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Die Brotfabrik und die zeitgenössische Kunstgalerie
Zeitschrift Umělec
Jahrgang 2007, 3
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Die Brotfabrik und die zeitgenössische Kunstgalerie

Zeitschrift Umělec 2007/3

01.03.2007

William Hollister | backen | en cs de es

Vor ein paar Jahren wollte Piotr Mankie-wicz in einer verlassenen Bäckerei in der post-industriellen, polnischen Stadt Bytom ein „Brotmuseum“ eröffnen. Doch die Stadtverwaltung hielt dies für eine dumme Idee und erlaubte die Nutzung des Gebäudes nicht. Also ging Mankiewicz in das nah gelegene Dorf Radzionkow, um seinen Traum zu verwirklichen. Heute werden Besucher in der Nähe des Flughafens Kattowitz von einem großen Werbeplakat begrüßt, das das Museum als eine der größten Attraktionen im polnischen Teil Schlesiens anpreist. In der Tat eilen Familien aus dem ganzen Land herbei, um die Kunst des Brotbackens zu feiern – mit Workshops und regelmäßig frisch gebackenen Ausstellungen. Als Resultat erlebt Radzionkow gar einen kleinen, wirtschaftlichen Aufschwung. Das Haus, das Mankiewicz gehofft hatte, in Bytom zu nutzen, rottet dagegen verlassen seit einem Jahrzehnt vor sich hin. Da es kein schöner Anblick ist, wird nunmehr spekuliert, dass das Gebäude abgerissen werden könnte.
Nachdem die mazedonische Hauptstadt Skopje 1963 von einem Erdbeben verwüstet worden war, wurde alsbald eine Reihe internationaler Architekten zusammengetrommelt, um die Balkanstadt neu aufzubauen. Polen initiierte dabei einen Designwettbewerb für ein neues Museum für Moderne Kunst. Leider, so sagen manche, vergaben die Polen den Auftrag an die falschen Architekten.
In diesem Jahr wurden zwei Künstler aus Mazedonien, Yane Calovski und Hristina Ivanoska, von Kurator Sebastian Cichocki in die Kronika Galerie in Bytom eingeladen. Sie wurde beauftragt, eine Ausstellung zusammenzustellen, die erforschen sollte, was hätte passieren können, wenn vor 45 Jahren in Skopje ein anderer Museumsvorschlag den polnischen Wettbewerb gewonnen hätte – nämlich der Vorschlag von Oskar Hansen. In der heutigen Zeit wird unsere Vorstellung von einem Stadtmuseum oder einer Galerie ständig dahingehend neu bewertet, wie man flexibel mit den sich entwickelnden Möglichkeiten der zeitgenössischen Kunst umgehen kann; und obwohl sie direkt nichts miteinander zu tun haben, können zeitgenössische Kunstgalerien von Dawickis „verlorenem Museum“ genauso viel lernen wie von Mankiewiczs Brotmuseum.

Kulturwaisen, Legenden und Helden
Das Projekt von Calovski und Ivanoska besteht aus einer Serie von einfachen Postern, die auf einem sechseckigen Muster angebracht sind, das Erinnerungen an Hansens Designkonzept eines Museums in Honigwabenform hervorruft. Der Architekt hatte einen sehr flexiblen, formbaren Raum vorgeschlagen, mit gigantischen, schirmartigen Ebenen, die zusammengeklappt und im Boden versteckt werden konnten. „Das Design rief nach einem transformierbaren Ausstellungsraum, der komplett zusammengefaltet und dann wieder in verschiedenen Kombinationen auseinandergefaltet werden konnte, mit sechseckigen Elementen, die von Hydraulik betriebenen, rotierenden Teleskopen, angehoben wurden. Die Struktur würde sich gleichzeitig horizontal und vertikal verschieben“, wie Hansen selbst einst erklärte. Dies stellt einen krassen Kontrast zu dem recht konservativen Museum dar, das nun von einem Hügel auf Skopje herabblickt.
Bei ihrer Verarbeitung dieses Konzeptes überlegten sich Calovski und Ivanoska, wie verschiedene Künstler im Laufe der letzten Jahrzehnte mit Hansens Räumen umgegangen wären. Ihre Ausstellung in Bytom besteht aus Postern zu erfundenen Ausstellungen, die in Skopje hätten gezeigt werden können. So schaffen sie eine imaginäre Ausstellungsserie, die mehrere Jahrzehnte umfasst. Sie beginnt 1968 mit der „letzten Soloausstellung von Dusan Percinkov, der Mitte der Siebziger Jahre mit der Malerei aufgehört haben wird.“
1973, zum Beispiel, wurde der kubanisch-amerikanischen Künstlerin Ana Mendieta eine Performance mit dem Titel Menschen schauen sich Blut an (Vergewaltigungsszene) berechnet, die eigentlich eine Performance im Apartment der Künstlerin in Iowa gewesen war. Die Show des Brooklyners Paul Thek nannte sich Ein Leben, in dem es kein Gewinnen zu geben scheint (1974), gefolgt von Susan referiert über Nietzsche (1987) was das Nachdenken des Künstlers über Susan Sontag darstellte. Ad Rainhardts Show aus dem Jahr 1996 hieß Malerei ist Schwarz, Bildhauerei ist Weiß, Architektur ist Farbe; eine andere Show Nur ein schlechter Künstler denkt, dass er eine gute Idee hat; ein guter Künstler braucht gar nicht (2007). Mladen Stilinovic, der in Zagreb wohnt und Kroatien auf der Biennale von Venedig 1997 vertrat, wird eine Show mit dem Titel Jetzt ist nicht der Moment; Lob der Faulheit zugedacht.
Ein Zukunftsprojekt gibt das Datum 2008 an. Es handelt sich dabei um eine konzeptuelle Ausstellung von Andrzej Szewczyk mit dem Titel Gemälde aus Chlopy. Sie stellt Mauerteile von Fischerhäusern aus einem Dorf dar, die authentisch wiederaufgebaut wurden, komplett mit Kaolinit, Emaillelack, Leim und verwandtem Material der ursprünglichen Konstruktion.
Das Interessante hierbei ist gar nicht so sehr, dass die Ausstellung für das nicht existente Museum in Skopje gar nicht stattgefunden hat; die erwähnte Ausstellung hat es schon gegeben – nämlich in Warschau im Jahre 1978. Impliziert wird hier eine klare Entwicklung von Ideen aus der Zeit Oskar Hansens in den Sechziger Jahren bis in die Gegenwart. Es ist sozusagen ein osteuropäischer Konzeptualismus – einer, der bei seinem reicheren, „westlichen“ Vetter Anklang findet, jedoch seine eigene Authentizität besitzt.
Nirgendwo auf diesen konzeptuellen Po-stern wird die jüngste, turbulente Geschi-chte der Republik Mazedonien reflektiert: die 360.000 Flüchtlinge, die aus dem benachbarten Kosovo 1999 in die ehemalige jugoslawische Republik strömten, oder der Konflikt mit den Albanern, der in einen von der NATO verhängten Waffenstillstand mündete; oder auch die Tatsache, dass man 2005 die Weichen für einen zukünftigen Beitritt Mazedoniens zur Europäischen Union gestellt hat. So liegt der Schwerpunkt der Ausstellung auf einer Tradition von Konzeptkunst, die formell analysiert, anstatt politisch zu konfrontieren.
Die eigenen Beiträge der Künstler zur Show in Bytom füllen diese Lücke. Es sind meist Aquarelle auf weißem Papier – narrative Skizzen, die Männer mit Gewehren zeigen, wobei einige von ihnen sich hinter Bäumen verstecken. Diese Bilder werden neben erst kürzlich gemachten Farbfotos von mazedonischen Dörfern und Landschaften präsentiert. Diese werden von Calovskis und Ivanoskas eigenen Vorschlägen für alternative Wohnstätten unterstützt: einer davon stellt ein Obdachlosenheim dar, das vollständig aus einer Decke gefertigt worden ist, komplett mit Socken und Hut. Ein Kinderwagen erlaubt jedem den Transport seiner Habseligkeiten für ein Leben im Transit. Diese Arbeiten stellen eine Form von engagiertem Idealismus dar, genauso wie sie zugleich ironische Parodien einer solchen Ästhetik sind.

Man stelle sich ein Museum vor…
All dies ist Geschichte, die nie passieren durfte. Die Autoren fragen: Was wäre geschehen, wenn der utopische Vorschlag angenommen worden wäre? Was hätte die Realität des Projektes bedeutet? Oder noch treffender: Welche Art von Projekt könnte man für die Zukunft vorschlagen? Die Ausgrabung einer nicht existenten Vergangenheit dient hier der gegenwärtigen Diskussion über die Rolle von Museen in der Gesellschaft, wobei sie sich ihren Platz in der Debatte über passende Definitionen des Zeitgenössischen und des Museums sichern will. In Polen fällt das Projekt der mazedonischen Künstler mit der aktuellen Diskussion über das Museum für Moderne Kunst in Warschau zusammen; ein Museum, das bis 2012 fertig sein soll und eines von mehreren kulturellen Institutionen darstellt, die in den nächsten fünf Jahren im Land geschaffen werden sollen. Viele sehen den jetzigen Vorschlag, der das Museum in der Innenstadt neben dem Hauptbahnhof und einem Wolkenkratzer im Stile des Sozialistischen Realismus vorsieht, als eine eingefrorene, konservative Form. Im Gegensatz dazu gibt es in der Tschechischen Republik einen Vorschlag für eine neue Stadtbibliothek, die sich wie ein Krake radikal aus dem Boden erhebt.
Das erste Poster nutzt Hansens eigene Worte als Werbung für eine imaginäre Ausstellung in Skopje aus dem Jahre 1966. Die Aussage ist erst zwei Jahre alt. „Kunst ist in ihrer Entwicklung unvorhersehbar. Wir dachten, dass es die Rolle der zeitgenössischen Galerie ist, auf das Unbekannte in der Kunst zuzugehen. Nicht nur dadurch, dass es ausgestellt wird, sondern auch durch die Ermutigung und Provokation seiner Geburt… Meine Galerie sollte in ihrer besonderen Form solange, wie es eine Ausstellung gab, existieren; vor dem Aufbau einer neuen Ausstellung sollte die Galerie aber wieder im Boden verschwinden, und die Türme der [nahe gelegenen] Moschee wären erneut in den Vordergrund getreten, bis die Suche nach neuen Formen von vorne losgegangen wäre.“
Dies steht im Kontrast zu einem Poster, das als erstes aller 12 Poster aufgeführt ist. Es ist das von Ad Reinhardt, der gerade heraus erklärt: „Ein Museum für die schönen Künste ist eine Grabstätte, kein Vergnügungspark, und jede Störung seiner Geräuschlosigkeit, Zeitlosigkeit, Luftleere und Leblosigkeit zeugt von mangelndem Respekt und vielerorts strafbar. Die Vorstellung, dass Kunst oder ein Kunstmuseum Verständnis und Liebe unter den Menschen fördert, ist im Osten wie im Westen gleich sinnlos. Jeder, der davon spricht, Kunst zur Verbesserung von menschlichen Beziehungen zu nutzen, ist verrückt.“
Der Ökonom Charles Landry schuf den Grundriss einer „kreativen Stadt“: einen sich entwickelnden, lebenden Organismus, der Kunstgalerien mit einschließt, die das Leben der Menschen in der Stadt einbeziehen und so das Globale mit dem Lokalen verbindet. Es ist interessant, wie die kreative Gesellschaft Polens von einem Experiment im weit entfernten Mazedonien lernen und diese Lehren auf die Zukunft anwenden kann. Wenn es aber Vorschläge gibt, gegen die man einschreiten muss, fragt man sich zwangsläufig, wie diese in eine „kreative Stadt“ hineinpassen sollen, solange keine größere Stadt ein Brotmuseum ernst nimmt.






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