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Now art is here": Jiří Valoch
Zeitschrift Umělec
Jahrgang 2007, 1
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Now art is here": Jiří Valoch

Zeitschrift Umělec 2007/1

01.01.2007

Lenka Vítková | profil | en cs de

Ich möchte über Jiří Valoch schreiben, weil seine Textinstallationen mich wie intensive Poesie berühren. Die Nationalgalerie (Národní galerie) in Prag zeigte unlängst eine Ausstellung seiner Werke, von der als dem jüngsten Anlass, sich über Valoch Gedanken zu machen, noch die Rede sein wird. Auch in der Galerie Caesar in Olomouc, einem der Brennpunkte auf der Landkarte der mährischen Kunst, auf deren Ausgestaltung Valoch einen grundlegenden Einfluss hat, war er kürzlich mit seinen Werken vertreten. Neben Dalibor Chatrný und J. H. Kocman ist Valoch einer der wichtigsten Protagonisten der Konzeptkunst in Brno. Sein Büro im Haus der Kunst ist seit dreißig Jahren ein bedeutender Ort für Konkretisten, Konzeptualisten, Kunsthistoriker, beginnende, unbekannte und etablierte Künstler, für die Valoch Ausstellungen organisierte, über die er schrieb und die er besuchte...
Von Prag aus gesehen, wo ich über ihn schreibe, mutet ganz Mähren wie ein melancholischer Weinberg an, zu dem man fährt, um zu vergessen. Und ich entsinne mich deutlich des unterschiedlichen Klanges, den sein Name – dort oder hier ausgesprochen – besitzt.
Erstaunlich ist die Summe von Valochs Aktivitäten auf dem Gebiet der Kunst – so als sei die angemessenste Form einer Abhandlung über ihn die Aufzählung. Dagmar Lasotovás „Dialogischer Katalog“1 über Jiří Valoch trägt den Titel „Vier der Gesichter Jiří Valochs“ (Čtyři z tváří Jiřího Valocha). Die 2004 in Ostrava aus Anlass der Ausstellung Valochs in der Galerie Student erschienene Veröffentlichung zeichnet auf engem Raum Denken und Leben Valochs nach und teilt sich in Kapitel, die diesen vier Gesichtern Valochs entsprechen – Künstler, Theoretiker, Kurator und Sammler. Es mag allerdings so erscheinen, als müsse ein Mensch, der er über eine derartige Fülle verschiedener Rollen verfügt, ein vielköpfiges Tier sein, das wie ruhelos mal hierhin, mal dorthin hastet.
Unter dem Pseudonym Jan Pavlík schrieb Valoch die Texte für die erste Einzelveröffentlichung seiner Fotografien, die 1975 in Italien erschien. Als Kurator und Sammler war er an der Schaffung eines Kontextes, als Kunsttheoretiker an der Konstruktion eines Interpretationsrahmens beteiligt. Er sammelte und betreute als Theoretiker künstlerische Werke, die sich auf irgendeine Art und Weise immer auf das bezogen, was er selber tat, auch wenn der Bezug nur regional war. Dabei legte er besonderen Nachdruck auf die erlebte Gegenwart, auf die er dadurch wiederum unmittelbaren Einfluss ausübte – er selbst spricht von seiner Neugier, die ihn dazu führt, das Tun seiner Zeitgenossen ununterbrochen zu beobachten, während er kein Interesse für das Studium der Kunstgeschichte aufbringen kann. Im Laufe seiner jahrelangen Betätigung als Atelierbesucher, in der Zusammenarbeit mit anderen Künstlern, als Kurator von Ausstellungen und Verfasser von Katalogbeiträgen, wuchs seine Sammlung, der sich die Nationalgalerie jetzt gewidmet hat. Das Ergebnis seines vielgesichtigen Schaffens ist die einflussreiche Stellung eines Kurators, Kritikers und Sammlers ebenso wie die angesehene Position eines Künstlers, der keinen Theoretiker außer sich selbst hat. Soweit er nicht selbst über sich spricht, äußert er sich zu seinem Werk als Künstler und als Sprachwissenschaftler. Diese Funktionen wiederum stehen sich nahe oder ähneln sich. Valoch ist seit Beginn seines Wirkens in der Sphäre der Kunst ein Mitschöpfer des Diskurses, der über ihn geführt wird. Er zieht den Wagen, auf dem er selbst fährt.
Von der visuellen Poesie über die Aktionen und Arbeiten mit Land Art und Mail Art in den siebziger Jahren, über die Konzepte, Poesie und Textinstallationen der achtziger und neunziger Jahre bis heute durchdringen einige Konstanten Valochs Arbeiten.
Dazu zählt die konsequente Arbeit mit dem konkreten Raum, der die Gestalt eines Galerieraums, das Ausmaß einer Buchseite oder eines Verbundes mehrerer Seiten, einer Postkarte oder die Struktur eines Gedichts annehmen kann. So winden sich durch Valochs Werk beispielsweise diverse Arten von Haikus, Gedichte mit einer starr vorgegebenen Struktur aus drei Versen.
Auch die maximale Reduktion der visuellen Mittel auf eine geordnete Struktur bis hinab zur homogenen Fläche gehört dazu. In den Arbeiten der siebziger Jahre war es der Durchschuss der nichtproportionalen Schreibmaschinenschrift, der eine solche Struktur bedingte. Später suchte und fand Valoch diese Struktur anderswo - im Format aufeinanderfolgender Seiten, im Format von Postkarten sowie in der Tektonik des Interieurs der Galerien. Mit Aufkommen des Digitalsatzes begann sich Valoch auf die Schriftart futura in halbfett zu verlegen. Die einfache serifenlose Schrift verweist in ihrer Bezeichnung auf die von seinem Freund Hansjörg Meyer herausgegebene Schrift Futura und wirkt zeitgemäß und zeitlos zugleich.
Die Konsequenz in typografischen Fragen ist charakteristisch für die Arbeit Valochs, ganz gleich ob es sich um die exakte Positionierung des Textes auf der Seite handelt, die Verwendung von Minuskeln anstelle von Majuskeln, die ins Bild gesetzte gleichsam demokratisierte Anordnung von Textsegmenten, oder gegenwärtig erneut die typografische Progressivität seiner Drucke.
Höher als den Inhalt schätzt Valoch die Relation – zwischen Gesehenem und Gedachtem, zwischen Text und Zeichnung, zwischen ausgefülltem und leerem Raum. Valoch arbeitet konzeptuell in dem Sinne, dass er mit dem Vorgeprägten im Geist des Betrachters rechnet, mit dessen innerem Monolog und Bildern. Sprechen wir aber im Zusammenhang mit Valoch über Konzept, so ist man versucht, auf das Problem der Universalien zurückzukommen (auf den strukturalistischen Ausgangspunkt seiner Arbeit gehe ich weiter unten ein).

Die lexikalische Schicht der Arbeiten Valochs erstreckt sich jenseits der Zeit. Sogar die Natur reduziert er darin auf Raster, in denen sich Singularität und Gattung gegenüberstehen, wie in den „Skulpturen für Gerta Pospíšilová“ (Sochy pro Gertu Pospíšilovou) genannten fünf Blättern aus dem Jahr 1973, in deren Mitte jeweils kurze Texte platziert sind: Gras inmitten von Gräsern; ein Baum inmitten von Bäumen; ein Stein inmitten von Steinen; eine Wolke inmitten von Wolken; ein Blitz inmitten von Blitzen. Wie auf einer alten chinesischen Zeichnung setzt sich die Landschaft aus den Grundelementen zusammen, menschliche Wesen erscheinen nur in Andeutungen von Handlungen – Berührungen, Passagen, Spuren. In ähnlicher Weise deutet sich auch die gesellschaftliche Realität nur in ihrem Umfassen der Kunst an. Immer wieder taucht das Thema der Transparenz als Negation der Materie auf, aber auch die Erinnerung als augenblickliche Transparenz der Zeit.
Eine Analyse der lexikalischen Schicht von Valochs Installationen nahm Zbyněk Sedláček vor2, der beispielsweise auf die oft verwendeten Bedeutungsgegensätze hingewiesen hat. Indem Valoch die semantischen Qualitäten der Wörter mittels Konfrontation, Negation und Tautologie überprüft, gelangt er zur Reflexion der existentiellen Situation.

***

Valoch kam zu Beginn der sechziger Jahre zur Kunst. Er nahm 1964 Kontakt zu Josef Hiršal und Bohumila Grögerová auf – zwei Wegbereitern der experimentellen Poesie in den sechziger Jahren – informierte sie ständig über die wachsende Anzahl von Anhängern der konkreten Poesie in Brno und sandte ihnen seine Arbeiten zu. Er wurde in ihre Anthologie „Experimentelle Poesie“ (Experimentální poesie) aufgenommen, die 1967 erschien und neue/ experimentelle/ konkrete Poesie aus Westeuropa, Amerika, Japan, der Tschechoslowakei und der DDR umfasste. Miloš Jůzl im Vorwort und die Herausgeber Hiršal und Grögerová im Nachwort sprechen unter anderem von einem Überschreiten von Grenzen, von neuen unerforschten Gebieten, von einer sondierenden Kunst als auch von einer neuen internationalen Bewegung der Dichtung.
Für Hiršal hatte die sogenannte Neue Poesie programmatische Bedeutung. Gemeinsam mit Bohumila Grögerová gab er eine grundlegende Anthologie von Gedichten und theoretischen Texten heraus und unterhielt dem Programm entsprechend ebenso Kontakte zu ausländischen und einheimischen Anhängern. Daneben wurde Hiršal zu einem originellen Historiografen in eigener Sache wie auch der seiner Generation - in den Büchern „Lied der Jugend“ (Píseň mládí) (mit einer experimentellen Öffnung der literarischen Form von Erinnerung xx); „Kranz der Erinnerungen“ (Vínek vzpomínek), unter anderem mit vielen Briefen aus der Kriegszeit und den fünfziger Jahren; und schließlich das gemeinsam mit Bohumil Grögerový verfasste Buch „Flug der Jahre“ (Let let), in dem sie die Zeit der sechziger Jahre – die Arbeitstreffen unter Freunden, die Diskussionen, die Reisen – Revue passieren lassen.
Liest man heute Hiršals Aufzeichnungen aus jener Zeit, scheint es, als sei für die Kunst damals eine Zeit des gelockerten politischen Zwangs und der untrennbaren Beziehungen zum Lebensstil geworden. Die konkrete Poesie schuf gleichsam eine Plattform für den Austausch, und die Kunst wurde vor allem anderen der Bereich der Partizipation. Genau diese Charakteristika durchdringen auch Valochs Leben, in dem geteilte künstlerische Ansichten Freundschaften begründen, gegensätzliche Ansichten diese aber trennen.
Die Vermengung von privatem Leben und künstlerischer Tätigkeit manifestiert sich in der Mail Art: „now art is here“ verkündeten Jiří Valoch und Gerta Pospíšilova auf Postkarten, die sie in den siebziger Jahren mal aus dem Mährischen Karst, mal aus Berlin, dann wieder aus Karlová Studanka oder aus Trutnov versendeten und damit ein imaginäres Netz zwischen den Orten, den Adressaten und sich selbst knüpften. Ähnlicher Art, aber zusätzlich angereichert mit Ingredienzien der inneren Konstruktion des kunstwissenschaftlichen Diskurses, sind zwölf xerografierte Blätter aus dem Jahr 1973, die Valoch elf der für ihn wichtigsten Künstler widmete und ihnen zusendete, wobei das Blatt Nr. 8 ihm selbst zugedacht war. Unter den tschechischen Adressaten findet man auch Ladislav Novák und J. H. Kocman. Die Blätter belegen nicht nur die Existenz eines der ersten Vervielfältigungsgeräte in Tschechien, sondern auch einen wichtigen und bei Valoch zu erwartenden Umstand: Das selbstverständliche Anknüpfen und Aufrechterhalten von Kontakten mit ausländischen und besonders mit „westlichen“ Kollegen, worauf diese mit Publikationen, Ausstellungen und Besuchen antworteten.
Dieses Netz aus Beziehungen lässt sich als seine Art einer konzeptuellen Skulptur der Kohärenz verstehen. Valochs Arbeiten sind intermedial in dem Sinne, in dem Dick Higgins den Begriff der Intermedialität seit Beginn der sechziger Jahre verwendete; auch in dem Sinne wie Mallarmé und Joyce sich im Raum zwischen den Medien bewegten. Valoch bewegt sich zwischen den einzelnen Medien, zwischen dem Medium der Kunst und dem Medium des Lebens, aber auch zwischen den Medien der Kritik, des Kuratierens, des Sammelns und des eigenen Schaffens, und verwendet all diese Medien zu einem einzigen Zweck: Das Repertoire seiner künstlerischen Ansichten zu artikulieren, mitzuteilen, zu erweitern oder zu verfeinern – in seinem eigenen Werk. Die vier oder auch mehr Rollen Valochs im Kontext der zeitgenössischen Kunst können als ebenso zahlreiche Modi der Bewegung, die immer wieder einander ablösen, verstanden werden.

***

Valoch studierte in den sechziger Jahren neben Ästhetik auch Bohemistik und Germanistik bei Jiří Levý, dem bekannten Theoretiker der Übersetzungswissenschaft und Vorreiter der experimentellen Poesie in der Tschechoslowakei. Bei ihm schrieb er auch seine Diplomarbeit „Die experimentelle Poesie und ihre Typologie“. Es lohnt sich, etwas bei der Frage zu verweilen, welchen Einfluss die strukturalistische Sprachwissenschaft auf sein schöpferisches Denken hatte.
Am Anfang des Strukturalismus stand die Lehre des Sprachzeichens, das sich aus zwei Bestandteilen zusammensetzt: signifiant und signifié, das Bezeichnende und das Bezeichnete. Der Schweizer Sprachwissenschaftler Ferdinand de Saussure, der als erster diese Theorie vertrat, wies strikt zurück, dass die Beziehung zwischen Bezeichnetem – also einem Gegenstand, einer Person, einem Ereignis oder ähnlichem – und Bezeichnendem – also einem Wort, dessen Lautgestalt und Stellung im Textgefüge – auf etwas anderem beruhen könne als auf einer bloßen Konvention der Sprachgemeinschaft. Alle sprachlichen Zeichen sind ihm zufolge willkürlich, arbiträr. Darin unterschied er sich von der auf Platon und die Bibel zurückgehenden idealistischen Auffassung, der zufolge sich einzelne Worte an ursprünglich existierende Ideen von Dingen anheften. Das nachahmende, lautmalerische Wort, dessen akustische Seite mit seiner semantischen Komponente engstens verbunden ist, hielt Saussure für eine vernachlässigenswerte Ausnahme.
Eine weitere Eigenschaft der Zeichen ist ihre Linearität. Zwei sprachliche Zeichen können nicht im selben Augenblick nebeneinander stehen, da sich die sprachliche Aussage in der Zeit vollzieht. Ein drittes Merkmal des Zeichens ist seine Diskretion, seine Unverbundenheit, die dem sprachlichen Lautmaterial an sich entspringt, das – vergleichbar mit einem Nebelfleck – gesichtslos ist wie jeglicher außersprachliche Inhalt. Ein Zeichen entsteht erst dann, wenn sich eine konkrete Anzahl von Lauten in einer konkreten Reihenfolge mit einem begrenzten Ausschnitt aus diesem außersprachlichen Nebel verbindet. Unser Gehirn registriert diesen Nebel als Kontinuum, das sich durch stufenweise Übergänge und Konstanz auszeichnet.
Valoch zielt mit seinen Arbeiten auf jedes dieser Merkmale sprachlicher Zeichen. Die Linearität unterbricht er, indem er auf die parallele Wahrnehmung der Textfragmente durch den Betrachter spekuliert. Oft verwendet er Bindestriche zwischen Wörtern, konfrontiert mit deren Hilfe gegensätzliche oder unvereinbare Bedeutungen und setzt die Wörter damit unter Spannung. Er stellt die Arbitrarität der Wörter in Frage, indem er sie aus ihrem Kontext herauslöst, ihre Gestalt ihrem Bedeutungsgehalt annähert und ihre Visualität unterstreicht. Die Diskontinuität überwindet er mit der Verwendung abstrakter Begriffe. In diesem Zusammenhang ist es aufschlussreich, welche Ausnahmestellung Adjektive für Farbbezeichnungen in seinen Textbildern einnehmen. Zwar gibt es nur wenige Werke, in denen er tatsächlich Farben, beispielsweise Pastelltöne, einsetzt. Mit Farbbezeichnungen aber arbeitet er in seinen Textwerken sehr oft, als faszinierte ihn die „Vorstellung“ der Farbe. Wenn er in einer seiner Veröffentlichungen schreibt: „Grün auf Gelb“, ruft er im Betrachter den intensiven visuellen Eindruck einer konkreten, unbegrenzten Materie hervor, die vorstellbar ist, für die wir aber keine Worte besitzen.

***

Die jüngste Textrealisation Valochs im Respirium des Ausstellungspalais (Veletržní palác) begann auf der ersten Tafel gegenüber dem Eingang mit der Aufschrift x, y, z, den Buchstaben also, die in der Geometrie die drei Dimensionen des Raums kennzeichnen. Als wollte er gleich zu Beginn die Aufmerksamkeit des Betrachters auf die Eigenschaften des Raumes lenken.
Die Ausstellung trug die Bezeichnung „Installation“, doch die dynamischen Beziehungen, die sich im Raum abspielten, ließen eher vermuten, dass wir uns auf einer Art Theaterbühne befinden, die für die Bewegung im Raum errichtet wurde. Valoch inszeniert fertige Textfragmente im Raum, zwischen denen sich nichtlineare Beziehungen entfalten. Ein Bestandteil der inszenatorischen Technik ist es, einige Texte herauszuheben, indem sie in größeren Lettern geschnitten sind („z-Achse“), oder indem sie längs der „y-Achse“ nach oben oder unten sowie längs der „x-Achse“ nach links oder rechts verschoben werden. Der Betrachter ist es, den diese Inszenierung in Bewegung versetzt, und seine Gegenwart fügt die Dimension der Zeit hinzu.
Mit den Möglichkeiten, Wörter isoliert in den Galerieraum zu stellen, beschäftigt sich Valoch seit Ende der sechziger Jahre. In den siebziger und achtziger Jahren, der Zeit der „Normalisierung“, blieben diese Projekte in der Schublade liegen. Nach dem demokratischen Umbruch, der „samtenen Revolution“, konnte Valoch einige duale Installationen verwirklichen. So brachte er in der Galerie „Pod podloubím“ in Olomouc in einem Raum das Wort „gestern“, im anderen das Wort „morgen“ an (die Kuratorin Yvonna Boháčová hatte mit den Behörden zu kämpfen, die die Ausstellung schließen wollten, da für Kunstinteressierte dort überhaupt nichts zu betrachten sei). In einer Installation für die mährische Galerie Sýpka stand auf einer Wand des geräumigen Saales „někde“ (irgendwo), auf der gegenüberliegenden Wand „nikde“ (nirgendwo). In der Prager Galerie Jelení befand sich in einem Raum ein kleines „a“ in Großformat, im nächsten ein kleines „z“ in Großformat: Anfang und Ende innerhalb weniger Meter. Auf die Einladung Jan Stolíns, in den verschachtelten Räumlichkeiten der Galerie „Die Aktualität des Schönen“ – die sich in einer ehemaligen Wohnung befinden – auszustellen, reagierte Valoch mit einer weiterentwickelten Textinstallation, die sich in Reihen verschiedener Sequenzen aufteilte. Diese untergliederte Konzeption konnte er später auch im Haus der Kunst in České Budějovice, in der Mährischen Galerie in Brno und im Ausstellungspalais in Prag umsetzen.
Während die Neue Poesie der sechziger Jahre als Reaktion auf die Entwertung der herkömmlichen Mittel der Sprache gewertet wurde, lässt sich die heutige Arbeitsweise Valochs als Beitrag zum nichtlinearen Erfassen von Text verstehen. Diese Herangehensweise an Text wird langsam, aber sicher zur Norm – das Orientieren im urbanen Raum setzt voraus, Text auf verschiedenen Ebenen wahrzunehmen, genau so wie sich auch der Text von Internet-Seiten auf vielen Ebenen abspielt. In ähnlicher Weise funktioniert auch das menschliche Gedächtnis. Valoch besiedelt den Raum mit Wörtern, mit Textinszenierungen, mit einem Konglomerat semantischer Verunsicherungen, mit Textbruchstücken, die aus dem Gedächtnis in die Zeitlosigkeit der Galerie versetzt wurden, in die permanente Gegenwart – und bei all dem ist Valoch individueller als jemals zuvor.
„DO IT YOURSELF!” forderte Valoch in den sechziger Jahren den Leser im Titel seines Buches mit dem Untertitel “Poems by Jiří Valoch and ..................“ auf. Darin wurden unter vorgegebenen Titeln und Genrebezeichnungen der Gedichte (beispielsweise haiku on an unknown river) leere Stellen für die Mitarbeit des Lesers freigehalten. In gleicher Weise partizipativ waren seine Aktionen in Land Art und Mail Art wie auch seine aktuellen Textinstallationen.
Die unselige Schulpraxis zwang uns die Suche nach einer versteckten Botschaft des Gedichts auf, die in der poetischen Sprache zu finden sei. Eher als eine chiffrierte Nachricht für Eingeweihte ist ein Gedicht aber ein Raum des Austauschs, der durch Worte und deren visuelle Dimension geformt ist und in den sich die Wirklichkeit überträgt. Valoch würde dafür vielleicht eher das Wort „Situation“ wählen, das nicht nur dynamischere Beziehungen ausdrückt, sondern darüber hinaus auch eine weitere wichtige Bedeutung vermittelt: „Situation“ ist „jetzt“.
Zu Beginn der sechziger Jahre experimentierte Valoch mit repetitiven Schriftstrukturen. In den siebziger und achtziger Jahren testete er die Möglichkeiten, Einzelblätter zu Blattfolgen zu verbinden. In dieser Zeit entstanden mehrere Bücher, aber auch Hefte mit blinder Maschinenschrift in graue Tafeln eingeprägt. Bis heute wartet man vergeblich auf deren Veröffentlichung, obwohl sie praktisch druckfertig vorliegen. [Die einzige tschechische Publikation von Gedichten Valochs ist „Bouquet mehr oder weniger ungenauer Haikus“ (Kytička více či méně nepřesných haiku), erschienen 2004 beim Verlag Vetus Via in Brno.]
In seinen jüngsten Arbeiten verwandelt Valoch das Interieur der Galerien in eine poetische Architektur oder Landschaft, durch die man spazieren, in die man hineinschlüpfen und der man sich auf keine Weise entziehen kann, denn es ist sehr schwer, den Augen das Lesen zu verbieten. „Landschaften der Sprache“ (Krajiny jazyka) heißt schließlich ein Gedicht Valochs aus seinem Buch „In modo classico“ aus den Jahren 1986/1987. Obwohl Valoch mit Visualität arbeitet, verwendet er keine „visuelle Sprache“, sondern nur Wörter, deren Rezeption automatisch abläuft und die jedem verständlich sind. Die materielle Existenz des Textes im Galerieraum löst den inneren Monolog des Betrachters aus. Spricht die Literaturtheorie vom so genannten lyrischen Subjekt, das im Zentrum der poetischen Aussage steht, so wird in den Textinstallationen Valochs jeder zum Subjekt. Die Werke Valochs sind gegenwärtig im elementarsten Sinne des Wortes, weil sie jetzt erlebt werden.
Ein besonderer Dank geht an J. H. Kocman für sein Entgegenkommen und seine Hilfe.






1 Dáša Lasotová: Čtyři z tváří Jiřího Valocha (Die vier Gesichter des Jiri Valoch), Ostrauer Universität in Ostrau, 2004.
2 Gappmayr, Heinz – Sedláček, Zbyněk – Novák, Ladislav – Knížák, Mailand: Jiří Valoch. Ústí nad Labem, Unie výtvarných umělců ústecké oblasti (Die Künstlervereinigung der Region Ústí nad Labem), 1995.





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