den Menschen, die gegen jemanden oder für ein bestimmtes Werk boten, bewusst. Das ist nichts Neues, aber ich frage mich, warum Ihrer Ansicht nach Journalisten nicht über diese Beziehungen berichten oder sie analysieren. In unseren Zeiten ist Journalismus meist ziemlich oberflächlich. Menschen in der Kunstwelt neigen auch dazu, geheimnisvoll zu sein, oder Dinge mit einem Hintergedanken zu sagen. Das ist eine ziemlich harte Nuss, die es da zu knacken gibt; es sei denn, ein Journalist will da einsteigen. Warum bieten Galerien immer wieder für ihre Sammler, besonders für Werke, die sie selbst repräsentieren? Erweckt das nicht den Eindruck, als wolle der Galerist seine eigenen Marktinteressen hochtreiben? Wenn ein Händler bei einer Versteigerung für einen Kunden bietet, wollen beide offensichtlich zeigen, dass sie wichtige Akteure sind. Die Absicht ist, eine große Show zu veranstalten – und damit das wahrgenommene Ansehen des Händlers zu steigern, der einen reichen Kunden hat; und auch des Kunden, der zeigt, dass er ein hohes Tier in den Augen des Händlers ist. Natürlich muss das Kunstwerk, das sie auf der Versteigerung jagen, so sein, dass es diese kalkulierte Darbietung von Wichtigkeit unterstreicht. Das fügt dem Markt Dramatik hinzu, aber es ist nicht weit entfernt von anderen Methoden von Werbung, die in der Industrie heute verwendet werden. Manche können sehr fragwürdig und extrem sein. Und was ist mit den Versteigerungshäusern, die für ihre eigenen Sammlungen bieten? Es ist illegal, wenn Besitzer von Waren auf einer Versteigerung für diese bieten. Das steht in allen Auktionsverträgen. Alle Besitzer solcher Waren, egal, ob es Individuen oder Versteigerungshäuser sind, müssen sich an diese Regel halten. Sie existiert, um die Manipulation des Preises durch den Besitzer zu seinem Vorteil zu verhindern. Alle Besitzer müssen Rechenschaft ablegen. Ansonsten geht es nicht. Nach dem Artikel zu subventionierten Ausstellungen vor kurzem in der New York Times, wie eng, glauben Sie, sind kommerzielle und öffentliche Institutionen heutzutage miteinander verbunden? Es ist offensichtlich für alle, dass Geld ein extrem wichtiger Bestandteil geworden ist. Diese Vorherrschaft hat sogar die „Ästhetik” beeinflusst. Wie wir eine Arbeit „sehen”, wird auf subtile Weise von unserer Vorstellung von dessen Geldwert und dessen Verherrlichung beeinflusst. Jeder, der das nicht anerkennt, ist entweder blind oder unaufrichtig. Museen sind in zahlreiche Beziehungen von Geld und Kunstwerken eingebunden. Das ist Teil unserer Zeit. Das ist auch ein grundsätzliches Kriterium der „Moderne”. Immerhin, Courbet und danach die Impressionisten waren sich sehr bewusst, wie wichtig der Markt und die Präsentation sind; dass man Aufmerksamkeit erregen und Verkäufe steigern muss. All das ist jetzt mehr intensiv, post-Warhol. Er sah das sehr eindeutig und mit großem Gefallen. Daher scheint es sehr altmodisch, dass MOCA einen Teil des Profits aus dem Vuitton Laden in der Murakami Ausstellung ablehnt. Dieser Laden ist eine tolle Ergänzung zu der Ausstellung, denn Handel und die Modeindustrie sind essentiell in Murakamis Kunst. Er war immer brillant, hat riesige Aufmerksamkeit erregt, und das ist ein Zeichen seiner Wichtigkeit. Es ist nicht ganz klar, warum MOCA es abgelehnt hat, die Umsätze des Geschäftes zu teilen. War die Entscheidung eine ästhetische, oder hat das Museum befürchtet, seinen steuerfreien Status zu verlieren, wenn es ein offensichtlicher Geschäftspartner von Vuitton wird? Davon abgesehen hat Vuitton dem Museum auf anderen Wegen Geld gegeben – für bestimmte Elemente der Ausstellung bezahlt; die Beziehungen sind also kompliziert. Wenn man die vielen Kräfte die, auf ein Museum heute ausgeübt werden, mit einbezieht, ist es unvermeidlich, dass sie für so manche private Geschäfte benutzt werden. Sicherlich, das ist nicht das Ideal. Gleichzeitig beeinflusst das große Geld die Kunstwelt und das Schaffen von Kunst. Museen sollten darüber total offen sein, so wie Warhol es war. Sicher, falls es zum Zusammenbruch kommt, werden sich viele Dinge ändern. Man muss also das Vorhandensein des Kommerziellen anerkennen, denn es ist real und daher von Bedeutung. Ich persönlich bin nicht interessiert daran, Geld und Eigenwerbung in meine persönliche Beziehung zur Kunst eindringen zu lassen. Aber ich bin auch kein Heiliger, wie gesagt. Ich denke einfach so aufgrund meiner Art, meiner Generation und meiner Geschichte. Gibt es autonome Strukturen, die außerhalb dessen operieren, was von Mainstream-Magazinen festgelegt wird, eine vorübergehende Krücke für den Kunstmarkt? Öffentliche Institutionen scheinen Plätze zu sein, die gezwungen sind, den Trends in Magazinen und Galerien zu folgen. Natürlich, aber diese Strukturen stehen nicht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Dem Mainstream geht es um Aufmerksamkeit, sie zu bekommen und sie zu geben, auf unterschiedliche Weise. Wenn du nicht im Zentrum stehst, wirst du zum Rand abgeschoben. Dieser Rand ist intellektuell und ästhetisch betrachtet unglaublich reich, aber die meisten Leute sind nicht daran interessiert, dort Zeit zu verbringen. Die Meisten wollen als „Player” im Zentrum gesehen werden. Das definiert ihre Beziehung zu Kunstwerken. Zum Beispiel: Hätten Kunstwerke heute nur geringen monetären und öffentlichen Wert, wie viele Menschen wären denn an Kunst interessiert? Die Anzahl der Menschen würde nicht ansteigen, glauben Sie mir. Wo findet man eine ehrliche Einschätzung der kulturellen Landschaft, unbeeinflusst von persönlichen Zielen? Gibt es die? Alles zusammen ist eine ehrliche Einschätzung der kulturellen Landschaft, und alles verfolgt irgendwo auch persönliche Ziele. Das ist die Realität. Es ist nicht richtig oder falsch. Das ist einfach nur die Wahrheit, und sie ist faszinierend aufgrund ihrer Realität. Auf Ihren Reisen sind Ihnen alternative Strukturen für Kunst begegnet, die einen transparenteren Fluss zu erlauben scheinen? Wo keine großen Preise vorhanden sind, kein allgegenwärtiger Druck, zu kaufen und zu verkaufen, ist das Leben etwas leichter und von einer größeren Palette von persönlichen Gefühlen beeinflusst. Intimität und Selbstreflexion sind keine Merkmale des Massenmarktes. Sind meine Fragen naiv? Ich denke nicht. Aber diese Themen sind sehr kompliziert und haben große Bedeutung für unsere Kultur, Gesellschaft und unsere Werte. Wie auch immer, lassen Sie mich auf eine Erkenntnis hinweisen, die heute furchtbar vernachlässigt wird. Es ist wunderschön formuliert von Carlotte Perriand: „Le sujet n’est pas l’object, c’est l’homme.” Das bedeutet, Gegenstände sind nicht das Ziel. Das Ziel ist das menschliche Leben. Diese Idee ist generell nicht sehr bedeutend in unserer Kultur, weder in der Kunstwelt noch in der Kunstindustrie heute. Um uns herum finden wir Exzesse jeglicher Art und dennoch eine Andeutung von essentieller Verarmung.
01.01.2008
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