Zeitschrift Umělec 2005/2 >> Sieben Dinge des alltäglichen Gebrauchs leuchten im Vorgarten: Christian Riebe Übersicht aller Ausgaben
Sieben Dinge des alltäglichen Gebrauchs leuchten im Vorgarten: Christian Riebe
Zeitschrift Umělec
Jahrgang 2005, 2
6,50 EUR
7 USD
Die Printausgabe schicken an:
Abo bestellen

Sieben Dinge des alltäglichen Gebrauchs leuchten im Vorgarten: Christian Riebe

Zeitschrift Umělec 2005/2

01.02.2005

Halka Třešňáková | revolutionäre DIY | en cs de

Verheimliche und arbeite – cela et labora

Christian Riebe wurde im Jahre 1963 in Lübeck geboren. Gegenwärtig lebt und arbeitet der Künstler in der Stadt Hannover. Er scheint verloren in dieser deutschen Stadt voller Büros; auf seine individuelle Art scheint er überhaupt verloren in dieser Zeit.
In den Jahren 1984-1990 studierte er Malerei an der Kunsthochschule Hannover. Heute unterrichtet er Malen in dem auf kafkaeske Art verfallenden Gebäude der Kunsthochschule, nachdem die Schule aus dem fast nicht mehr existierenden Zentrum in ein neues Gebäude voller Büros in die reale Suburbia von Hannover gezogen ist.
Seit dieser Zeit bewohnt die Kunsthochschule das ihr von der Stadt zugeteilte Gebäude gemeinsam mit einer Baufirma – und jedes Jahr verliert sie ein paar Räume mehr. Die Kantine teilen mobile Paravents in Räumlichkeiten für die Verköstigung von Büroangestellten und Räumlichkeiten der Studenten der Kunsthochschule – ihre Zahl wird immer kleiner.
Die deutsche Vorstadt ist ganz anders als wir, aus fremden Ländern, uns sie vorstellen – aus Literatur, aus Filmen oder aus der eigenen Fantasie – keine Gangs und Kriminalität. Sie ist deutsche Peripherie voller Büros und Neubausiedlungen, sie ist reinlich, ohne Leichen, und überraschender Weise auch ohne Hundehaufen.
Die Angestellten kommen morgens in ihre Büros, und abends verlassen sie diese und fahren fort von diesem Pseudoleben, nach Hause. Bis auf Ausnahmen, zu denen Nachtwächter und Pförtner, ein paar gefangene Liebhaber und Verurteilte gehören, die diese apokalyptische Realität teilen – so auch Christian Riebe.
Bereits in der Studienzeit, erklärt Riebe, floh er in die innere Emigration, um den unfruchtbaren Gesprächen über Kunst zu entkommen, welche in ihrem Selbstzweck fähig sind, sogar eine eigene Grammatik zu schaffen. Die meisten der gegenwärtigen Künstler, welche sich um neu entdeckte konzeptionelle oder abstrakte Vorgänge bemühen, erscheinen ihm, als sich selbst zusehend und immer größeren Abstand gewinnend – reduziert auf das „mühevolle Maß eines guten Handwerkers.“ Anscheinend hat ihn seine Emigration in das eigene Innere, topographisch aber auch kunsthistorisch, bis an den Rand der Welt geführt, in die Peripherie.
Wer vertraut ist mit unvollkommener Dokumentation, der parallelen Kunstgeschichte, Laien, und Volkskunst, trifft in Riebes Bildern auf charakteristische Züge der Kunst eines psychisch Kranken und kompositorischer Elemente votiver Bilder.
Die Bearbeitung und Strukturierung seiner Bilder ist immer brutal und rücksichtslos. Manche seiner Blätter gehen durch mehrere Entwicklungsstadien, er beginnt mit dem Einschwärzen des Blattes, über welches er mit weißer Tempera malt, schreibt und zeichnet, diesen Vorgang mehrmals wiederholend. Die Motive flüchten – vor dem Drang des Künstlers zu korrigieren – an den Rand des Bildes, oder erscheinen – unvermutet – aus den unteren Schichten des Bildes, durch einen Bruch oder Längsschnitte der oberen Schichten. Seine Arbeit liegt darin, beschreibt Riebe, die Bilder nicht bis zum Rand einzuschwärzen. Die thematisch zusammenhängenden Zyklen bestehen überwiegend aus schwarz-weiß-grauen Zeichnungen kombiniert mit Tempera, mit Resten von Ausrufen und Überschriften, Papierschichten und Pappmache, im Format von großen Wandbildern; ihr Inhalt und ihre Bedeutung lässt sich beinahe lesen wie zerrissene Wandcomics in Plakatgröße.
Der Stil dieser Umgebung, die bereits beschriebenen Peripherie, die Ästhetik des Hinterzimmers, der Hinterausgänge von Einkaufszentren wie Ikea, das Verlassen der Autobahnausfahrt, ohne irgendeine Zeit-Patina angebaute Lagerhallen für Serienhäuschen a la Praha Ricany ist für das gegenwärtige Deutschland typisch. Diese Hyperrealität, empfangen als Inspiration und als Partner für das ganze Leben, zeugt von der großen schöpferischen Kraft Christian Riebes und bestimmt seine Ausgeprägtheit und Individualität als Künstler.
Diese und ähnliche Plätze sind zentrale Themen in seinem Werk. Es sagen dies schon die Titel seiner Werke: Am Kanal, Bei der Seifenfabrik, Grenzübergang mit Bienenstöcken und so weiter...
Seine Arbeiten sind aus „melancholischem“ Inventar entstanden: Nicht funktionsfähige Haushaltsgegenstände, abgelegte Schuhe und Töpfe, zusammen mit Socken angehäuft in farbige Mosaike – gugelhupf-förmige Gebilde, die durchdringen wie ein Fleischwolf durch kleine Bauten und Gewächshäuser und Objekte, ähnlich denen in dem Werk Sieben Dinge des alltäglichen Gebrauchs leuchten im Vorgarten.




Kommentar

Der Artikel ist bisher nicht kommentiert worden

Neuen Kommentar einfügen

Empfohlene Artikel

Le Dernier Cri und das Schwarze Glied von Marseille Le Dernier Cri und das Schwarze Glied von Marseille
Alle Tage hört man, dass jemand mit einem etwas zusammen machen möchte, etwas organisieren und auf die Beine stellen will, aber dass … tja, was denn eigentlich ...? Uns gefällt wirklich gut, was ihr macht, aber hier könnte es einige Leute aufregen. Zwar stimmt es, dass ab und zu jemand aus einer Institution oder einem Institut entlassen wurde, weil er mit uns von Divus etwas veranstaltet hat –…
Contents 2016/1 Contents 2016/1
Contents of the new issue.
Im Rausch des medialen Déjà-vu. Anmerkungen zur Bildnerischen Strategie von Oliver Pietsch Im Rausch des medialen Déjà-vu. Anmerkungen zur Bildnerischen Strategie von Oliver Pietsch
Goff & Rosenthal, Berlin, 18.11. – 30.12.2006 Was eine Droge ist und was nicht, wird gesellschaftlich immer wieder neu verhandelt, ebenso das Verhältnis zu ihr. Mit welcher Droge eine Gesellschaft umgehen kann und mit welcher nicht und wie von ihr filmisch erzählt werden kann, ob als individuelles oder kollektives Erleben oder nur als Verbrechen, demonstriert der in Berlin lebende Videokünstler…
Magda Tóthová Magda Tóthová
Mit Anleihen aus Märchen, Fabeln und Science-Fiction drehen sich die Arbeiten von Magda Tóthová um moderne Utopien, Gesellschaftsentwürfe und deren Scheitern. Persönliche und gesellschaftliche Fragen, Privates und Politisches werden behandelt. Die Personifizierung ist das zentrale Stilmittel für die in den Arbeiten stets mitschwingende Gesellschaftskritik und das Verhandeln von Begriffen, auf…
04.02.2020 10:17
Wohin weiter?
offside - vielseitig
S.d.Ch, Einzelgängertum und Randkultur  (Die Generation der 1970 Geborenen)
S.d.Ch, Einzelgängertum und Randkultur (Die Generation der 1970 Geborenen)
Josef Jindrák
Wer ist S.d.Ch? Eine Person mit vielen Interessen, aktiv in diversen Gebieten: In der Literatur, auf der Bühne, in der Musik und mit seinen Comics und Kollagen auch in der bildenden Kunst. In erster Linie aber Dichter und Dramatiker. Sein Charakter und seine Entschlossenheit machen ihn zum Einzelgänger. Sein Werk überschneidet sich nicht mit aktuellen Trends. Immer stellt er seine persönliche…
Weiterlesen …
offside - hanfverse
Die THC-Revue – Verschmähte Vergangenheit
Die THC-Revue – Verschmähte Vergangenheit
Ivan Mečl
Wir sind der fünfte Erdteil! Pítr Dragota und Viki Shock, Genialitätsfragmente (Fragmenty geniality), Mai/Juni 1997 Viki kam eigentlich vorbei, um mir Zeichnungen und Collagen zu zeigen. Nur so zur Ergänzung ließ er mich die im Samizdat (Selbstverlag) entstandene THC-Revue von Ende der Neunzigerjahre durchblättern. Als die mich begeisterte, erschrak er und sagte, dieses Schaffen sei ein…
Weiterlesen …
prize
To hen kai pán (Jindřich Chalupecký Prize Laureate 1998 Jiří Černický)
To hen kai pán (Jindřich Chalupecký Prize Laureate 1998 Jiří Černický)
Weiterlesen …
mütter
Wer hat Angst vorm Muttersein?
Wer hat Angst vorm Muttersein?
Zuzana Štefková
Die Vermehrung von Definitionen des Begriffes „Mutter“ stellt zugleich einen Ort wachsender Unterdrückung wie auch der potenziellen Befreiung dar.1 Carol Stabile Man schrieb das Jahr 2003, im dichten Gesträuch des Waldes bei Kladno (Mittelböhmen) stand am Wegesrand eine Frau im fortgeschrittenen Stadium der Schwangerschaft. Passanten konnten ein Aufblitzen ihres sich wölbenden Bauchs erblicken,…
Weiterlesen …
Bücher und Medien, die Sie interessieren könnten Zum e-shop
15cm x 21 x 0,7 cm / 32p / sérigraphie 4 passages couleur / 200 ex
Mehr Informationen ...
10 EUR
11 USD

Studio

Divus and its services

Studio Divus designs and develops your ideas for projects, presentations or entire PR packages using all sorts of visual means and media. We offer our clients complete solutions as well as all the individual steps along the way. In our work we bring together the most up-to-date and classic technologies, enabling us to produce a wide range of products. But we do more than just prints and digital projects, ad materials, posters, catalogues, books, the production of screen and space presentations in interiors or exteriors, digital work and image publication on the internet; we also produce digital films—including the editing, sound and 3-D effects—and we use this technology for web pages and for company presentations. We specialize in ...
 

Zitat des Tages Der Herausgeber haftet nicht für psychische und physische Zustände, die nach Lesen des Zitats auftreten können.

Die Begierde hält niemals ihre Versprechen.
KONTAKTE UND INFORMATIONEN FÜR DIE BESUCHER Kontakte Redaktion

DIVUS
NOVÁ PERLA
Kyjov 36-37, 407 47 Krásná Lípa
Čzech Republic


 

GALLERY
perla@divus.cz, +420 222 264 830, +420 606 606 425
open from Wednesday to Sunday between 10am to 6pm
and on appointment.

 

CAFÉ & BOOKSHOP
shop@divus.cz, +420 222 264 830, +420 606 606 425
open from Wednesday to Sunday between 10am to 10pm
and on appointment.

 

STUDO & PRINTING
studio@divus.cz, +420 222 264 830, +420 602 269 888
open from Monday to Friday between 10am to 6pm

 

DIVUS PUBLISHING
Ivan Mečl, ivan@divus.cz, +420 602 269 888

 

UMĚLEC MAGAZINE
Palo Fabuš, umelec@divus.cz

DIVUS LONDON
Arch 8, Resolution Way, Deptford
London SE8 4NT, United Kingdom

news@divus.org.uk, +44 (0) 7526 902 082

 

Open Wednesday to Saturday 12 – 6 pm.

 

DIVUS BERLIN
Potsdamer Str. 161, 10783 Berlin, Deutschland
berlin@divus.cz, +49 (0)151 2908 8150

 

Open Wednesday to Sunday between 1 pm and 7 pm

 

DIVUS WIEN
wien@divus.cz

DIVUS MEXICO CITY
mexico@divus.cz

DIVUS BARCELONA
barcelona@divus.cz
DIVUS MOSCOW & MINSK
alena@divus.cz

 

DIVUS NEWSPAPER IN DIE E-MAIL
Divus We Are Rising National Gallery For You! Go to Kyjov by Krásná Lípa no.37.