Zeitschrift Umělec 2011/1 >> wirtschaftsspiel. Verbrennt den König des Karnevals! Übersicht aller Ausgaben
wirtschaftsspiel. Verbrennt den König des Karnevals!
Zeitschrift Umělec
Jahrgang 2011, 1
6,50 EUR
7 USD
Die Printausgabe schicken an:
Abo bestellen

wirtschaftsspiel. Verbrennt den König des Karnevals!

Zeitschrift Umělec 2011/1

01.01.2011

Ivan Mečl | editorial | en cs de

Gott ist längst tot. Schrecklich lange haben die Deutschen daran gearbeitet. Jetzt verreckt auch die Herrschaft der menschlichen Dinge. Auf der Grundlage von internationaler Zusammenarbeit und Austausch. Weder in den entfernten Residenzen der führenden Wirtschaftsköpfe noch in den Löchern der kleinen Murmeltiere ist es mehr sicher. Allen setzt das Gefühl des Verderbens zu. Der Schmutz pocht an die Palastpforten, und überall verbreitet sich Gestank. Das können wir nicht mehr rausfiltern, sauber machen. Jetzt beginnt wohl endlich der Spaß. Lasst uns darauf einen Schluck Rohöl trinken und roh werden!
Am besten lässt sich das menschliche Wirtschaftsspiel überblicken, wenn man vom Dunkerquer Hafen aus quer durch Europa fährt. Endlich siegt die Geometrie, die Planungen ferner und nie anwesend gewesener Architekten, anscheinend absichtliche Berechnungsfehler. Vielleicht hat das aber auch nie jemand groß berechnet.
Es stimmt nicht, dass die europäische Regierung irgendetwas steuert. Sie spielt diese Steuerung nur. Dass dieses Spiel teuer ist, spielt keine Rolle. Geld wird ausgedacht und gedruckt. Wenn wir es wirklich brauchen, werden wir es uns auch ausdrucken oder einfach einen Algorithmus aufstellen. Lokale Regierungen steuern überhaupt nichts. Und dass sie klauen, ist auch egal. Eigentum hat keinen Wert. Wir müssen nichts besitzen und sind deshalb nicht neidisch. Die berühmte unsichtbare Hand des Marktes gibt es nicht. Die geschickten Gliedmaßen sind verschwunden. Abgestorben und verkrüppelt. Es gibt nur noch den Penis des Marktes, der uns fickt und manchmal in den Beeten wühlt, wenn der Körper des Marktes im Todeskrampf an ihm rüttelt.
Die Gegend um Dunkerque ist der depressivste Ort des großartigen entwickelten Europas. Die Planer, Architekten und Eigentümer dieser unmenschlichen Zone leben bestimmt irgendwo weit weg, sonst müssten sie davon kotzen. Die vergessenen Farmarbeiter erwachen mit dem Gedanken an Selbstmord zwischen dem Gewirr lärmender Autobahnzubringer, Unterführungen der Überführungen, rostigen Rampen, zerklüfteten Betonparkplätzen, künstlichen Wasserkanälen, Hügeln aus irgendwo ausgegrabener Erde und baulicher Industriezonenkreativität.
Der Blick in die Landschaft verlieh einstmals den Mut, sich gegen die Tyrannei zu erheben – deshalb versauten die Tyrannen diese Landschaft mit ihren Symbolen der Beschränktheit. Die Filmversion von McCarthys The Road sollte in der Nähe des Hafens von Dunkerque spielen. In dieser Gegend trifft man nur schwer einen Fußgänger. Einmal habe ich eine dunkle Gestalt mit Kapuze die Autobahn entlangschleichen gesehen. Vielleicht der Fahrer eines abgestellten LKW. Dunkerque ist von einer Architektur aus Lagerhallen und Ackerfirmen umzingelt. Eine Ackerfirma ist ein Gebäude aus Glas und Plastik, das auf dem Feld am Straßenrand errichtet wurde und den Eindruck weckt, als gäbe es in der Nähe eine ähnlich bescheuert aussehende Stadt. Ein Zylinder bildet das Fundament; lediglich die zur Landstraße gerichtete Fassade ist das Design eines Computers und seines gestalterischen Sklaven. Das Design basiert bei dieser Architektur auf dem kreativen Hoden des unsichtbaren Penis des Marktes. Und Hoden bedeutet Plastik, Glas und Stahl in Bézierkurven. Der Christstollen aus Plastik, Glas und Stahl trägt Betonpantoffeln.
Der einzige sichtbare Teil des unsichtbaren Körpers des Marktes ist das Gehirn. Das Gehirn des Marktes befindet sich in dem großen Bereich unseres Gehirns, der von uns nicht genutzt wird. Die Weltwirtschaft bräche zusammen, wenn der Mensch anfangen würde, den Rest seines Gehirns zu nutzen. Aber ein mit dem ganzen Gehirn denkender Mensch würde einen solchen Kollaps nicht für eine Tragödie halten.
Dann müssten die echten Hände verwendet werden, um auch die letzten Überreste der halbtoten unsichtbaren Körper und ihrer Glieder wegzuräumen, die unser Leben beherrschen. Unsere Vorfahren zündeten manchmal Kirchen, Burgen, Vogelscheuchen und überhaupt alles Scheußliche an. Wir werden große Lagerhallen an Autobahnen, Riesenreklameschilder (für Mattoni) in Böschungen und Ackerfirmen verbrennen. Habt immer Öl bei Euch. Anfangs brennt das alles verdammt schlecht.

12.4.2011 17:16:11 Magdalena Bažantová schrieb: schreib da noch hin, dass sie mir bei tesco verfaulte tomaten verkauft haben
12.4.2011 17:19:54 Ivan Mečl schrieb: ok, das gibt ihnen den rest, jetzt beginnt die revolution

Bald ist wieder Karneval. Wer will Karnevalskönig sein?

Aus dem Tschechischen von Filip Jirouš.




Kommentar

Der Artikel ist bisher nicht kommentiert worden

Neuen Kommentar einfügen

Empfohlene Artikel

Le Dernier Cri und das Schwarze Glied von Marseille Le Dernier Cri und das Schwarze Glied von Marseille
Alle Tage hört man, dass jemand mit einem etwas zusammen machen möchte, etwas organisieren und auf die Beine stellen will, aber dass … tja, was denn eigentlich ...? Uns gefällt wirklich gut, was ihr macht, aber hier könnte es einige Leute aufregen. Zwar stimmt es, dass ab und zu jemand aus einer Institution oder einem Institut entlassen wurde, weil er mit uns von Divus etwas veranstaltet hat –…
Missglückte Koproduktion Missglückte Koproduktion
Wenn man sich gut orientiert, findet man heraus, dass man jeden Monat und vielleicht jede Woche die Chance hat, Geld für sein Kulturprojekt zu bekommen. Erfolgreiche Antragsteller haben genug Geld, durchschnittlich so viel, dass sie Ruhe geben, und die Erfolglosen werden von der Chance in Schach gehalten. Ganz natürlich sind also Agenturen nur mit dem Ziel entstanden, diese Fonds zu beantragen…
MIKROB MIKROB
There’s 130 kilos of fat, muscles, brain & raw power on the Serbian contemporary art scene, all molded together into a 175-cm tall, 44-year-old body. It’s owner is known by a countless number of different names, including Bamboo, Mexican, Groom, Big Pain in the Ass, but most of all he’s known as MICROBE!… Hero of the losers, fighter for the rights of the dispossessed, folk artist, entertainer…
Nick Land, Ein Experiment im Inhumanismus Nick Land, Ein Experiment im Inhumanismus
Nick Land war ein britischer Philosoph, den es nicht mehr gibt, ohne dass er gestorben ist. Sein beinahe neurotischer Eifer für das Herummäkeln an Narben der Realität, hat manch einen hoffnungsvollen Akademiker zu einer obskuren Weise des Schaffens verleitet, die den Leser mit Originalität belästigt. Texte, die er zurückgelassen hat, empören, langweilen und treiben noch immer zuverlässig die Wissenschaftler dazu, sie als „bloße“ Literatur einzustufen und damit zu kastrieren.
04.02.2020 10:17
Wohin weiter?
offside - vielseitig
S.d.Ch, Einzelgängertum und Randkultur  (Die Generation der 1970 Geborenen)
S.d.Ch, Einzelgängertum und Randkultur (Die Generation der 1970 Geborenen)
Josef Jindrák
Wer ist S.d.Ch? Eine Person mit vielen Interessen, aktiv in diversen Gebieten: In der Literatur, auf der Bühne, in der Musik und mit seinen Comics und Kollagen auch in der bildenden Kunst. In erster Linie aber Dichter und Dramatiker. Sein Charakter und seine Entschlossenheit machen ihn zum Einzelgänger. Sein Werk überschneidet sich nicht mit aktuellen Trends. Immer stellt er seine persönliche…
Weiterlesen …
offside - hanfverse
Die THC-Revue – Verschmähte Vergangenheit
Die THC-Revue – Verschmähte Vergangenheit
Ivan Mečl
Wir sind der fünfte Erdteil! Pítr Dragota und Viki Shock, Genialitätsfragmente (Fragmenty geniality), Mai/Juni 1997 Viki kam eigentlich vorbei, um mir Zeichnungen und Collagen zu zeigen. Nur so zur Ergänzung ließ er mich die im Samizdat (Selbstverlag) entstandene THC-Revue von Ende der Neunzigerjahre durchblättern. Als die mich begeisterte, erschrak er und sagte, dieses Schaffen sei ein…
Weiterlesen …
prize
To hen kai pán (Jindřich Chalupecký Prize Laureate 1998 Jiří Černický)
To hen kai pán (Jindřich Chalupecký Prize Laureate 1998 Jiří Černický)
Weiterlesen …
mütter
Wer hat Angst vorm Muttersein?
Wer hat Angst vorm Muttersein?
Zuzana Štefková
Die Vermehrung von Definitionen des Begriffes „Mutter“ stellt zugleich einen Ort wachsender Unterdrückung wie auch der potenziellen Befreiung dar.1 Carol Stabile Man schrieb das Jahr 2003, im dichten Gesträuch des Waldes bei Kladno (Mittelböhmen) stand am Wegesrand eine Frau im fortgeschrittenen Stadium der Schwangerschaft. Passanten konnten ein Aufblitzen ihres sich wölbenden Bauchs erblicken,…
Weiterlesen …
Bücher und Medien, die Sie interessieren könnten Zum e-shop
Drama z budoucnosti jako zkratka české orweliány. Malebná dystopická vize hradu, podhradí, selského rozumu, druhého národního...
Mehr Informationen ...
3,80 EUR
4 USD
Flute, sketch - drawing, 29,5 x 20,5 cm
Mehr Informationen ...
340 EUR
358 USD
Clown‘s Suicide, 1995, silkscreen print, 33 x 46 cm
Mehr Informationen ...
65 EUR
68 USD
This book by top Czech painter Igor Korpaczewski, who goes by the pseudonym KW and teaches at Prague’s Academy of Fine Arts,...
Mehr Informationen ...
99 EUR
104 USD

Studio

Divus and its services

Studio Divus designs and develops your ideas for projects, presentations or entire PR packages using all sorts of visual means and media. We offer our clients complete solutions as well as all the individual steps along the way. In our work we bring together the most up-to-date and classic technologies, enabling us to produce a wide range of products. But we do more than just prints and digital projects, ad materials, posters, catalogues, books, the production of screen and space presentations in interiors or exteriors, digital work and image publication on the internet; we also produce digital films—including the editing, sound and 3-D effects—and we use this technology for web pages and for company presentations. We specialize in ...
 

Zitat des Tages Der Herausgeber haftet nicht für psychische und physische Zustände, die nach Lesen des Zitats auftreten können.

Die Begierde hält niemals ihre Versprechen.
KONTAKTE UND INFORMATIONEN FÜR DIE BESUCHER Kontakte Redaktion

DIVUS
NOVÁ PERLA
Kyjov 36-37, 407 47 Krásná Lípa
Čzech Republic


 

GALLERY
perla@divus.cz, +420 222 264 830, +420 606 606 425
open from Wednesday to Sunday between 10am to 6pm
and on appointment.

 

CAFÉ & BOOKSHOP
shop@divus.cz, +420 222 264 830, +420 606 606 425
open from Wednesday to Sunday between 10am to 10pm
and on appointment.

 

STUDO & PRINTING
studio@divus.cz, +420 222 264 830, +420 602 269 888
open from Monday to Friday between 10am to 6pm

 

DIVUS PUBLISHING
Ivan Mečl, ivan@divus.cz, +420 602 269 888

 

UMĚLEC MAGAZINE
Palo Fabuš, umelec@divus.cz

DIVUS LONDON
Arch 8, Resolution Way, Deptford
London SE8 4NT, United Kingdom

news@divus.org.uk, +44 (0) 7526 902 082

 

Open Wednesday to Saturday 12 – 6 pm.

 

DIVUS BERLIN
Potsdamer Str. 161, 10783 Berlin, Deutschland
berlin@divus.cz, +49 (0)151 2908 8150

 

Open Wednesday to Sunday between 1 pm and 7 pm

 

DIVUS WIEN
wien@divus.cz

DIVUS MEXICO CITY
mexico@divus.cz

DIVUS BARCELONA
barcelona@divus.cz
DIVUS MOSCOW & MINSK
alena@divus.cz

 

DIVUS NEWSPAPER IN DIE E-MAIL
Divus We Are Rising National Gallery For You! Go to Kyjov by Krásná Lípa no.37.