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galerien im dialog: leben in sprechblasen
Zeitschrift Umělec
Jahrgang 2008, 1
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galerien im dialog: leben in sprechblasen

Zeitschrift Umělec 2008/1

01.01.2008

Edith Jeřábková | textskulpturen | en cs de es

Bislang habe ich Kunstgalerien immer auf die gleiche Weise wie Ausstellungsräume in Museen wahrgenommen; als Orte, die für die Kunst bestimmt sind. Doch in jüngster Zeit sind Galerien zu lebendigen Kreaturen geworden, die aktiv handeln, Stellung beziehen und vielfältige Angewohnheiten pflegen. Eigentlich hatten sie diese schon immer, aber nun treten sie stärker zutage. Jetzt sprechen Galerien auch. Die Galerie im Altstädter Rathaus zu Prag, zum Beispiel, sagt zur Ausstellung von Mark Ther, dass sie seine Videos zwar zeigt, sonst aber nichts mit ihnen zu tun haben will. Ich dachte immer, dass Kurator und Institution mit einer Ausstellung der Welt etwas mitteilen wollten. Die Galerie der Hauptstadt Prag (GHMP) scheint der zeitgenössischen Kunst gegenüber jedoch klarmachen zu wollen, dass sie sich gefälligst glücklich schätzen soll, überhaupt ausgestellt zu werden. Das Publikum wird zu Fastfood-Touristen: Hier habt ihr’s, jetzt esst es woanders, nur für den Fall, dass euch schlecht davon wird.
Die kürzlich wiedereröffnete Špálovka (Galerie von Václav Špála) spricht durch ihren Kurator Pavel Humhal. Sie chattet mit der Künstlergruppe „Guma Guar“.
Guma Guar: „Diese Galerie wird von einer Werbeagentur finanziert.“ Die Galerie: „Diese Künstler wurden in der Vergangenheit von einer Werbeagentur bezahlt.“
Alles spricht, wie bei Kater Mikes. Der Kurator der Galerie „Václav Špála“ verdreht noch andere Dinge. Indem er die Galerie zwingt, auf die ausgestellten Künstler zu reagieren, welche er selbst in eine Ausstellung einbezogen hat, versetzt er die Institution in die Rolle eines Künstleraktivisten. In der Zwischenzeit hätte sich der Künstler, den die Ausstellung zeigt, ruhig namentlich zu erkennen geben können, so wie es die Gruppe „Guma Guar“ getan hat. Oder ist ein Pseudonym bei Aktionskunst koscher?
Ein weiteres, seltsam anmutendes Konzept wird vom Kurator selbst bei der ersten Ausstellung der Galerie präsentiert. Obwohl Kunst Werbestrategien und –Werkzeuge nutzen kann – und umgekehrt – unterscheiden sich Kunst und Werbung doch in ihrer Funktion und ihrem Ziel. Das aber genau ist es, was Pavel Humhal mit der Ausstellung in der Špálovka zu widerlegen versucht. Doch der Ansatz ist unberechtigt, selbst wenn er ihn zu einem Konzept macht. Die Tatsache, dass ein Kurator aus Kunst Werbung macht, mag mutig sein; das Ergebnis jedoch ist ziemlich bescheiden. Wichtiger noch, die Ausstellung thematisiert nicht das komplizierte Verhältnis zwischen Werbung und Kunst. Was bleibt, ist die Präsentation einer vordergründigen Strategie, die die enge Beziehung zwischen Investoren und Management der Galerie verteidigt. Ich hätte nichts dagegen einzuwenden, wenn der Kurator die Kunst für etwas Sinnvolles nutzen würde; aber es ist schade, manche der Künstler für bloße Aufschreie in den Schaufenstern der Werbebranche einzusetzen. Gewagter wäre es gewesen, den leeren, neu konstruierten Raum der Špálovka Galerie zu zeigen, was an sich schon großartige Werbung wäre. Ich erwarte nicht furchtbar pietätvolles Verhalten, nur kann ich nicht nachvollziehen, warum man aus einer Galerie wie aus einem Schlussverkauf nach Hause gehen muss, noch dazu mit leeren Händen. Nur mit einem rotgestreiften Nebel vor den Augen.
Darüber wollte ich eigentlich aber gar nicht schreiben. Kommen wir zurück auf den „Umgang“ der Galerien. Die dritte Galerie, die ich hier erwähnen wollte, ist Vernon. Dass eine kommerzielle Galerie hinter den Künstlern steht, die sie vertritt – in dem Fall die Gruppe „Guma Guar“ alias „Milan Knizak“ – ist in einem funktionierenden Kunstbetrieb eine Selbstverständlichkeit. In Tschechien ist es aber notwendig, dies gesondert zu erwähnen, auch auf die Gefahr hin, dass es verdeckte Werbung ist. Die Galeriedirektorin und der Kurator des Vernon-Projektes gaben „Guma Guar“ völlig freie Hand. Sie haben die Pläne der Gruppe nicht vorzeitig öffentlich gemacht und hielten den Interventionsversuchen der Frau von Milan Knížák (dem Direktor der tschechischen Nationalgalerie) stand. Sie haben sich zu keiner Zeit entschuldigt und verteidigten im Gegenteil das Konzept der Künstlergruppe in den Medien. Darüber hinaus ersuchen sie im Moment um Mittel der Stadt Prag, in deren Auswahlkommission auch Milan Knížák sitzt. Sollte die Galerie mit dieser Haltung einen guten Eindruck auf die Generation der jungen und progressiven Künstler und Kritiker machen, sehe ich darin kein Problem.


Milan Knížák: Podivný Kelt [Der seltsame Kelte], Aneignungen von Werken Milan Knížáks, Gruppe „Guma Guar“, Ausstellungsraum des Vernon-Projektes, Galeriedirektorin Monika Burian und Kurator Marek Tomin.
Oben: Sprechblase auf der ersten Ausstellung der neu eröffneten Galerie von Václav Špála, 30% Rabatt / IMAGE IST NICHTS, Kurator Pavel Humhal.
Unten: Sprechblase auf der Mark Ther – Videos/Filme, Beginn einer Ausstellungsreihe der Galerie der Hauptstadt Prag mit dem Titel Hustý provoz [Dichter Verkehr]; ein Versuch, sich der heutigen, unabhängigen Szene für visuelle Kunst zu nähern.

Das Video „Was für Material!“ von Mark Ther könnte Ihre Überzeugungen und Gefühle verletzen. Sollte es dazu kommen, bittet Sie die Galerie der Hauptstadt Prag um Entschuldigung.




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