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UNTERSTÜTZEN DEUTSCHE BANK UND GUGGENHEIM DIE RUSSISCHE NEUE RECHTE?
Zeitschrift Umělec
Jahrgang 2009, 1
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UNTERSTÜTZEN DEUTSCHE BANK UND GUGGENHEIM DIE RUSSISCHE NEUE RECHTE?

Zeitschrift Umělec 2009/1

01.01.2009

David Riff | kontroverse | en cs de es

Als ich gerade dabei war, das Material unter dem Kodenamen „Grundrisse: Die Sache Oslomowski“ fertigzustellen, trat ein Ereignis ein, dass wie eine Bombe nicht nur in die Mailingliste, sondern auch in die breite künstlerische Öffentlichkeit einschlug. Durch eine merkwürdige Verkettung von Umständen wurde der prestigereiche Kandinsky-Preis, den 2007 A.Osmolowski erhalten hatte, 2008 einem höchst ambivalenten Künstler verliehen: A. Beljaew-Gintowt

MOSKAU, 11. DEZEMBER 2008. Die Auszeichnung mit dem russischen Kandinsky-Preis für das „Projekt des Jahres“ ging an Alexej Beljaew-Gintowt für eine Serie nationalistischer Gemälde. Diese Entscheidung löste eine große Kontroverse innerhalb der russischen Künstlergesellschaft aus, die sowohl eine Protestkundgebung vor der Verleihungsfeier als auch höhnische Rufe des Publikums bei der Bekanntgabe des Gewinners nach sich zog.
Der Kandinsky-Preis, der als Russlands wichtigste Auszeichnung gilt, ist für den Gewinner mit 52 000 US-Dollar dotiert, eine Summe, die dem Turner-Preis nahekommt. Der Preis wurde vor einem Jahr durch die Zeitschrift Art Chronika ins Leben gerufen und wird von der Holdinggesellschaft IDF Kapital, die ihren Sitz in Moskau hat, sowie der Deutschen Bank AG gesponsort. Die Shortlist wird von einer Sechserjury zusammengestellt, die aus drei russischen und drei ausländischen Experten besteht.
Die internationale Jury war gespalten, wie die Korrespondentin des Kommersant, Milena Orlova, berichtet. „Ich verstehe nicht, wie solch uninteressante, uninnovative Werke solch einen Preis erhalten konnten“, beklagte sich das Jurymitglied Jean-Hubert Martin, Kurator der französischen Nationalmuseen. Auch Andrej Jerofeew, ein weiteres Jurymitglied, protestierte heftig gegen die Aufnahme Beljaews in die Shortlist der Nominierten, obwohl er zuvor mit dem Künstler zusammengearbeitet hatte. Shava Breus, Besitzer von Art Chronika und Vorstandsvertreter des Preises, gestand ebenfalls, gegen Beljaew-Gintowt und für Soz-Art-Veteran Boris Orlow gestimmt zu haben. Beljaew-Gintowt wurde von zwei russischen Experten nominiert: Jekaterina Bobrinskaja, Verfechterin einer rechtsgerichteten Interpretation von Futurismus und Dada, und Alexander Borowski, Leiter der Abteilung für zeitgenössische Strömungen am Russischen Museum in Sankt Petersburg. Borowski war in seiner Unterstützung Beljaews stets besonders lautstark. Als das Internetportal OPENSPACE.RU die Frage aufwarf, ob ein Ultranationalist den Kandinsky-Preis gewinnen könne, behauptete Borowski, dass die Jury die politischen Überzeugungen des Künstlers nicht berücksichtigt hatte, aber dass er Beljaews Malerei als Beispiel des von ihm so genannten „etatistischen Ästhetizismus“ sieht: „Dieser Künstler spielt mit ,Staatsästhetik‘ und ich sehe hier eine ironische Distanz.“ (http://www.openspace.ru/art/projects/160/details/6106/).
Doch, wie es letzte Woche ein offener Brief Moskauer Aktivisten ausdrückte, „es gibt nichts spielerisches an Beljaews Rufen, russische Panzer mögen nach Tbilisi rollen, um den georgischen Präsidenten hinzurichten, ein Großserbien zu errichten oder die ehemaligen Sowjetrepubliken unter dem Banner eines eurasischen (sprich: russischen) Reiches zu ,befreien‘.“
Tatsächlich engagiert sich Beljaew-Gintowt schon seit einiger Zeit stark in der rechten Politik. Er begann Mitte der 90er Jahre nach rechts abzudriften und erlag dem Zauber des rechtsextremen Philosophen Alexander Dugin, der wiederholt seine Bewunderung für den Nationalsozialismus zum Ausdruck gebracht hat, sowie seine Hoffnung, im postsowjetischen Russland möge sich ein wahrhaft „faschistischer Faschismus“ entwickeln. „Faschismus ist Nationalismus, nicht irgendein Nationalismus, sondern ein revolutionärer, aufständischer, romantischer, idealistischer Nationalismus“, schrieb er.
Seit den frühen 2000er Jahren hat Dugin seine Position zu einer „geopolitischen“ verlagert und ist zu einem Ein-Mann-Think-Tank und zu einer Medienpersönlichkeit geworden. Seine eurasische Bewegung propagiert die Schaffung eines eurasischen Imperiums, das Russlands Einflussbereich von Deutschland und Frankreich bis in die Mongolei und Teile Chinas ausdehnen wird und sich damit der „atlantischen“ Zivilisation Amerikas entgegenstellt, die Dugin und seine Verbündeten als ihren ärgsten Feind betrachten. Dugin zieht es vor, von Russlands konservativer Revolution zu sprechen: „die Rehabilitation konservativer Werte, die Wiedergeburt religiöser Wurzeln und nationaler Unabhängigkeit, die Stärkung der russisch-orthodoxen Identität, ein reifer russisch-orthodoxer Fundamentalismus, die Wiedergeburt eines positiven russischen Nationalismus.“ Weitere Zitate Dugins und seiner Anhänger kann man unten finden. Im Laufe der vergangenen fünf Jahre haben sich die Ansichten des Kremls denen Dugins angenähert, was darin gipfelte, dass einer der selbsternannten Nachfolger Dugins, Iwan Demidow, direkt nach der Präsidentenwahl im März 2008 zum Chefideologen der Partei Jedinaja Rossija (Einiges Russland) ernannt wurde.
Beljaew-Gintowt ist in Dugins Organisation eine Schlüsselfigur. Ihrer Seite zufolge leitet er deren Jugendbewegung und ist ihr „Chefstylist“. Beljaew-Gintowts politisches Engagement wird am deutlichsten in seinen Fotomontagen widergespiegelt, die bei einem Besuch im Kaukasus während der russischen Militärintervention in Georgien im August 2008 gezeigt wurden. Nach der Präsentation schwärmte der Künstler: „Jetzt sieht ein Berg ohne eine Kolonne russischer Panzer eintönig und fade aus.“ Die Poster selbst zeigen eine russische Frau in neotraditionalistischer Tracht, die Maschinengewehre und Äxte handhabt, und Slogans wie „Wir werden uns alles zurücknehmen!“, „Absolutes Mutterland“ und „Unsere Marschstiefel sind heilig“.
Die Gemälde, für die Beljaew-Gintowt die Ernennung zum „Projekt des Jahres“ erhielt, stellen ebenfalls deutlich politisch geprägte Kunst dar und sehen wie eine billige Imitation Leni Riefenstahls oder Arno Brekers aus. Beljaew-Gintows Werke, die in der Triumph-Galerie in Moskau gezeigt werden (eine Galerie, die für gewöhnlich solche Künstler präsentiert, die mit ultrarechter Ästhetik kokettieren, um die glamouröse Klientel zu reizen), tragen Titel wie „Töchter des Mutterlandes“ und glorifizieren imperiale Vorherrschaft, Blut, Boden und Krieg in einem bewusst triumphalen neostalinistischen Stil, der Purpur und Blattgold mischt. Diese Arbeiten haben sich einigen kommerziellen Erfolgs erfreut, doch die Rezeption durch die Kritiker war bisher größtenteils negativ, und das nicht nur aus politischen Gründen. „Aus einer künstlerischen Perspektive heraus sehen [die Gemälde Beljaew-Gintowts] aus wie das perfekte Design für die Büros ergebener Geschäftsleute oder Regierungsbeamter“, schreibt Sergej Chatschaturow für die Tageszeitung Wremja Nowostej. „Der Stil des Künstlers ist bewusst ausradiert und unpersönlich gemacht worden; die Bilder wirken ausgestanzt und sind voller Klischees. […] das, was am meisten verwirrt, ist, dass Beljaews Werk trotz der Poetisierung von Kraft und Macht beinahe jegliche Energie oder aufrichtig gefühlte Emotion fehlt. Genauer gesagt ist es eine dekorative Mumifizierung der Macht.“
Offensichtlich waren zwei andere Jurymitglieder weder fähig, die offensichtlichen politischen Kodes der Arbeiten von Beljaew-Gintowt zu lesen, noch hat der künstlerische Wert der Arbeiten an sich bei ihnen irgendwelche Zweifel aufkommen lassen. Wie die Tageszeitung Kommersant berichtet, stimmten sowohl Friedhelm Hütte von den Deutschen Bank AG als auch Valerie Hillings, Kuratorin am Guggenheim, für die Verleihung des „Projekt des Jahres“-Preises an Beljaew-Gintowt. Sie behaupteten, ihre Entscheidung allein auf der Grundlage ästhetischer Kriterien gefällt zu haben und sich über den Kontext nicht im Klaren gewesen zu sein. Der Guggenheim-Kuratorin Valerie Hillings, die auch Kuratorin der „Russia!“- Ausstellung, die 2005 im Guggenheim stattfand, war, kann man dies nur schwer abkaufen. Was Friedhelm Hütte angeht, so berichten Zeugen, die am Empfang nach der Preisverleihung teilgenommen hatten, dass er, als er hinsichtlich seiner Wahl verbal herausgefordert wurde, lautstark mit „Was ist an Patriotismus falsch?“ konterte.

Aus dem Artikel von Milena Orlowa
für Kommersant:
Der Held des Skandals war offensichtlich darauf vorbereitet, dass sein Sieg mit Pfiffen begrüßt und als Schande betitelt wird – auf der Internetseite Beljaew-Gintowts findet man schon seit langem das Manifest „Ökologie der Kunst“. Es enthält auch folgende Passagen: „Unter dem Deckmantel ,aktueller Kunst‘ wurde in Russland eine totalitäre Sekte namens ,offene Gesellschaft‘ aktiviert. Die Meister der neuen Weltordnung – Modernisten, Künstler und Kunstkenner – kultivieren plebejische Rechtlosigkeit, Frevel und Verhöhnung der Gefühle der Gläubigen, grob verletzen sie die Menschenrechte, indem sie sexuelle Perversionen praktizieren und Ikonen zerstören…die Modernisten stoßen die Bürger Russlands in die Höllenfinsternis…wir stellen uns denen in den Weg, die unsere Prinzipien untergraben…“ und weiter in demselben Ton. Mir scheint irgendwie, als ob dieses Manifest (übrigens ein künstlerisches, kein politisches) den ausländischen Mitgliedern der Jury nicht übersetzt wurde – sonst hätten sie sich wohl kaum dazu entschieden, den Preis, der den Namen Wassili Kandinskys, einer der Koryphäen des weltweiten Modernismus trägt, einem Künstler zu verleihen, der in seinem ästhetischen Programm die Thesen derer wiedergibt, die „degenerative Kunst“ verfolgen.
http://www.kommersant.ru/doc-y.aspx?DocsID=1097948
AB: In allem, was geschehen ist, kann man als einziges positives Moment die plötzliche Einigung aller derer ansehen, die vor Kurzem noch Gegner waren. Es geht hier nicht nur um ideelle und ästhetische Meinungsverschiedenheiten unter den Teilnehmern der Grundrisse-Mailingliste, sondern um Vertreter der russischen künstlerisch-intellektuellen Gemeinschaft insgesamt. Die Empörung über die Verleihung eines solch prestigeträchtigen Preises an einen Künstler mit rechtsradikalen, ausgeprägt nationalistischen Ansichten – was einer Legitimierung seiner politischen Haltung auf Regierungsebene gleichkommt – äußerte sich in zahlreichen Internet- und Printveröffentlichungen. Dies führte seinerseits dazu, dass einige Mitglieder der internationalen Jury es für notwendig hielten, Stellung zu beziehen. Unten einige Auszüge aus einem Artikel von Alexej Pluzer-Sarno:
Links
Offener Brief von Tschto delat‘ und der sozialistischen Bewegung „Vorwärts“ http://chtodelat.wordpress.com/2008/12/08/an-open-letter-on-the-2008-kandinsky-prize/
John Varoli: Hohn und Jubel für den Kandinsky-Gewinner, den Maler Beljaew-Gintowt http://www.bloomberg.com/apps/news?-pid=20601120&sid=arBrvxOxB4Qc&refer=muse
Kirill Medwedew: Kandinsky ist beschämt: Wpered und Tschto delat‘ protestieren vor der Kandinsky-Preisverleihung http://chtodelat.wordpress.com/2008/12/13/kandinsky-is-ashamed-vpered-and-chto-delat-

Anhang: Zitate Alexander Dugins sowie der Website der eurasischen Bewegung
…wir sind eine Vereinigung der Meister, der neuen obersten Herren Eurasiens. Wir werden unseren Willen souverän, eisern und unerschrocken behaupten. [Unsere] Vorherrschaft beginnt zu Hause. Sie breitet sich dann aus, nah und fern, [in nahe und ferne Länder], zieht weitere und weitere Kreise, bis sie die maritime Grenze des Kontinents erreicht. Wir sind Eurasier, und zwar genau deshalb, weil unser Wille Grenzen umstürzt. Er ist wissentlich weiter als zugewiesen, gestattet, abgemessen, genehm…
…Unser Ziel ist absolute Macht.
… Da wir die Herren der Erde sind, sind wir die Kinder und Enkel der Herren der Erde. Nationen und Länder haben sich vor uns verbeugt; unsere Handfläche umfasste die halbe Welt; unsere Sohlen traten auf die Berge und Täler aller Erdteile. Wir werden es uns alles zurücknehmen.
… Alles, was aus Amerika kommt, ist mit Gift durchtränkt. Alles, was dort gesagt wird, ist Unwahrheit und Seuche. Alles, was dort getan wird, sollte zerdrückt und hinausgeworfen werden. Um unser „Selbst“ zu erhalten, müssen wir strenge antiamerikanische Hygiene einführen…
…die alles entscheidende Stunde Eurasiens hat bereits geschlagen… Die GROSSE SCHLACHT DER KONTINENTE nähert sich bereits ihrem Endpunkt.
…der innere Imperativ derjenigen, die sich als wahre Söhne und Töchter des Volkes sehen, ist es, dem russischen Geiste, dem russischen Glauben, der russischen Tradition zu dienen. Unter den neuen Opritschniks wird der Wert des eigenen Landes, des Vaterlandes, seine Macht und Stärke zu einem absoluten Wert, der es einem ermöglichen wird, das Maß aller übrigen Dinge zu erkennen. Russland ist das wahre Maß aller Dinge. Das, was es und sein Volk stärkt und eint ist gut; alles, was es schwächt ist böse. So wird die „Ethik der Opritschniks“ geboren. Und selbst wenn die Mehrheit der Bürger Russlands nicht in dieser Art und Weise denkt, so sollten differenzierte Menschen der Gegenwart genau so denken und handeln. Mutterland Russland über alles.
…Faschismus ist Nationalismus, aber keine beliebige Form von Nationalismus; es ist vielmehr revolutionärer Nationalismus – aufständisch, romantisch, idealistisch. Es spricht den großen Mythos und die transzendente Idee an; es strebt danach, den Unmöglichen Traum in der Realität leibhaftig werden zu lassen, eine Gesellschaft von Helden und des Übermenschen hervorzubringen, die Welt zu verändern, umzugestalten.
… Das Wesen des Faschismus ist eine neue Hierarchie, eine neue Aristokratie. Seine Neuheit besteht eben in der Tatsache, dass [seine] Hierarchie auf natürlichen, organischen, klaren Prinzipien aufgebaut ist: Würde, Ehre, Mut, Heldenhaftigkeit.
… Der russische Faschismus besteht nicht nur aus mehreren Parteien und Bewegungen, die eine ähnliche Richtung gemeinsam haben. Er ist der Zustand des heutigen gesellschaftlichen Denkens. Er ist die Verbindung von natürlichem nationalen Konservativismus und dem leidenschaftlichen Wunsch nach wirklicher Veränderung.
…Der blendende Tagesanbruch, der Anbruch einer neuen russischen Revolution – Faschismus, der grenzenlos wie unser Land ist und rot wie unser Blut…

Die Zitate wurden von Kirill Medwedew zusammengestellt und im oben angeführten Material von Victoria Loprieno ins Deutsche übersetzt.

Quellen (auf Russisch):
http://www.rossia3.ru/katehizis.html
http://www.rossia3.ru/programma.html
http://www.rossia3.ru/3.html
http://arcto.ru/modules.php?name=News&file=article&sid=1252
http://www.my.arcto.ru/public/templars/arbeiter.html




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