Zeitschrift Umělec 2008/1 >> DAS SCHACHSPIEL DER ZEITGENÖSSISCHEN KUNST: EIN HANDBUCH FÜR GUTES BENEHMEN | Übersicht aller Ausgaben | ||||||||||||
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DAS SCHACHSPIEL DER ZEITGENÖSSISCHEN KUNST: EIN HANDBUCH FÜR GUTES BENEHMENZeitschrift Umělec 2008/101.01.2008 Pablo Helguera | en cs de es |
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Die Kunstwelt wird von vielen als das hoch entwickeltste Spiel, das jemals erfunden wurde, betrachtet. Um zu lernen, wie es gespielt wird, ist es hilfreich für den Neuling, sich die Kunstwelt als ein Schachspiel vorzustellen.
Wenn man dieser Vorstellung folgt, stellt sich heraus, dass in der Kunstwelt viele vergleichbare Figuren dieses antiken Spiels agieren: Der König (Der Museumsdirektor) Die Königin (Die Sammler und/oder Museumstreuhänder) Die Kuratoren (Die Türme) Die Händler (Die Springer) Die Kritiker (Die Läufer) Die Bauern (Die Künstler) So wie beim Schach bewegt sich jede der Figuren, die das Schachbrett betritt, nach vorbestimmten Regeln, aber auf eine viel kompliziertere Art. Die Bewegungen der Figuren können im Gegensatz zum Schach auf drei Arten geschehen: es gibt den sozialen Zug (auf mehrere oder einen Spieler zugehen und mit ihm/ihnen interagieren); den finanziellen Zug (andere Spieler durch Kunstanschaffungen oder Arbeit kontrollieren) und den politischen Zug (sich selbst in eine Machtposition bringen und dadurch andere Spieler kontrollieren). Wir beginnen mit dem König – dem Museumsdirektor. Das ist theoretisch die Schlüsselfigur des Spiels, denn wer ihn fängt, kontrolliert oder gewinnt das Spiel. Der König/Museumsdirektor ist eine widersprüchliche Figur, denn während er die wichtigste Figur im Spiel ist, ist er alleine völlig machtlos. Er braucht den Schutz seiner Institution und seiner Angestellten und vor allem die Unterstützung der Königin (die Sammler und/oder Museumstreuhänder). Die Königin – die, wie wir bereits erwähnten, von den Sammlern und/oder Museumstreuhändern gespielt wird – ist die mächtigste Figur im Spiel. Dies ist die Figur mit der größtmöglichen Bewegungsfreiheit über das Brett, und sie kann jede andere Figur fangen, was sie zum definierenden Element des Spiels macht. Gleichzeitig ist der Verlust des Spiels vorprogrammiert, wenn sie ihre Manövrierfähigkeit einbüßt oder ineffektiv wird. Es ist gewöhnlich der schlimmste Fehler im Spiel, die Königin zu verärgern, da es ihr möglich ist, die Karriere jeder anderen Figur im Spiel, inklusive der des Königs, zunichte zu machen. Die Türme (die Kuratoren) haben Befugnisse, die von der Unterstützung der Königin und anderer Figuren abhängig sind. Die Macht der Türme liegt in ihrer Position im Schachbrett begründet, was die Tatsache erklärt, dass manche Kuratoren mehr Macht haben als andere. Daher ist ihre Macht vergänglich. Bei manchen Gelegenheiten – wie in Finalrunden (das Äquivalent zu Biennalen und anderen Ereignissen mit hoher internationaler Aufmerksamkeit) – ist der Einfluss des Kurators der Schlüsselfaktor. Bündnisse mit den Türmen sind genauso lebenswichtig wie die mit der Königin. Die Läufer (engl. bishop) (die Kritiker) bewegen sich immer diagonal, um den Eindruck zu erwecken, keine bestimmte Ausrichtung zu haben (nach links oder rechts). Sie sind das moralische Gewicht des Spiels, daher ihre Assoziation mit dem Religiösen. In ihrem gleichsam ungebundenen und diagonalen Weg neigen die Kritiker dazu, indirekt die Künstler (die Bauern) zu unterstützen und entwickeln manchmal Verbindungen mit ihnen, die extrem schwierig von anderen Figuren, inklusive der Königin, zu brechen sind. Die Springer (die Händler) sind unberechenbare Figuren, für gewöhnlich mit großer Reichweite, obwohl ihr Wert auf dem Spielbrett nur eine Stufe über dem der Bauern liegt. Sie reisen weit (zu internationalen Kunstmessen) und tragen ihre Künstler bei sich. Clever eingesetzt können sie den Erfolg eines Spiels garantieren. Die, die auf das richtige Pferd setzen, können tatsächlich Erfolg haben. Die Bauern sind, wie wir bereits wissen, die Künstler – die geringste und zugleich wichtigste Figur im Spiel. Sie sind proportional auch die bevölkerungsstärkste Gruppe, und durch ihre unaufhörliche Vermehrung dank der Kunstschulen, die sie jährlich hervorbringen, ist es am Anfang des Spiels schwierig, sie individuell einzuschätzen. Nichtsdestotrotz gewinnen sie, sobald sie beginnen, sich über das Brett zu bewegen, an Stärke sowie die Unterstützung der anderen Figuren um sie herum. Ein Bauer, der sich zur Spitze des Schachbretts vorwagt, wird als extrem gefährlich angesehen, und seine Feinde werden alles in ihrer Macht stehende tun, um ihn zu stoppen. Trotzdem wird bei diesen Gelegenheiten der Bauer zu einer wichtigen Figur (einem Marktwert) für diejenigen, die auf seiner Seite stehen; und wenn er erfolgreich ist, ermöglicht ihm diese uneingeschränkte Unterstützung, die „Krone”, zu erreichen, also zeitlose Anerkennung in der Kunstgeschichte zu erlangen. Einmal gekrönt wird der Bauer zur Königin und kann fortan mit derselben Macht wie die wichtigste Figur im Spiel agieren. Spielregeln: 1. In der Kunstwelt gibt es keine Einzelspieler oder Spielerpaare, nicht einmal zwei Farben von Figuren. Im Kunst-Schach findet man eine Vielfalt von Farben, je nach kultureller und geografischer Herkunft. Auf dem internationalen Schachbrett ist es die Regel, dass es Figuren jeglicher Farbe gibt; vorherrschend sind aber gewöhnlich die Weißen, mit einem kleineren Prozentsatz von anderen Farben, da gute Spieler dieser Sorte eher selten sind. Es ist nicht wünschenswert mit der gleichen Art von nicht-weißen Figuren zu spielen, es sei denn es handelt es sich um ein sehr kleines regionales Turnier. 2. Man sollte den Schachbegriff Round Rubin, der bei manchen Turnieren verwendet wird, benutzen – jeder kämpft gegen jeden. Bei dieser Dynamik haben alle Figuren die Chance, ihre Umgebung zu beeinflussen und sie zu einem gewissen Grad, ihrer Möglichkeiten und Macht entsprechend, durch Bündnisse zu bestimmen. Der König und die Königin können hierbei ihre Aktionen natürlich leichter koordinieren. 3. Wenn man sich auf ein internationales Turnier begibt, wie etwa eine internationale Biennale, muss man sich erst mit den Figuren derselben Herkunft (z. B. Art und Farbe) auseinandersetzen. 4. Beim traditionellen Schach ist das Ziel des Spiels, den König zu fangen. Obwohl das auch auf das Kunst-Schach zutrifft (den Museumsdirektor zu kontrollieren, ist ein wünschenswertes Ziel), ist hier das wichtigste Ziel, sich von der Königin (dem Sammler) fangen zu lassen. Aufgrund dieses entscheidenden Unterschieds kann Kunst-Schach nicht mit einer reinen Angriffsstrategie gewonnen werden, sondern nur durch die Kombination von Kampf- und Verführungstechnik. 5. Ein „Unentschieden“ ist im Kunst-Schach dann erreicht, wenn die Figuren des Schachbretts den Fortschritt von anderen verhindern, gleichzeitig aber selbst nicht weiter kommen, da sie von anderen ebenfalls geblockt werden. Dieser Zustand wird meist in bestimmten kleinen Kunstgemeinschaften erreicht (vgl. der letzte Abschnitt in „cabin fever”) und führt oft zu uninspirierten Ausstellungen und Kunstveranstaltungen. Zu rebellischen Spielern Unter bestimmten Umständen gibt es diejenigen, die sich traditionellen Regeln nicht anpassen wollen und unorthodoxe Strategien ausprobieren, etwa gleichzeitig als Künstler und Kurator zu spielen. Diese Tendenz, die anfangs nie toleriert wurde, wird in letzter Zeit öfters akzeptiert (wir werden uns diesem Thema noch genauer im „Kuratoren“-Abschnitt zuwenden). Nichtsdestotrotz ist es wichtig, hier zwei Details zu erwähnen. Ein Detail bezieht sich auf die „einkanaligen Blick“ der Kunstwelt. Es ist extrem schwierig, in der großen Masse von Künstlern, Kuratoren, Kritikern und anderen als Individuum anerkannt zu werden. Eine Doppelrolle zu spielen, verwirrt die Menschen und macht es doppelt schwer, im Kopf der Menschen präsent zu bleiben. Zweitens finden diejenigen, die Hybridfunktionen in der Kunstwelt anstreben, nicht so viele Probleme mit der Akzeptanz ihrer Doppelrolle, sondern eher mit den Nebeneffekten, die bei solch einer Strategie aufkommen. Zum Beispiel muss ein Künstler, der kuratiert, viel Zeit dafür aufbringen, die Vorstellung, dass er nur kuratiert, weil er als Künstler nicht besonders erfolgreich ist, zu ändern. Das hält ihn ab von seiner Arbeit als Kurator und als Künstler. Und der Kurator, der seine eigenen Arbeiten ausstellt (vor allem in selbst kuratierten Ausstellungen), erweckt das Misstrauen von Vollzeit-Kuratoren, da diese denken, dass er ihr Berufsfeld nicht respektiert, während Künstler ihn als Konkurrenz sehen. Aber der vielleicht am wenigsten erwünschte Hybrid ist der des Künstlers/Kritikers. Falls er eine positive Ausstellungskritik schreibt, wird der Künstler/Kritiker mit Argwohn betrachtet, weil es so aussieht, als ob dieses Individuum versuche, Bündnisse aufzubauen. Das Verfassen von negativen Kritiken dagegen erweckt Groll, der sich hinderlich auf die Karriere des Künstlers auswirken könnte. Man muss daran denken, dass es kein größeres Vergnügen gibt, die Ausstellung eines Künstlers zu kritisieren, der selbst die Ausstellungen von anderen kritisiert hat. Der Künstler Zu Beginn der modernistischen Epoche arbeiteten die Künstler hart in ihren Ateliers, gewöhnlich in Isolation und alle möglichen Entbehrungen erleidend, bis sie von einem Händler oder Schutzpatron entdeckt oder von Kritikern und Kuratoren anerkannt wurden. Heutzutage ist das künstlerische Leiden nicht verschwunden, aber die Art des Leidens hat sich geändert. Professionelle, aus Kunstschulen hervorgegangene Künstler verbringen weniger Zeit in ihrem Studio, sondern leben ein nomadisches Leben zwischen Flughäfen, erholen sich vom Jetlag ihres endlosen Transits zwischen Residenzen, Biennalen, Kunstmessen, Redeverpflichtungen, Eröffnungen und anderen sozialen Veranstaltungen. Professionelle Künstler erledigen mehr Arbeit auf ihren Laptops und per Email als im Studio und haben an endlosen Abendessen mit exzentrischen Sammlern teilzunehmen und ganze Nächte mit dem Ausfüllen von Subventionsformularen zu verbringen. Wirklich erfolgreiche Künstler sind die, die erkennen, dass sich ihre traditionelle Kunstschulenausbildung völlig nutzlos gewesen ist, und damit anfangen, sich tatsächlich nützliche Fertigkeiten wie digitale Programmierung, Ethnographie und Soziologie, Psychologie, Geschäftsführung, Industrie- und Produktdesign, Marketing, Architektur und Bauwesen anzueignen. Auf gleiche Weise hat sich die Art geändert, wie Künstler an die Spitze kommen. Früher wurden sie von einer kleinen Gruppe von Kennern ausgewählt, die viel über Kunstgeschichte wussten. Heute können sie nur bekannt werden, wenn sie von denjenigen unterstützt werden, die die finanziellen Möglichkeiten haben, ihre Arbeiten zu kaufen und zu fördern, und sie gewillt sind, mit ihren Förderern zusammen zu arbeiten und auch weiterhin ein gutes Produkt zu erzeugen, das auf die Anforderungen des Marktes abgestimmt ist und auf die künstlerischen Trends des Marktes reagiert. Es gibt eine generelle, wenn auch unausgesprochene, hierarchische Einstufung für Künstler, welche auf ihrer internationalen und institutionellen Anerkennung basiert. Auch wenn sie niemals öffentlich verwendet wird, ist sie eine nützliche Referenz für die, die eine Vorstellung von der Position eines Künstlers (einschließlich ihrer eigenen) in der professionellen Landschaft der Kunstwelt bekommen möchten. Als „A-level“ oder „Blue Chip“ Künstler werden generell die bezeichnet, die regelmäßig an den wichtigen internationalen Biennalen teilnehmen, deren Arbeiten von den großen Museumssammlungen besessen werden und über die regelmäßig im Artforum geschrieben wird. Es ist sehr hart, den A-level Status über längere Zeit, und vor allem permanent, aufrechtzuerhalten. Alle Künstler behaupten, A-level Künstler zu sein. A-level Status kann in der Kunstwelt schon für einen Zeitraum von einer Woche erlangt werden. A-level Künstler machen 3% des Kunstmarktes aus. B-level Künstler sind die, die manchmal auf internationalen Biennalen ausstellen und Arbeiten in wichtigen Sammlungen haben, aber deren Liste an Ausstellungen und Kritiken nur punktuell und uneben ist. Ungefähr 15% des Kunstmarktes sind B-level Künstler. C-level Künstler, gewöhnlich bekannt als „aufstrebend”, können folgenderweise identifiziert werden: 1. Ihre Karriere ist in einem frühen Stadium. B. Sie haben es nach mehreren Versuchen nicht geschafft, so richtig abzuheben. C. Sie waren A-oder B-level Künstler und haben sich nach dem Rückgang ihrer Karriere geweigert, aufzuhören, Kunst zu machen. C-level Künstler können eine handvoll wichtiger Ausstellungen vorweisen; aber nicht genug, um einen B-level Status zu rechtfertigen. Ungefähr 32% der Künstler, die am Kunstmarkt involviert sind, gehören zu dieser Gruppe. D-level Künstler sind generell Amateure mit einem naiven Bewusstsein von der Kunstwelt und geringer kritischer Beurteilung ihrer eigenen Arbeiten. Sie werden generell als hoffnungslos eingestuft und machen 50% des Marktes aus. Trotzdem werden Künstler kaum erfolgreich sein, wenn sie nicht die grundsätzlichen Regeln von professionellem Verhalten, aktiven Handlungen und passiven Strategien, so wie sie hier beschrieben werden, einhalten. Die folgenden Regeln erlauben ihnen, starke Beziehungen zu entwickeln, eine unterstützende Basis zu schaffen und die Hässlichkeit ihres künstlerischen Ehrgeizes durch eine sympathische und anziehende Persönlichkeit zu verstecken. 1. Auftreten in der Gesellschaft: Die Häufigkeit des Erscheinens von Künstlern bei öffentlichen Veranstaltungen wie Eröffnungen sollten umgekehrt proportional zum Erfolg der Karriere des Künstlers sein – mit Ausnahme der eigenen Eröffnung. Künstler, die an zu vielen Vernissagen teilnehmen, werden zwangsläufig Bedenken gegenüber der Ernsthaftigkeit ihrer künstlerischen Absichten wecken. 2. Äußerliches Auftreten: Künstler müssen jederzeit bemüht sein, eine interessante Erscheinung von großer, introspektiver und psychologischer Intensität zu haben. Äußerlich attraktiv zu sein, ist sehr wünschenswert, aber falls diese Attribute nicht vorhanden sind, muss der Künstler eine Erscheinung von „Charakter” entwickeln. Künstler sollten sich nach der Mode kleiden, aber unerwartete Elemente hinzufügen (zum Beispiel bunte Socken). Solche Elemente sagen aus, dass der Künstler sich den Regeln des Spiels anpassen kann, es ihm aber möglich ist, eine künstlerische Vision zu liefern. Man sollte vorsichtig sein, einen Look nicht zu übertreiben, da man sonst Gefahr läuft, den Eindruck von einem Wunsch nach jugendlicher Aufmerksamkeit zu erwecken. 3. Konversation: Bei der Eröffnung sollte der Künstler ein Gespräch nicht mit der Mitteilung beginnen, dass er ein Künstler ist, sondern sollte geduldig und ruhig sein, als ob es für ihn selbstverständlich ist, dass man weiß, wer er ist. In jeder Gruppe mit einem Mindestmaß an Manieren wird bestimmt jemand nach seinem Beruf fragen, was dann der Hinweis dafür ist, dass man zu sprechen beginnt. 4. Plug-in: Dieser Begriff wird verwendet, um eine Strategie des Künstlers zu beschreiben, bei der er für seine Arbeit durch einen eingeschobenen Kommentar Werbung macht: “Als ich neulich mit dem Kurator der Biennale in Sao Paolo aus meinem Atelier kam…” Durch diese Plug-in Methode kann der Künstler einfach seinen Stellenwert sichtbar machen, ohne zu anmaßend zu wirken. Der Plug-in muss in einem beiläufigen Ton eingeschoben werden, was den Eindruck erweckt, dass der Künstler an niveauvolle Erlebnisse und Gelegenheiten gewöhnt ist. 5. Exzessive Selbstbeweihräucherung: Die KünstlerInnen, die einen starken Eindruck hinterlassen wollen, sollten sich selbst gegenüber besondere Wertschätzung an den Tag legen – zum Beispiel danach verlangen, dass ihre Arbeiten von der teuersten Kunsttransportfirma befördert werden oder/und dass sie zusammen mit ihren Assistenten Erste-Klasse-Tickets erhalten. Während man KünstlerInnen für diese Attitüde manchmal verurteilt, wird in Wirklichkeit ihr Status in der Kunstwelt ansteigen, Kontroversen und in manchen Fällen Bewunderung auslösen. In diesem Fall muss die Einstellung der KünstlerInnen jederzeit so sein, dass ihre Bedeutsamkeit überhaupt nicht diskutierbar sondern eine unbestreitbare Tatsache ist, was das Ganze sogar noch überzeugender macht. KünstlerInnen mit niedrigem Selbstwertgefühl oder schwacher Persönlichkeit sollten bei der Anwendung dieser Technik vorsichtig sein. Denn in diesem Fall kann die exzessive Selbstbeweihräucherung zur Selbsttäuschung führen und kann die Künstler zu dem Glauben veranlassen, dass ihre fiktive Qualität real ist. Das kann zu traumatischen Situationen führen, wenn der wahre Wert der KünstlerInnen zum Vorschein kommt – etwa wenn man zu bestimmten Ausstellungen nicht eingeladen wird. 6. Im Falle von berühmten KünstlerInnen kann die exzessive Selbstbeweihräucherung überflüssig und kontraproduktiv sein, da es nur die Bewunderer, die ansonsten den oder die KünstlerIn umgeben, verärgert. Als gegensätzliche Strategie zum letzten Punkt sollte der Künstler exzessive Demut an den Tag legen. Exzessive Demut ist wie falsche Bescheidenheit, benötigt allerdings eine tadellose Ausführung, um ihre Falschheit zu verstecken und überzeugend zu wirken. KünstlerInnen, die exzessive Demut zeigen, sollten mit Überraschung reagieren, wenn jemand Interesse an ihrer Arbeit zeigt, als ob das eine Seltenheit wäre. Wenn ihnen geschmeichelt oder eine bestimmte Auszeichnung angeboten wird, sollten sie reagieren, als ob dies unverdient sei. Das Auswählen von Freunden und Partnern Die Relevanz von Assoziation (am besten zusammengefasst mit „sag mir, mit wem du Umgang pflegst, und ich sage dir, wer du bist”) hat es in der Kunstwelt immer gegeben, und es notwendig, die Wichtigkeit dieses Konzepts in diesem Handbuch zu berücksichtigen. Aufgrund der Tatsache, dass die Kunstwelt eher auf der Basis von ersten (und visuellen) Eindrücken und Instinkten als gänzlich rationalen Überlegungen funktioniert , ist es entscheidend, ein starkes erstes Bild von sich selbst abzugeben. Hier zählen wir ein paar grundlegende Prozeduren auf, die sowohl für KünstlerInnen gelten als auch für jeden, der einen guten Eindruck machen will. 1. Es ist dringend notwendig, dass man nur mit denjenigen Umgang pflegt, die auf einem höheren, professionellen Niveau sind. Nur so kann ein Kunstprofi in der sozialen Skala und im Feld aufsteigen. Im Gegensatz dazu werden diejenigen, die sich mit weniger erfolgreichen Menschen umgeben, so betrachtet, als befänden sie sich selbst auf deren Niveau. Der erfolgreiche Künstler sollte zusätzlich nach Pendants aus anderen Berufsfeldern suchen und Ausstellungen mit Sängern, Filmstars, Designern und Models besuchen – aus all denjenigen Metiers, die größeres Ansehen als die Kunstwelt selbst haben. 2. Eine immerwährende Frage in der Kunstwelt ist: Sollte man mit einem/einer KünstlerIn schlafen, dessen Arbeiten man nicht mag? Die Antwort auf diesen Konflikt, ein nachdrückliches Nein, ist nicht einfach einzuhalten. Die Dynamik der Kunstwelt, mit ihrer extrem sozialen Umgebung von Abendunterhaltungen und Partys macht es einfach, alle künstlerischen Standards zu vergessen, sowie die Tatsache, dass sehr attraktive Menschen auch schlechte KünstlerInnen sein können. Unsere Empfehlung ist – obwohl es manchmal unumgänglich erscheint, den eigenen sexuellen Impulsen nachzugeben – sich unbedingt daran zu erinnern, dass dies der allgemeinen Wahrnehmung unserer Kunstkriterien ernsthaften Schaden zufügen kann. 3. Als Ergebnis der vorhergehenden Diskussion entsteht die übliche – und unglückliche – Situation, einen erfolgreichen Künstler oder Kurator von einem mittelmäßigen Partner begleitet zu sehen, im Schatten des Partners hoffnungslos um Aufmerksamkeit kämpfend. Jenen erfolgreichen Künstlern, die dazu neigen, 20 Jahre jüngere Partner zu haben, ist anzuraten, die Karriere dieser Person in keiner Form zu fördern oder offensichtliche Strategien anzuwenden, um deren Arbeiten in die vorhandenen Möglichkeiten einzubinden (z.B. Kollaborationen oder Gruppenausstellungen). Es ist wichtig, sich zu erinnern, dass Liebe, speziell in diesen Fällen, immer blind macht. 4. Wenn zwei PartnerInnen auf demselben Niveau angesiedelt sind, dann aber plötzlich einer oder eine von beiden Karriere macht, ist es empfohlen, dass der weniger erfolgreiche Partner entweder die eigene Karriere aufgibt oder, wenn er/sie im Berufsfeld bleiben möchte, die Beziehung selbst beendet. Die Gesellschaft der Kunstwelt scheut sich normalerweise vor dem Bild eines oder einer erfolgreichen KünstlerIn neben jemandem, der nicht ganz so erfolgreich ist. Trotzdem – wenn diese Situation unvermeidbar ist, haben die Anhänger des/der KünstlerIn die Verpflichtung, die Karriere des Partners zu unterstützen, wenn er/sie es fordert. Während es unangebracht ist, vom/von der KünstlerIn Unterstützung für seine/ihren PartnerIn zu verlangen, muss sich die Anhängerschaft als verständnisvoll zeigen, da der KünstlerIn aus Liebe handelt. Auch wenn das Projekt des/der PartnerIn höchstwahrscheinlich nicht allzu gut ist, wird es den/die berühmte KünstlerIn glücklich machen – und das ist, was zählt. Zur Freundschaft mit Künstlern Man weiß von einigen Fällen, in denen Künstler nicht nur gute kreative Geister sind, sondern auch gut in der Kunst der Freundschaft. Die größte Schwäche eines/einer KünstlerIn ist der Mangel an Großzügigkeit und seine/ihre fast klinische Unfähigkeit, sich in Probleme anderer hineinzuversetzen oder ihnen zuhören zu wollen, was eine entscheidende Tugend in Freundschaften ist. Wie auch immer, viel kann erreicht werden, wenn man im Hinterkopf behält, dass Künstler immer wollen, dass ihnen mindestens dreimal soviel wie einer normalen Person zugehört wird. Künstler und Galerien Wie wir bezüglich des Kurators gehört haben, hat die Beziehung zwischen Künstler und Kunsthändler auch Elemente einer verführerischen Umgarnung, und später, eines eheähnlichen Paktes. Denjenigen, die mit dem anfänglichen Prozess vertraut sind, ist es klar, wann das anfängliche Werben umsonst ist. Manch unerfahrene Künstler neigen dazu, unbeirrt über Jahre hinweg zu versuchen, eine Beziehung aufzubauen, ohne dabei zu erkennen, dass sie nicht die geringste Chance haben, jemals in dieser Galerie auszustellen. Wenn die Galerie einmal gefunden ist, müssen Künstler und Händler sich eine Beziehung verständigen, die niemals aufhört, ein bisschen unbequem zu sein und eine gewisse Instabilität zu haben. Es ist sowohl bei Galerien als auch bei Künstlern Gang und Gebe, den anderen jederzeit für eine bessere Möglichkeit fallen zu lassen. Für KünstlerInnen, die nach einer Galerie-repräsentanz suchen, ist es wichtig, die folgenden Regeln zu beachten: 1. Sie sollten niemals eine Galerie mit Dias in der Hand betreten, um sie dem/der HändlerIn zu zeigen, „falls sich die Möglichkeit ergibt”. Diese Strategie ist bekannt als die „Versicherungsverkäufer – Strategie”. KünstlerInnen sollten die Galerie auch nicht mit Kunstwerken betreten, vor allem wenn sie übergroß sind. 2. Künstler, die zum ersten Mal eine Galerie betreten, ohne die vorhergehende oder die aktuelle Ausstellung gesehen zu haben und sich mit ihren Dias direkt zum Tisch begeben, zollen der Galerie keinerlei Respekt. Wenn Künstler nicht einmal das Programm der Galerie untersuchen, warum sollten Galeristen Zeit aufwenden, die Arbeiten der Künstler durchzusehen? Auch wenn dieses Handbuch ein solches Verhalten nicht anregt, ist es unter diesen Umständen verständlich, wenn Händler die Dias vor der Nase der Künstler in den Abfall werfen. 3. Europäische Künstler, die Galerien in New York besuchen, sollen keine Kopien ihrer Kataloge mitbringen. Es ist bekannt, dass jedermann in Europa einen Katalog drucken kann, und in diesen Situationen einen Katalog mitzubringen, erzeugt oftmals Neid bei diesen Galerien, die es sich kaum leisten können, irgendeine Publikation zu produzieren. 4. Künstler sollten Galerien nicht belästigen: erst ihre unerbetenen Dias senden und später die Galerie anrufen und die Materialien via Federal Express zurückverlangen. 5. Künstler sollten gewarnt sein, dass Händler selten freundlich sind, wenn sie aufgesucht werden. Wenn der Künstler eine Galerie etwa in New York betritt und freundlich begrüßt wird und gefragt wird ob er oder sie denn Künstler sei, sollte man sofort gewarnt sein und vermuten: ziemlich sicher ist diese Galerie eine „vanity gallery” (siehe Glossar). Die Etikette des Berechnens Es ist unglücklicherweise ein übliches Problem, dass eine Galerie, wenn sie eine oder mehrere Arbeiten verkauft, danach unverhältnismäßig lange Zeit damit verbringt, den Künstler entweder nicht zu informieren oder den Anteil des Künstlers für die Korrespondenz auszugeben. Es ist nicht empfehlenswert, Klage einzureichen, da die Galerie höchstwahrscheinlich bessere gesetzliche Vertreter hat und das ein teurer Prozess werden könnte. Wirksamer ist es, die Kunden der Galerie zu kontaktieren und sie über die dunklen finanziellen Praktiken der Galerie zu informieren. In extremen Fällen von Missbrauch seitens der Galerie ist alles erlaubt. Von kuratorischen Schutzengeln Die Beziehung von Künstler und Kurator, vielleicht die komplizierteste in der Kunstwelt, wurde teilweise schon im Kuratoren-Abschnitt besprochen. Künstler sollten sich diesen Abschnitt ansehen, um sich der kuratorischen Strategien, die auf sie angewandt werden, bewusst zu sein, so dass er oder sie dagegen vorgehen können. Dabei sollten sie folgende Regeln beachten: 1. Künstler sollten alles dafür tun, dass sich Kuratoren in ihrer Interaktion sicher fühlen und die Kontrolle über die diskursive Dynamik bei sich sehen. Jeder Versuch der Künstler, die Pläne der Kuratoren in Frage zu stellen, so absurd sie auch sein möchten, kann die Kuratoren verärgern und die Beziehung langfristig schädigen. 2. Künstler sollten immer Interesse an den Ideen der Kuratoren zeigen. 3. Künstler sollten die Kunst der Improvisation meistern. Wenn Künstler z.B. auf einer sozialen Veranstaltung mit dem Kurator zusammentreffen und dieser eine Ausstellung zu einen bestimmten Thema, die er/sie organisiert, erwähnt, und die Künstler interessiert sind, daran teilzunehmen, sollten sie unverzüglich einhaken und behaupten, dass sie an einem Werk zu exakt diesem Thema arbeiten. 4. Künstler sollten sich niemals beklagen oder irgendwelche Forderungen an den Kurator stellen. Sie würden immer in des Kurators Schuld stehen. Ganz gleich, wie schlimm auch immer ein Ausstellungsprojekt sein mag, ist es im Interesse der Künstler, ruhig zu bleiben und jegliche Beschwerden zu vermeiden, um nicht die Möglichkeit, zu künftigen Projekten eingeladen zu werden, aufs Spiel zu setzen. Todesduelle: Künstler gegen Künstler 1. Künstler sind grundsätzlich Konkurrenten. Die Kunstgeschichte erlaubt KünstlerInnen derselben Periode und desselben Ortes nicht viel Platz. Das ist etwas, das speziell Künstler derselben Generation und Nationalität und desselben sozialen Status bekümmert, denn früher oder später muss der eine oder der andere den verfügbaren Platz einnehmen. 2. Und dennoch ist es wichtig, dass Künstler keine Eifersucht, Groll oder Verärgerung zeigen, die aufkommen können, wenn man sieht, dass ein Kollege oder eine Kollegin die Möglichkeit erhält, die man lieber für sich selbst gehabt hätte. Um diese Reibungen zu minimieren, hat sich die Kunstwelt klugerweise einige unausgesprochene Regeln ausgedacht, um ein Mindestmaß an Höflichkeit unter Künstlern aufrechtzuerhalten, vor allem für die, die in derselben, kleinen Gemeinschaft leben. 3. Wenn sich zwei Künstler, die mehr oder weniger in derselben Umgebung leben, zum ersten Mal begegnen, sollten sie sich beim Vornamen vorstellen, als ob sie annehmen, dass die andere Person sie bereits kennt und ihre Arbeit gesehen hat. Die Begegnung zwischen den Künstlern muss zurückhaltend sein. Dieses Verhalten ist notwendig, da die Spieler, wie im Poker, in diesem Zusammenhang ihre Karten nah bei sich halten müssen. 4. In größeren Kunstwelt-Hauptstädten wie New York, London oder Berlin, sind die Beziehungen zwischen Künstlern meist entspannter, da es mehr Möglichkeiten gibt. Trotzdem muss sich der Künstler mit den fortgeschrittenen Methoden des Networking vertraut machen: A. Trage immer eine Visitenkarte zu Eröffnungen oder Empfängen bei dir. Und falls du selbst bald eine Ausstellung hast, leg’ dir Postkarten mit allen Informationen zu und beende jede Begegnung damit, die Postkarten und Visitenkarten zu verteilen. B. Sei informiert über alle künstlerischen Veranstaltungen in der Stadt. C. Habe immer „etwas anzubieten” – z.B. Kontakt zu einem Kurator oder Informationen zu Stipendien. Was macht man mit Nachahmern? Es ist nicht ungewöhnlich, dass Künstler auf Kollegen treffen, deren Arbeiten, künstlerischer Prozess und äußerliche Erscheinung den eigenen verdächtig ähnlich sind. Jedoch hat zufälliges Gleichdenken seine Grenzen. Und auch wenn Nachahmer dafür bekannt sind, einen glauben zu machen, dass sie auch selbst Ideen aufbringen können, weiß viel häufiger der imitierte Künstler, dass diese Arbeiten tatsächlich Kopien von eigenen Kreationen sind. Diese uralte Praktik, bekannt als Plagiarismus, ist so alt wie die Kunst selbst. Für sie gibt es eine Vielzahl von Lösungen: von Bloßstellung zu Gefängnis und Mord. Dieses Handbuch empfiehlt nicht diese extremen Maßnahmen, sondern subtilere Techniken: 1. Kopierte KünstlerInnen müssen ihren Ärger über den Betrug verstecken, da er in den meisten Fällen extrem schwierig zu beweisen ist. Stattdessen sollte der oder die Geschädigte dem Kollegen herzlich für diese Arbeit, die „Hommage” an den kopierten Künstler, danken. 2. Danach muss der kopierte Künstler sicher gehen, dass die gesamte Kunstwelt über diese Hommage Bescheid weiß. Diese Strategie hilft, um sicher zu gehen, dass man dem Nachahmer zuvorkommt und das Werk als Fälschung entlarvt, bevor es als Original anerkannt wird. Somit wird der Plagiator auch zugleich gedemütigt. 3. Wenn der Fälscher Ignoranz oder Unschuld beteuert oder den kopierten Künstler der Eifersucht bezichtigt, hat der Künstler das Recht, die Fälschung als seine eigene Arbeit zu erklären. Wird die Arbeit verkauft, hat der Künstler das Recht, 25% des Verkaufspreises zu verlangen, wenn dieser Prozentsatz dem Anteil des Künstlers am Inhalt der Arbeit entspricht. 4. Wenn der Fälscher immer noch nicht nachgibt, sollte der kopierte Künstler drei junge Kunststudenten als Assistenten anheuern, die noch schlimmere Kopien der Arbeiten des Fälschers machen, sie in seinem Namen signieren und sie über einen Zeitraum von 2 zu 3 Jahren auf den Markt bringen. Der ursprüngliche Künstler muss dafür sorgen, dass jedes Mal, wenn eine seiner Originalarbeiten ausgestellt wird, auch die von den Assistenten angefertigten, so genannten „Fälschungen“ ein paar Wochen später gesehen werden. Nach kurzer Zeit wird sich der Ruf des Fälschers als Fälscher und schlechter Künstler gefestigt haben. Sich gegenseitig den Rücken kraulen: Die Kunst der Gegenseitigkeit Professionelle Künstler wissen, dass ihnen selbst ihre größten Feinde nutzen können, solange sie bereit sind, an einem gegenseitigen Austausch an Informationen zu Stipendien, wichtigen Kontakten und Tipps etc. teilzunehmen. Die Kunst der Gegenseitigkeit kann nur durch Übung gemeistert werden. Wenn man solch einen Austausch eingeht, ist es gut, damit zu beginnen, einem Künstler einen kleinen Gefallen, Tipp oder Hinweis anzubieten. Ist das getan, muss der andere Künstler darauf antworten. Wenn der oder die andere Künstlerin dies nicht tut, sollte man komplett damit aufhören, Informationen zu liefern. Ein Künstler sollte mit Informationen weder zu großzügig sein, wenn er nicht eben solche zurückbekommt, noch zu geheimnisvoll, weil das diejenigen entmutigt, die Informationen haben. Die Eröffnungen Anderer besuchen. Die Kunst der Gegenseitigkeit und des Austauschs funktioniert nicht nur dadurch, Informationen auszutauschen, sondern auch beim Besuch der Vernissagen anderer Künstler, um Besucher für die eigenen Ausstellungen zu gewinnen. Wenn KünstlerIn 1 die Vernissage von KünstlerIn 2 besucht, ist es die Pflicht von KünstlerIn 2 auch die Ausstellungseröffnung von KünstlerIn 1 zu besuchen. Tatsächlich ist es die ethische Verpflichtung aller KünstlerInnen und KuratorenInnen, auch die Eröffnungen aller Künstler von gewissem Ansehen, die ihre Eröffnungen besucht haben, zu besuchen. Wenn man dieser Regel nicht folgt, wird die Besucheranzahl für die eigenen Ausstellungen bedeutend zurückgehen. Der Besuch von Eröffnungen kann daher als symbolische Investition in sich selbst verstanden werden. Bezüglich gegenseitiger Eröffnungsanwesenheit gibt es eine gewisse Toleranz, einige zu verpassen, aber diese nimmt ab, sobald angenommen wird, dass der Künstler nur Ausflüchte macht und seine Kollegen nicht angemessen unterstützt. Wenn man keine Zeit hat, Kunst zu machen Es kommt oft vor, dass soziale Verpflichtungen (z.B. Eröffnungen zu besuchen) es einem Künstler, der die obigen Regeln gewissenhaft befolgt, unmöglich machen, Kunst zu produzieren. Dieser Zustand wird oft als openingitis diagnostiziert, eine chronische Sucht, auf Vernissagen zu gehen. Wenn man sich von solch einem Zustand erholen möchte, ist es ratsam, seine Abwesenheit aus der Stadt für einen gewissen Zeitraum anzukündigen, was eine gute Entschuldigung ist, keine Eröffnungen besuchen zu müssen. In diesem Fall muss man vorsichtig sein, sich nicht in bekannten Kunstweltgegenden aufzuhalten, da man gesehen und die Täuschung erkannt werden könnte. Wenn man jedoch entdeckt, dass es einem mehr Spaß macht, Eröffnungen zu besuchen als eigentliche Kunst zu machen, kann man immer noch eine Karriere als Kunst-socialite anstreben. Diese wird von KünstlerInnen verfolgt, die eigentlich keine Kunst im Studio anfertigen, sondern stattdessen als KünstlerInnen auf Eröffnungen posieren und imaginäre Geschichten über ihre Arbeit und die Ausstellungen, die sie produzieren, erzählen. Des Künstlers Nemesis: Der Kunstkritiker Nur bei wenigen Gelegenheiten hat der Künstler weniger Macht, sich zu verteidigen, als wenn er versucht, mit einem Kunstkritiker umzugehen. Die Beziehung zwischen Künstler und Kunstkritiker ist extrem zerbrechlich und gänzlich abhängig vom Temperament und der Sprunghaftigkeit des Kritikers. Wenn der Kunstkritiker durch die konstante Belästigung des Künstlers verärgert wird, kann das katastrophale Folgen für letztere/n haben. Der Kritiker kann wie eine verärgerte Biene stechen, und sie sticht schmerzhaft. Daher wird empfohlen, auf Distanz zu bleiben und keine Beziehung zu entwickeln, die nicht vom Kunstkritiker selbst ausgeht. Auf Vernissagen sollte der Künstler nur kurz „Hallo“ sagen und so freundlich wie möglich sein, aber unter keinen Umständen versuchen, zu prahlen oder den Kritiker zu umgarnen. Allgemein ist es zu bevorzugen, einen Vermittler zwischen Künstler und Kritiker zu haben, wie etwa den Kurator oder Händler. Die Ausnahme zu dieser Regel hier ist der „Kunstkritiker zum Mieten”, in wessen Fall sich die Beziehung mit dem/der KünstlerIn gänzlich ändert. Die „Kritiker zum Mieten” (siehe Kritiker-Abschnitt) sind diejenigen, die von Galerie oder Künstler angeheuert werden, um ein Essay über die Ausstellung für den Katalog zu schreiben (eine weniger ethische Praktik besteht darin, dass die Galerie einen Kritiker bezahlt, um eine günstige Kritik für ein Magazin zu schreiben). In diesen Fällen ist die Beziehung entspannter und das Machtverhältnis ist ausgeglichen. Von dieser Ausnahme abgesehen sollten Künstler immer das Schlimmste von Kritiken erwarten. Es ist nützlich, sich daran zu erinnern, das Kunstkritik nicht erfunden wurde, um neue Einsichten in die Kunst zu schaffen, sondern um von Künstlern und Kuratoren gewonnene, neue Einsichten zu nehmen und zu versuchen, den Beweis zu erbringen, dass diese nicht neu, nicht gut genug und nicht genau genug ausformuliert sind. Künstler sollten sich daher als Feld sehen, das von Kunstkritikern abgeerntet wird, oder manchmal als Wald, der regelmäßig bis auf den Grund niedergebrannt werden muss, um in der nächsten Saison wieder bepflanzt werden zu können. Der Künstler in der Abgeschiedenheit Künstler glauben oft, dass ihr Verhalten in der Öffentlichkeit das entscheidende Kriterium für ihren Erfolg ist. Tatsache ist, es gibt nichts Wichtigeres als das Verhalten in der Abgeschiedenheit. Es ist wohl bekannt, dass der Beruf des Künstlers keinen Zeitplan hat. Wahre Künstler sollten sich daher immer wie Künstler verhalten, speziell wenn sie alleine sind. Diese Praxis wird einerseits die Persönlichkeit des Künstlers für die Zeiten von öffentlichen Auftritten stärken; andererseits kann man so sicher sein, dass der Künstler nicht auf dem falschen Fuß erwischt wird, wenn ihn Beobachtungskameras oder Überwachungsanlagen filmen. 1. Ähnlich der morgendlichen Selbstbestätigungsübungen des Kunsthändlers sollte auch der Künstler jeden Morgen in den Spiegel sehen und sich mit lauter und klarer Stimme und ohne Gelächter zum wichtigsten Künstler in der Kunstgeschichte erklären. Wenn der Künstler diese Überzeugung nicht aufrechterhält, werden alle Versuche erfolgreich zu sein, unweigerlich fehlschlagen. 2. Künstler sollten eine bedingungslose Liebe zu sich selbst haben. Ohne bedingungslose Selbstliebe und Bewunderung wird es für einen Künstler schwer sein, auch von anderen geliebt zu werden. 3. Künstler sollten tägliche „Originalitätsübungen” ausführen, um ihr Charisma zu steigern und ihre Persönlichkeit zu bereichern. Bei solchen Übungen werden alltägliche Dinge in ungewöhnlicher Weise ausgeführt: die Zahnpasta wird z.B. auf originelle Weise herausgedrückt, Küchengeräte werden zum Gärtnern verwendet, es wird mit Kunstgeräten gekocht. 4. Künstler sollten jederzeit auf unangekündigten Besuch vorbereitet sein und ungewöhnliche und exotische Objekte in ihrem Wohnraum und Atelier platzieren, so dass diese Orte extrem originell erscheinen. 5. Künstler sollten es vermeiden, mit sich selbst zu konkurrieren. Oft bereuen Künstler nach ihrer Blütezeit die Arbeiten, die sie in der Vergangenheit geschaffen haben. Wenn Künstler altern, sollten sie nicht ihre frühere Karriere kritisieren: Es ist besser, für etwas anerkannt zu sein, das man vor langer Zeit getan hat, als für überhaupt gar nichts anerkannt zu sein. Die Medienperson Künstler sollten in ihrer freien Zeit versuchen, ihre Ideen, ihre Kleidung, ihre sprachlichen Eigenarten und sogar ihre Art zu gehen ständig origineller zu machen – all das wird sie zu einem begehrenswerten Medienziel machen. Klare und ganze Sätze zu formulieren, funktioniert auf keinen Fall mit der Presse, die die Sätze zwangsläufig verdreht. Daher sollte jeder Künstler auf Fragen in Interviews mit rätselhaften Kommentaren oder, noch besser, mit Gegenfragen antworten. So stellt der Künstler sicher, dass seine Kommentare niemals klar genug sind, um sie zu vereinfachen und dass, wenn sie nur wenig zu sagen haben, der Mangel an Diskussionsfähigkeit niemals entdeckt wird. Des Künstlers Nachruf Künstler sollten der Tatsache ihrer Sterblichkeit pragmatisch ins Auge sehen. Da ihre Familie (wenn sie eine haben) die Bestattung organisieren muss, wird auch jemand den Nachruf schreiben müssen – und niemand will einen Nachruf haben, der sich liest wie „fast triumphiert, aber leider kein Talent”. Um solch einen schrecklichen Nachruf zu vermeiden, sollten Künstler, die sich in Todesgefahr befinden (ob ihres Alters, einer Krankheit oder Drogen) einen fiktiven Tod vor einigen Kunstweltpersönlichkeiten organisieren, wobei sie mit einem Freund, der die Nachricht überbringt, zusammenarbeiten. Die unmittelbaren Reaktionen werden genauestens aufgezeichnet und analysiert, da diese meist sehr ehrlich ausfallen. Danach wird der Künstler die allgemeinen Tendenzen dieser Kommentare auswerten und einen Nachruf verfassen, der den allgemeinen Vorstellungen zuwiderläuft. Der fertige Nachruf soll einem Anwalt anvertraut und als Informationsanzeige getarnt im Artforum und der New York Times veröffentlicht werden. Selbstgeschriebene Nachrufe sollten großmütig sein, allerdings sollte man zu viele Superlative vermeiden, um die Wirklichkeit nicht zu stark zu verzerren. In Fällen von Künstlern mit wenig Hoffnung auf positive Kommentare zu ihrer Arbeit nach ihrem Tod, sollte ein Nachruf geschrieben werden, der sich auf Persönlichkeit konzentriert und Dinge wie „er oder sie war eine wundervolle Person” beinhaltet oder etwas wie die klassische Beschreibung, die ein Musikkritiker zu Florence Foster Jenkins geschrieben hat: „Seine Einstellung war stets die eines Künstlers, der aus seinen Möglichkeiten das Beste gemacht hat.” Ein Vorgehen durch die Hintertür Oftmals produziert ein Künstler nicht sehr erinnerungswürdige oder kompetente Arbeiten, und in vielen Fällen ist die Arbeit ganz und gar nicht gut. Unter solchen Umständen kann ein Künstler auf gewisse Strategien zurückgreifen, die den Mangel an künstlerischem Talent zwar nicht ganz ersetzen, diesen aber sicherlich kompensieren und eine Karriere ohne künstlerische Fähigkeiten ermöglichen. Hintertür-Strategien sind Aktivitäten, die Künstler durchführen, um indirekt ihre Karriere zu unterstützen. Diese Strategien können das Eröffnen einer Galerie, die Gründung eines Magazins oder Werbeunternehmens beinhalten. Man kann sich auch mit einem wichtigen Künstler anfreunden und dessen informeller Händler werden. Die Kontakte und Erfahrungen, die von diesen Strategien kommen, können oft attraktive Möglichkeiten schaffen. Hintertür-Strategien funktionieren jedoch nicht als permanente Unterstützung für Künstler. Wenn sie für mehr als ein, zwei Jahre aufrechterhalten werden, wird der Künstler unvermeidlich (und unbewusst) mit der Rolle des Händlers, Kritikers, oder welche Hintertür-Identität er oder sie auch immer kreiert hat, identifiziert werden. Wie man erfolgreiche Künstler melkt Eine allgemeine Weisheit ist, dass in der Künstler-Kurator Beziehung der Kurator die Oberhand hat. In Wirklichkeit kann ein Künstler, wenn er oder sie bekannt wird, die Kontrolle über den Kurator, mit dem er oder sie arbeitet, gewinnen, und gleichzeitig ist es für den Kurator prestigeträchtig, mit einem Künstler zusammenzuarbeiten, der bereits anerkannt ist. Das größte Glück für einen Kurator ist es, eine starke Beziehung zu einem wichtigen Künstler zu festigen, denn diese wird dem Kurator schließlich nicht nur einen Karrieretrumpf geben, sondern auch Anerkennung von außen. Der Künstler muss sich über die Wichtigkeit, bestimmte Kuratoren zu bevorzugen, bewusst sein und darf sie nicht zu offensichtlich benutzen. Psychologische Etikette Viele Kuratoren glauben, durch ihren großen Einfluss in ihrem Berufsfeld, die Arbeit des Künstlers verändern zu dürfen, zum Beispiel Änderungen im Format, in der Farbe, dem Material oder den Themen vorzuschlagen, und viele Künstler sind mehr als bereit, solche Nachfragen zu erfüllen. Dies jedoch schafft eine ungemütliche Abhängigkeit des Künstlers vom Kurator: Wenn der Kurator nicht aufpasst, wird der Künstler bald regelmäßig zu ihm kommen, um alle Projekte entworfen und bestätigt zu bekommen. Wenn ein Kurator einen Künstler beeinflussen will, sollte er eher die psychologischen Strategien, die wir hier ausführen, verfolgen: 1. Die Künstler-Kurator Beziehungen sind ein bisschen wie eine „professionelle Liebesaffäre”. Daher sollte der Kurator niemals zeigen, dass er andere bevorzugt. Während der Prozess der Verführung des Künstlers seitens des Kurators einfacher als der umgekehrte Prozess ist, muss der Kurator aufpassen, die Liebe des Künstlers nicht als selbstverständlich zu betrachten. Der Kurator muss den Künstler von allen Gesprächen, die er mit anderen Künstlern haben könnte, abhalten. Diese würden nur Eifersucht und Verärgerung im Künstler auslösen und ihn die Seriosität der Absichten des Kurators bezweifeln lassen. 2. In vielen Fällen wird ein Kurator einen Künstler nur aus Gründen, die außerhalb der Qualität von dessen künstlerischer Arbeit liegen, einladen (z.B. braucht er eine Frau in der Ausstellung, geographische und nationale Vielfalt, oder ein besserer Künstler hat es abgelehnt, teilzunehmen). Hier darf der Kurator dem Künstler niemals die wirklichen Gründe für die Einladung zeigen, sondern nur die Qualität seiner Arbeiten betonen. 3. Wenn ein Kurator eine bestimmte Arbeit, die nicht die vom Künstler bevorzugte ist, in einer Ausstellung zeigen möchte, sollte er eine Überzeugungsstrategie anwenden, die auf Komplimenten (z.B. „das würde auf jeden Fall die beste Arbeit in der Ausstellung sein”) oder Neid basiert („ich zeige eher deine Arbeit als die von X, denn er hat eine sehr ähnliche Arbeit”). Die Strategie sollte so erscheinen, als ob der Künstler selbst beschließe, dass die Arbeit, die er in der Ausstellung zeigt, diejenige ist, die der Kurator von Anfang an im Kopf hatte. 4. In Fällen von Künstlern, dessen künstlerischer Höhepunkt vorbei ist, wird der Kurator normalerweise eine Arbeit aus der besten Schaffensperiode des Künstlers auswählen. Im Gegensatz dazu wird der Künstler neue Arbeiten zeigen wollen, die fast niemals auf dem gleichen Qualitätsniveau liegen. Der Kurator muss dann all sein Talent anwenden, um den Künstler zu überzeugen, dass seine „historische” Arbeit hilft, die Ausstellung zu kontextualisieren. So lässt er den Künstler als bedeutende Figur erscheinen. 5. Der Kurator sollte immer die Tür für den Künstler offen lassen und den Künstler glauben lassen, dass das nur eine von vielen zukünftigen Einladungen zur Ausstellung ist. So verharrt der Künstler in der Aussicht auf diese Einladungen und lässt den Kurator in einer vorteilhaften Position. Sentimentale Verbindungen in der Kunstwelt Es ist eine Tatsache, dass in jedem Berufsfeld früher oder später sentimentale Verbindungen entstehen. Aufgrund der Unvermeidbarkeit solcher auf Liebe beruhenden Verbindungen ist die Kunstwelt im Allgemeinen gewillt, jegliche Kombination, die sich ergibt, zu akzeptieren. Nichtsdestotrotz ist es sehr wichtig für den Kunstprofi sich bewusst zu sein, was diese Beziehungen im Zusammenhang mit seiner oder ihrer Karriere bedeuten. Während manche Beziehungen zuerst vorteilhaft sein können (z. B. Kurator und Künstler), können sich diese längerfristig für den weniger starken Teil des Paares als schädlich erweisen (entweder für den Kurator oder den Künstler). Wie man in der folgenden Tabelle erkennen kann, gibt es bezüglich der äußeren Wahrnehmung unterschiedliche Niveaus von Akzeptanz bestimmter Beziehungen. Als Daumenregel können sich zwei Profis des gleichen Ranges und der gleichen Kategorie ohne Konflikte miteinander verbinden (wobei Vorsicht bei einer Verbindung zwischen zwei Künstlern angeraten ist). Kunstkritiker sind die idealen Partner in der Kunstwelt, da sie am wenigsten in die ökonomischen und politischen Aspekte verwickelt sind. Künstler und Händler produzieren konfliktreichere Umstände. Diese sollten einen Partner außerhalb der Kunstwelt finden. Eröffnungen Eröffnungen – oder „Vernissagen“ – sind entscheidende Veranstaltungen, die die unterschiedlichen Transaktionen, die die Dynamik des zeitgenössischen Kunstlebens ausmachen, erleichtern. Der Tradition der Bälle des 19. Jahrhunderts folgend, besitzen Eröffnungen eine komplizierte Choreographie zwischen den Interessensgruppen, die sich in einem harmonischen und kultivierten Verhalten miteinander verbinden. Jedoch haben Eröffnungen im Gegensatz zu den sozialen Veranstaltungen der alten Tage einen kommerziellen Unterbau, da beinahe alle, die teilnehmen, etwas anzubieten und zu promoten haben. Diese Tatsache kann einen einfachen Besucher, der eine Eröffnung besucht, um „Kunst zu sehen”, zutiefst verwirren. Ein erfahrener Eröffnungsbesucher weiß, dass jeder Anwesende etwas in Bezug auf seine oder ihre Karriere anzubieten hat. Wie vorher im Schachspiel erklärt, ist es die Aufgabe des Profis, die wichtigsten Figuren im Spiel zu erreichen. Das folgende Diagramm zeigt die ideale Choreographie für einen Künstler bei einer Eröffnung. Es ist wichtig, anzumerken, dass in Bezug auf die eigentlichen Karriereinteressen des Künstlers der ausstellende Künstler die unwichtigste Person des Abends ist; trotzdem muss jeder sicher gehen, hallo zu ihm oder ihr zu sagen. Das erste Ziel des Kunstbesuchers ist es, den Tisch mit den Getränken und Hors d’oeuvres zu erreichen. Hat man erst mal Essen und Getränke in der Hand, muss man den Raum überblicken und abschätzen, auf welche Personen man am besten herantreten soll. Man muss mit einer hierarchischen Taktik arbeiten, mit Sammlern und Kuratoren beginnen und die Kritiker vermeiden. (Wie bereits erwähnt, der Umgang zwischen Künstlern und Kuratoren wird am besten auf ein Minimum reduziert.) Der Schlüssel für den Besucher ist es, durch die Galerie zu spazieren und mit absoluter Eleganz und Gleichgültigkeit an die Personen heranzutreten – vorsichtig ausgespielte Gleichgültigkeit kann ein Zeichen von Macht sein. Zu impulsiv oder von Anfang an zu werbend zu sein, kann als Zeichen der Verzweiflung angesehen werden und zu dem Eindruck führen, dass der Künstler nicht weiß, woher er Unterstützung bekommen kann. Lautstarke Selbstbeweihräucherung wird als schlechter Geschmack angesehen und mit Amateuren assoziiert. Auch wenn es von einer pragmatischen Einstellung herrührt und direkt auf den Zweck einer Eröffnung hindeutet, will es niemand sehen, dass man mit den Regeln des raffinierten Auftretens bei diesen Veranstaltungen bricht. Hier einige Formen der geschmackvollen Selbstdarstellung im Gespräch: 1. Kein Künstler sollte eine Unterhaltung mit Eigenwerbung beginnen. Bevor man seine Arbeit erwähnt, muss man warten, bis jemand nach dem Beruf fragt. 2. Kein Künstler sollte mit seinen Erfolgen oder Auszeichnungen prahlen, besonders nicht vor anderen Künstlern, die sich in einer weniger vorteilhaften Situation befinden. Solch ein Vorgehen löst nur Depressionen und Neid bei anderen Künstlern aus. 3. Wenn ein Künstler über eigene Erfolge spricht, darf man niemals unterbrechen und noch weniger Phrasen einwerfen, die Konkurrenz auslösen, so wie: „Ich war auch auf der Biennale”. Solche Aussagen deuten an, dass man die Wichtigkeit des anderen zu schmälern versucht. 4. Partygäste fliehen vor denen, die nichts anderes tun als für sich selbst zu werben. Es ist wichtig, dass man in jedem Gespräch auch andere zu Wort kommen lässt, so dass auch wir die Chance bekommen, unsere Botschaft zu übermitteln. 5. Die beste Eigenwerbung ist die, die ohne explizite Ankündigungen vor sich geht statt den Gesprächspartner so zu beeinflussen, dass er das Stichwort gibt, um über das, was wir wollen, zu sprechen. Zum Beispiel können internationale Künstler ihren Jetlag hervorheben, was bedeutet, dass sie offenbar viel reisen und eine große Nachfrage nach ihnen besteht. Das Thema der Müdigkeit und des Jetlags kann ein eleganter Einstieg sein, um über die Arbeit zu sprechen, solange man dazu eingeladen wird. Ein Gespräch könnte folgendermaßen gehen: „Ich bin nur so müde, weil ich gerade aus Amsterdam angekommen bin”. „Oh, und was haben Sie in Amsterdam gemacht?” Und so weiter. 6. Es ist wichtig, sich zu erinnern, dass, wenn man nicht nach seiner Arbeit gefragt wird, es höchstwahrscheinlich keinen Sinn macht, darüber zu sprechen. Es weist darauf hin, dass man das falsche Publikum für diesen Zweck hat. 7. Diejenige, die Ausstellungspostkarten bei sich haben, müssen diese mit gutem Geschmack verteilen und nicht so, als ob sie Flyer an jeden ausgeben würden. Idealerweise sollte man diese Postkarten nur ausgeben, wenn man über seine kommende Ausstellung gefragt wird. 8. Es ist die übliche Vorgehensweise, dass in einer Gruppenunterhaltung ein Kurator oder ein Künstler eine Diskussion dominiert und ein endloses Aufzählen der eigenen Projekte startet. Solches Auftreten zeugt nicht nur von schlechtem Geschmack, sondern ist auch kontraproduktiv und verdächtig – denn wenn jemand so viele Projekte hat und sie ernsthaft betreibt, hätte er oder sie keine Zeit, an solchen sozialen Veranstaltungen teilzunehmen. Auch wenn dieses Handbuch es nicht empfiehlt, Zuhörer darauf hinzuweisen, weiß man, dass manche mit Phrasen wie „wow, du bist so beschäftigt, vielleicht solltest du besser nach Hause gehen und arbeiten anstatt hier mit uns zu sein?” antworten. 9. Der Dresscode für Eröffnungen. Das passende Kleidungsstück für Eröffnungen hängt natürlich ab von der Art des Raumes, den man besucht, und von der Eröffnung, an der man teilnimmt. Idealerweise sollte man mit dem Stil von Vernissagen, die diese Galerie organisiert, vertraut sein, so dass man eine informierte Entscheidung treffen kann. Einige Galerien fordern Hawaiihemden, während andere alles andere als Prada missbilligen (oder eine Fälschung, falls man nicht genug Geld hat). Nur Sammler haben die Freiheit, sich zu kleiden wie immer sie möchten, da sie nicht unter dem Druck stehen, irgendjemanden beeindrucken zu müssen. Und natürlich gibt es die Künstler, die sich auf jeder Eröffnung und jeder Art von sozialer Veranstaltung extravagant kleiden und verhalten. Wie manche von ihnen sagen, geht es dabei nicht darum, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, sondern darum, dass sie ihre künstlerische Persönlichkeit nicht einfach an die Modeerwartungen einer förmlichen Veranstaltung anpassen können. Einige dieser Künstler kommen mit Accessoires – mit blumigen Hüten, Teddybären, provokativer und/oder entblößender Kleidung, mit Speeren oder goldenen Umhängen. Es ist nicht angebracht, dass andere Besucher diese Modeentscheidungen kritisieren oder gar über sie lachen, da dies genauso grausam ist, wie deren Kunst in der Öffentlichkeit lächerlich zu machen. Diese Künstler sind dafür bekannt, „unterdrückte Kreativität” zu besitzen, da sie aufgrund des mangelnden Interesses an ihrer Arbeit unglücklicherweise nicht genug Wege haben, sich selbst auszudrücken. Daher ist es wichtig, diese Künstler mit größtem Respekt zu behandeln. Mit der kollektiven Akzeptanz werden sie hoffentlich über ihre „unterdrückte Kreativität” hinwegkommen.
01.01.2008
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04.02.2020 10:17
Letošní 50. ročník Art Basel přilákal celkem 93 000 návštěvníků a sběratelů z 80 zemí světa. 290 prémiových galerií představilo umělecká díla od počátku 20. století až po současnost. Hlavní sektor přehlídky, tradičně v prvním patře výstavního prostoru, představil 232 předních galerií z celého světa nabízející umění nejvyšší kvality. Veletrh ukázal vzestupný trend prodeje prostřednictvím galerií jak soukromým sbírkám, tak i institucím. Kromě hlavního veletrhu stály za návštěvu i ty přidružené: Volta, Liste a Photo Basel, k tomu doprovodné programy a výstavy v místních institucích, které kvalitou daleko přesahují hranice města tj. Kunsthalle Basel, Kunstmuseum, Tinguely muzeum nebo Fondation Beyeler.
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